## Title: Carl Baermann sen. an Friedrich Wilhelm Jähns. München, Dienstag, 3. Januar 1865 ## Author: Baermann, Carl sen. ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A043110 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Lieber verehrter Freund! Sie sehen aus der obigen Ansprache welchen Eindruck Ihre Briefe auf mich machen, und so müßen Sie nun Wohl oder Übel sich dieselbe gefallen laßen. Vor allen andern danke ich Ihnen recht vom Herzen für die freundliche Übersendung Ihres lieben Bildes, welches mich recht sehr erfreut hat, und um mich bayrisch auszudrücken, so recht anheimelt. Gerade so dachte ich mir Sie, und was Sie von sarkastischen Ausdruck sagen, kann ich nicht finden, da ich leider das Or[i]ginal noch nicht gesehen. Das Bild machte auf mich einen so freundlichen wohlwollenden charackterhaften Eindruck, daß ich nun wirklich neugirig bin zu erfahren wo das sarkastische den[n] eigentlich steckt. Sie müßen daher das Or[i]ginal recht bald nach München schicken um mich zu überzeugen, daß es ein noch ehrlicheres offenes Gesicht gibt, als das übersandte Bild. Übrigens wäre es gar kein besonderes Wunder, wenn das Gesicht des ehrlichsten Musikers, in dieser geniearmen Zeit in der sich die Mittelmäßigkeit so breit macht, einen kleinen Beigeschmack von Ironie bekäme; ja man sollte eigentlich annehmen können, daß der ironischte Kopf eines Musikers, auch der ehrlichste sey. Also trösten Sie sich über Ihren Fund von sarkastischen Ausdruck, mir ist der Kopf so lieb u. werth geworden. Daß ich Ihnen Ihren vorletzten Brief nicht beantwortet habe lag in den Verhältnißen; nämlich: ich konnte ihn noch nicht beantworten. Theils waren viele anderweitige Geschäfte Schuld, daß ich der von Ihnen gewünschten Angelegenheiten nicht gehörig nachgehen konnte, theils verlor ich ein paar mal die Spur derselben. Heute erst bin ich so glücklich Ihnen wenigstens einige glückliche Resultate berichten zu können, und ich thue es mit recht inniger Freude, da ich weiß wie sehr Ihnen damit selbst eine Freude bereitet wird. Ich schrieb Ihnen schon das Letztemal daß alles Wichtige bei dem letzten großen Theaterbrand am 14 Jäner 1823 verloren ging, so auch sämtliche Theater=Zettel. Nun fand sich aber nach langen Suchen, daß eine Baronin Ellersdorf dieselben, wenn auch mit kleinen Lücken besaß. Das kgl. Hoftheater kaufte sie nun sämtlich an, und somit erhalten Sie beiliegend die wortgetreue Abschrift des Theater=Zettels vom 4t Juni 1811. Die Arie für Tenor (: für Weixelbaum geschrieben :) fand ich im Archiv der musikalischen Accademie und ich sende Ihnen die vollständige Partitur, nebst den Trombe & Timpani im Anhang. Ferner fand ich in den Catalog der musikalischen Accademie noch einige Numern von Weber, die mir mehr oder weniger unbekannt. Ich schreibe Sie Ihnen hier nachfolgend auf, vielleicht finden Sie etwas Neues oder Brauchbares darunter. * 1) Ouverture in B. * 2) Arie aus der Oper Ines de Castro * 3) Scene & Arie aus Athalia * 4) Arie aus Lodoiska * 5) 10 Schottische National-Gesänge * 6) 2 Duetten für Sop. & Alt  /: Lachner hat sie instrumentirt :/ So viel ich in Erfahrung gebracht habe ist das Waldmädchen in München nicht gegeben worden, und ist bis jetzt auch leider nichts davon aufzufinden. So viel ich mich aber aus den Erzählungen meines Vaters erinnere, ist das Waldmädchen und Silvana mir stets gleichbedeutend gewesen, und mein Vater erzählte öfters, daß Weber das Waldmädchen später in Silvana umgetauft hätte. Vielleicht gibt Ihnen diese Vermuthung oder vielmehr dieser Glaube von mir einigen Anhalt. Von dem alten Hofmusikus Fladt, welcher schon längst todt ist, leben noch 2 Söhne, beide waren in der Münchner-Hofkapelle als Oboe-Spieler angestellt, erhielten aber ihrer Untauglichkeit halber gute Hofstellen, und somit war ihre Untauglichkeit ihr Glück. Der Ältere ist Schloßverwalter des königl. Schloßes in Landshut, der jüngere ist königl. Portier, aber ein gar zu einfacher Verstand, und somit schrieb ich an den ältern Sohn Anton Fladt vor einigen Tagen, erhielt aber von dem langweiligen Menschen keine Antwort, ich wiederholte vorgestern mein Schreiben und bat dringendst um umgehende Antwort. Heute erhielt ich erst beiliegenden Brief. Das Musikstück welches er mitgesendet hat ist C. M. v. Webers Clarinett-Concertino für Oboe von einem Stümper arrangiert ** den Brief des Herrn Flad /: also doch ohne dt :/ bitte ich nach Gefallen zu benützen, ich glaube nicht daß er für ein Archiv von Wichtigkeit ist., ich schicke es daher nicht mit; die Frau von Flad deren Sie erwähnen, und welche Weber öfters besuchte, war gar nicht verwandt, mit den Obigen. Sie war sehr musikalisch gebildet, eine vortreffliche Clavierspielerin, und Lehrerin von den berühmten Henselt. Ihr Mann war Ministerialrath, sind aber beide kinderlos auch schon lange gestorben. Die Geschichte von Hermstedt schmeckt ziemlich gemein, und Weber wird schon gewußt haben, warum er das Concert nicht geschrieben hat. Jedenfalls ist für mich das Tagebuch Webers hier maßgebend, und dem Herrn Regierungsrath hat sein Vater eine Renomage aufgebunden. Das Fatale für Hermstedt ist jedenfalls daß er Weber, nachdem er ihn also 561 fl 37 x für ein Concert gegeben haben will, (: eine mehr als königl. Bezahlung :) noch weitere 10 Louisdor bietet, statt entsetzt zu sein, daß Weber für 561 fl nichts gethan hat. Recht sehr hätte es mich gefreut Ihren lieben Sohn bei seiner Anwesenheit in München gesehen zu haben. Ich fand heute früh seine Spur in der Theater-Bibliothek /: nämlich seine Karte :/. Der Bibliothekar sagte mir daß er ihn etwas, Weber betreffend, mitgegeben hat. Und somit sind Sie doppelt verpflichtet mir diesen Sommer seinen Vater zu schicken, damit ich ihn derb ausschelten kann daß er seinen Sohn nicht beßer instruirt hat. Die Partitur der Tenor-Arie bitte ich sobald als möglich wiederzurückzuschicken, da bei uns das Gesetz ist, daß während der eigentlichen Concert-Saison kein Musikstück länger als 20 Tage ausgeliehen werden darf. Nun lieber verehrter Freund leben Sie im neuen Jahre recht froh u. glücklich, und wenn Sie in Etwas meiner bedürfen, so zählen Sie auf meine ganze Hingebung für Ihr edles Unternehmen und meine vollste Freundschaft, die ich Ihnen von ganzen Herzen stets gleich bewahren werde. Ist es nicht sonderbar u. eigenthümlich, daß wir so gute Freunde sind ohne uns gesehen zu haben. Ich habe ordentlich Angst wenn Sie mich von Angesicht sehen, daß Sie mir weniger gut werden. Meine Familie läßt Sie ebenfalls recht herzlich grüßen und ist Ihnen ebenso ergeben als Ihr bereitwilligster aufrichtiger Freund Carl Baermann München den 3t Jäner 1865 So eben fällt mir ein daß ich jüngst unter dem Nachlaße meines Vaters eine kurze Biographie seiner Künstlerlaufbahn vorfand, worin sein Verhältniß zu Weber berührt ist. Es interreßirt Sie vielleicht dieselbe zu lesen. Sie werden darin meine Aussage über Opus 33 (: die Variation betreffend :) bestätigt finden. Doch weiß kein Mensch wie diese Variation (: Adagio :) eigentlich gespielt wird als ich, da Vater dieselbe ganz anders spielte, als sie im Drucke erschienen ist, und wirklich so wie Er sie spielte das Reizenste für die Clarinette ist. Auch lege ich Ihnen einen Concert-Zettel bei von Webers ersten Concert in München, in welchen Vater auch zum Erstenmal Webers Concertino für Cl:[arinette] blies. Ich darf Sie wohl bitten mir diese beiliegenden Sachen mit der Partitur der mitfolgenden Arie wieder retour zu schicken, da dieselben doch nur für mich besondern Werth haben können. Nochmals meine besten Grüße an Sie, und fragen Sie nur, und gebrauchen Sie mich unnachsichtlich, es gereicht mir, nebst der Freude Ihnen dienen zu können, noch zu der besondern Befriedigung und Ehre, wenn auch nur ein Sandkörnlein, an Ihren schönen hochverdienstlichen Werke beigetragen zu haben. Sie sehen ich bin ein Egoist, und zugleich werden Sie sich denken ein Schwätzer, da ich es mache wie die Damen, die bei der Nachschrift erst recht anfangen den Brief zu schreiben, und somit eile ich zum Schluße damit Sie nicht noch was ärgeres denken, meine Schuld ist eigentlich nur, daß ich recht gerne mit Ihnen plaudern möchte. Von Herzen Ihr Baermann Noch eine Nachschrift die durch das Adressschreiben hervorgerufen ist, ich kann Ihren Vornamen nicht entziffern, bitte schreiben Sie mir das nächstemal denselben so daß mein etwas ungeübtes Auge ihn mir richtig sagt. Ich u. meine ganze Familie haben sich lange aber erfolglos daran abgemüht.