Friedrich Wilhelm Jähns an Ernst Pasqué in Darmstadt
Berlin, Donnerstag, 1. September 1864

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Sehr geehrter Herr.

Es wird Ihnen vielleicht durch die öffentlichen Blätter das von mir ausgesprochene Gesuch bekannt geworden sein, mir Webersche Manuscripte gütigst zur Ansicht gestatten zu wollen und zwar Behufs Benutzung bei dem von mir unternommenen Werke über C.M.v.Weber, betitelt:

Chronologisch-thematisches Verzeichniß der sämmtlichen Tonwerke C.M.v.Weber nebst Erläuterungen.

Wenn schon der erste Theil dieses Titels ein hübsches Stück Arbeit in sich schließt, so enthält doch der Nachsatz „nebst Erläuterungen“ die schwierigste und Hauptsächlichste, da in diesen Erläuterungen alle Spezialitäten der einzelnen Werke, ihre Beziehungen zu einander und zugleich ihre Entstehungsgeschichte geliefert werden soll und zwar in gründlichster, strengster und weitgreifendster Weise, ähnlich dem Verfahren im Köchelschen Werke über Mozart. Da ich mit einem ganz unvergleichlichen Material versehen bin, so hoffe ich die Aufgabe leichter zu lösen als ein Anderer, dennoch sind viele Lücken und die Forderung ist complicirter, als es den Anschein hat und jede Unterstützung ist eben so erwünscht, wie sie auf das Dankbarste von mir anerkannt werden wird. Ich hatte beim Entwurf meiner diesmaligen Reise Darmstadt ins Auge gefaßt; da mir aber Webers Sohn in Dresden, | einer meiner ältesten Freunde, versicherte, daß er von Darmstadt durch den Sohn von Gottfried Weber alles empfangen habe, was irgend erreichbar sei, so gab ich Darmstadt auf und ging nach Prag und Dresden, nachdem ich im vorigen Jahr mit bedeutender Ausbeute dieselben Städte schon bereist hatte, wie außer diesen noch Wien, Salzburg, München, u. Leipzig. Das hielt mich nicht ab, dennoch in diesem Jahre den oben erwähnten Aufruf um Manuscripte u. sonstige Auskünfte zu erlassen, den ich unbegreiflicher Weise nicht nach Darmstadt sendete. Nun habe ich aber in No 7 der Allgem. Musikal. Zeitung bei Breitkopf u. Härtel (leider erst jetzt) in Erfahrung gebracht, daß dennoch Darmstadt für mich sehr interessant gewesen würde. Sie bringen nemlich über Abu Haßan in dieser Zeitung eine sehr interessante Mittheilung. Sie theilen mit, daß die erste Original-Partitur sich in der Hofbibliothek gefunden. Zuförderst muß ich die Richtigkeit Ihrer Mittheilung bestätigen, obwohl ich selbst eine andere, nur vollständigere Original-Partitur dieser Oper von Webers Händen habe, die ich bis jetzt für die erste Original-Partitur hielt. Sie ist es nicht. Die Ihrige ist die Ältere. Der Beweis ist, daß sie 10 Nummern enthält, wogegen die Ihrige nur 8. Die 8 Nummern (die Sie aufführen) sind bei mir auf ganz gleichem Papier geschrieben; die eine der beiden neuern Nummern No 4 (das Duett: „Thränen sollst du nicht vergießen“) ist auf viel kleineres Format geschrieben u. im Dez. 1812 componirt. No. 10 (Eine Arie der Fatime: „Hier liegt, welch martervolles Loos!“) ist auf ein ebenfalls von dem übrigen verschiedenes Papier notirt u. 1823 componirt. Nun aber ist Ihr Exemplar 1811 schon dem Großherzog überreicht und das meinige ist nach Composition der letzten Arie, also erst nach d. 13. Nov. 1823 gebunden worden, denn jenes Duett „Thränen“ u. diese | letzte Arie „Hier liegt“ ist mit allen alten Nummern der Oper, die Ihre Partitur enthält, in einem Band zusammen gebunden. – Da ich aber alle Original-Manuscripte beschreibe (d.h. auch nach ihrer äußeren Gestalt selbst) so wäre es mir äußerst wünschenswerth, Ihre Original-Parittur zu sehen, mit der Meinen nach außen und und innen streng zu vergleichen und seines Orts später davon Mittheilung zu machen. Sie sehen aus der beiliegenden Aufforderung von mir, daß für den Fall, man das Betreffende an die hiesige Königl. Bibliothek einsenden kann oder vielmehr an den Custos der musikalischen Abtheilung derselben, Herrn Dr: Espagne in der Königl: Bibliothek. – Dürfte ich nun wohl Ihre Güte in Anspruch nehmen, bei der betreffenden Behörde in Ihrer Stadt (bei Hinweis auf meine beiliegende Aufforderung) für mich zu befürworten, daß mir die Original Partitur des Abu Hassan auf einige Tage nur hieher zu Ansicht geschickt würde? – Ich wärde Sie um Ihre gütige Verwendung dringend und verbindlichst ersucht haben. – Ich weiß, es ist dies sehr unbescheiden und dennoch knüpfe ich noch eine 2te Bitte an die eben vorgetragene. Aus Webers Correspondenz mit Gottfried Weber geht hervor, daß Gottfr. und Carl Maria sich eine Zeitlang Billette von Haus zu Haus geschrieben, deren jedes mit Canons von der Composition beider begleitet sein mußte. die Correspondenz ist gedruckt u. zwar in der von Gottfried herausgegebenen musikal. Zeitschrift Caecilie; im Bande XV pag. 37 wird daselbst von Gottfried wörtlich gesagt: „Es mußten alle Billette, welche einer dem andern vom Haus zu Haus schrieb in Canons geschrieben sein, welche übrigens mitunter auch beliebig herzlich schlecht ausfielen“. Nun 2 solcher Canons haben sich erhalten. Nach der | eben gemachten Mittheilung müssen aber eine größere Anzahl vorhanden sein. Auf Nachforschung bei dem Sohn C.M.Weber der leider nicht musikalisch ist, hat dieser nur mitgetheilt, daß Gottfried Webers Sohn ihm alles gezeigt u. gegeben habe, was vorhanden sei. – Ich glaube nicht daran, offen gestanden. – Ich glaube vielmehr, daß bei gründlicher Nachfrage an rechter Quelle ein anderes Resultat herauskommt. Die Quelle ist aber eine doppelte. Erstens der Sohn Gottfried’s. Bei diesem wäre nochmals ernstlich und in besonderer Rücksicht auf jene erwähnten Canons nachzufragen. Zweitens aber die Großherzogliche Bibliothek. Ebenfalls in der Caecilie ist mitgetheilt, daß Gottfrieds ganze Kunst-Correspondenz von diesem an diese Bibliothek für den Fall seines Todes überantwortet werden solle. Dort also werden diese Sachen stecken und Sie, der begeisterte Kunstfreund und Forscher, sind der Mann dazu, im Interesse der Kunstgeschichte der Sache auf den Grund zu gehen. Es würde mich sehr glücklich machen, das Verlorene zu erreichen und zugleich selbstverständlich an geeigneter Stelle d.h. in meinem Werke Ihre Verdienste dabei gebührend anzuerkennen. Darum helfen Sie, sehr geehrter Herr! Schlagen Sie mit dem belebenden Stab an den Felsen, daß er öffne und von seinem Schatze ausspende. –

Ich harre mit Ungeduld auf Ihre gütigen Mittheilungen in Bezug auf die beiden Ihnen hiemit ganz ergebenst vorgetragenen Fragen. Sein Sie, sehr geehrtzer Herr, meines verbundensten und wärmsten Dankes versichert und erfreuen Sie, darum bitte ich ganz gehorsamst, recht bald mit einiger Nachricht Ihrem
ganz ergebensten F.W.Jähns.
Königl: Preuß: Musik-Direktor

Apparat

Zusammenfassung

erläutert sein Arbeitsvorhaben WV, legt einen Aufruf zur Autographen-Meldung aus den Signalen bei und bittet, sich dafür zu verwenden, dass ihm die Darmstädter Partitur des Abu Hassan leihweise an die Kgl. Bibliothek nach Berlin geschickt werde, damit er seins und das ältere Darmstädter miteinander vergleichen könne. Fragt auch, ob er ihm Zugang zur Korrespondenz Weber/Gottfried Weber verschaffen könne

Incipit

Es wird Ihnen vielleicht durch die öffentlichen Blätter

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Darmstadt (D), Universitäts- und Landesbibliothek, Musikabteilung (D-DS)
    Signatur: NL Pasqué 169,8 Br. / Jähns, F. W. 5

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.), 1 Beil.

Textkonstitution

  • „und“sic!

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