Mein lieber werther Freund!
Wohl haben Sie Recht mir Vorwürfe zu machen, und ich
will es auch gar nicht versuchen mich zu entschuldigen, da fast alle meine Briefe mit
solchen Entschuldigungen beginnen müßen. Meine Arbeit und Thätigkeit war aber in
letzterer Zeit, trotz meines steten Nervenleidens so bedeutend, daß ich wenigstens
lieber Freund
Nachsicht und Verzeihung verdiene.
Ich will vor allen daher gleich all Ihre Fragen beantworten so weit als es mir
möglich wurde.
- 1) Von einer
Oper
Ines de Castro
ist hier nichts
bekannt. Aber ein Trauerspiel, Ignes de Castro
von
Sooden findet sich im Verzeichniß Inez de Castro, Trauerspiel in 5
Akten mit Musik von B. A. Weber wurde 1789 in Hannover
uraufgeführt.
- 2)
Athalia ist
eine Oper vom Freiherrn von Poissl ehemaliger Hofmusik u.
Hoftheater-Intendant, später Oberstkämmerer, und im
vorigen Jahre in einem hohen Alter gestorben, er war ein intimer Freund Webers.
- 3) Von einen Herrn
SendtmerJohann Jakob Sendtner (1784–1833),
Schriftsteller und Redakteur der Münchner politischen Zeitung, lernte Weber
1811 in München
kennen; vgl. TB 26. Juni, 10. und 11. September. konnte ich gar nichts
erfahren
- 4) Völkerschlacht war nichts anderes als
Kampf u.
Sieg
.
Neuere Fragen.
- 1) die Tackte in der
Pollacca des Es dur
Clarinett-Concertes 126 sind die radirten:
Violin I
MW_WeV-N13, Takt 119–122 von Satz III des 2. Klarinettenkonzerts,
ursprüngliche Version
und die später veränderten:
MW_WeV-N13, Takt 119–122 von Satz III des 2. Klarinettenkonzerts,
veränderte Version
in meinem Original ist alles radirt, und nichts durchstrichen.
- 2) Hinter dem
Andante der Romanze dieses Concertes steht von
Webers Hand: den 17t July in Starenberg
comp:
1811.
- 3) der in dem
F-moll
Concert im Rondo nach der Fermate 125t eingefügte Tackt
ebenfalls Fermate, ist eine General-Pause, ist aber nicht von Weber eingefügt, sondern mein Vater setzte diesen Tackt ein, damit der Dirigent hier eine längere Pause mache.
- 4) Der Titel des
Esdur
Concertes ist genau so geschrieben wie ich ihn hier hersetze:
Gran Concerto in Eb ❘ per il ❘ Clarinetto Principale
❘ composto per uso ❘ Del
Signore Enrico Baermann ❘ da ❘
Carlo Maria de Weber ❘ Opus 2
delle Concer
te
per il Clar: ❘ Monaco Mese Julio 1811
- 5) Die
Adresse des Herrn Prof. Schafhäutl ist von Ihnen ganz richtig
geschrieben.
- 6) Der Vorstellung des
Abu
Hassan konnte ich leider nicht beiwohnen, da ich auf Besuch
bei meiner Frau u. Tochter in Stuttgart war,
doch war die Aufnahme eine ziemlich laue von Seite des Publicums, und nur einige politische
extemporirte Witze haben besonders gefallen. !! – Die Vorstellung fand am 14. April 1868 im Hoftheater
in München statt (vgl. Max Zenger, Geschichte der Münchener Oper, München 1923,
S. 498).
Was Sie über die beiden Concerte und das Concertino sagen ist ganz vortrefflich und nicht beßer u.
wahrer zu empfinden. Ich unterschreibe u. unterstreiche jedes Wort und könnte es mit
besten Willen nicht beßer machen daher gibt es auch nichts zu kritisiren. Nur im
Bezug auf dem Vorzug zwischen beiden Concerten, bin ich
anderer Meinung. Ich ziehe das F-moll unbedingt dem Es-dur Concert vor. Ich finde es in Anlage u.
Erfindung viel erhabner origineller,
und Weberischer /:
altbayerischer Ausdruck :/. Auch sind die Passagen frei von
dem Einfluße der Zeit, welcher namentlich im ersten Allegro des
Esdur Concertesnicht zu verkennen ist,
ebenso die Pollacca als solche. In der damaligen Zeit stand
die Pollacca im schönsten Flor u. Weber hat sich diesem Einfluße nicht
entzogen. Betrachten Sie dagegen das Rondo im F-moll
Concert, wie neu u. originell die Erfindung, wie lustig u. launig die
Fortführung und nirgends eine Beeinflußung seines Genies,
alles frisch u. frei aus Webers Brust. Zudem gehört wohl das Adagio zu dem F-moll
Concert mit zu dem Schönsten was Weber componirte. Es ist dieß nicht meine Ansicht
allein, mein Vater liebte es weit mehr als das
Es dur Concert, und
Mendelsohn fand es
auch ohne allen Vergleich geistig bedeutender als das Es dur Concert. Auch hat Weber, so viel ich aus Vaters
Mund noch weiß, dem F-moll
Concert den Vorzug gegeben welcher zwar nicht maßgebend ist, da
man sich über seine eigenen Werke oft selbst sehr täuscht. So jetzt können Sie mich
kritisiren und schonen Sie mich nur nicht, da ich Ihnen so gerade weg wiedersprochen
habe.
Ich hoffe daß bei Ihnen alles recht wohl u. gesund ist, und daß ich Sie recht
bald bei uns begrüßen kann, denn hoffentlich werden Sie Ihren
unterbrochenen Aufenthalt in Starenberg wieder diesen Sommer aufnehmen. Nun lieber
theurer Freund leben Sie recht
recht wohl u. glücklich u. verzeihen Sie Ihren Sie
dennoch recht herzlich liebenden
Freund
Carl
Baermann
München
den
19t April 1868