WeGA, Rezeptionsdokumente, Digitale Edition Carl August Böttiger: Erinnerungen an Weber Böttiger, Karl August Veit, Joachim Stadler, Peter Übertragung Frank Ziegler Korrektur Eveline Bartlitz

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Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe
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Autorenzuweisung nach dem Beiträger-Register der Allgemeinen Zeitung, hg. von Bernhard Fischer, München 2003 (lt. hs. Randnotiz im Cottaschen Redaktionsexemplar) Erinnerungen an Maria v. Weber Böttiger, Karl August Allgemeine Zeitung C. J. Stegmann Augsburg 28. Januar 1827 30 28 109–110 Fraktur

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Erinnerungen an Maria v. Weber.

Unsers Maria v. Weber’s tief eingreifende, doch schnell gehemmte Wirksamkeit gleicht nicht der Erscheinung eines nur auf Augenblike im Dunstkreis schimmernden oder dort gebornen Lichtmeteors. Sein Stern glänzt in der himmlischen Lyra. Nie werden es ihm die Italiener verzeihen, daß er in eigener Kraft selbstständig nie sein Knie beugte vor dem beräucherten Gözen des Tages. Nie werden die Stendhals und Carpanis schweigen bei dem Preis, den Europa noch lange dem deutschen Meister zollen wird. Carpani hat noch vor Kurzem in einem zu Rom erschienenen Brief ** Lettera del Professore Carpani sulla Musica di Giochimo Rossini. Roma 1826. seinen Preisgesängen auf Rossini eine Warnung an die auf Abwege gerathenen deutschen Komponisten angefügt, wobei natürlich unser Maria v. Weber am stärksten geschulmeistert wird. „Opfert dem Ausdruk nicht die Melodie; mißbraucht eure unbändig harte Sprache nicht zur Komposition, wo nur Wohllaut herrschen soll; hütet euch vor der Manie, eure Gelehrsamkeit im Kontrapunkt überall anzubringen; werdet tüchtige Gesangkomponisten!“ Daß bei diesen vier Hauptpunkten Weber zuerst in die Schule genommen wird, versteht sich. Man muß aber die in jedem Wort treffende Abfertigung ja nicht ungelesen lassen, welche in der nun ihren 29sten Jahrgang mit Ruhe beginnenden ersten deutschen musikalischen Zeitung **** Allgemeine musikalische Zeitung (Leipzig, bei Breitkopf und Härtel 1826) Nro. 49. Niemand wird in diesem Aufsaz die Stimme des Altmeisters verkennen, des vieljährigen Herausgebers jener Zeitung und der Mittheilungen an Freunde der Tonkunst. ein Veteran diesem ultramontanischen Präceptor angedeihen läßt, aber dabei seinen Landsleuten nichts schenkt. Verschwendung im Zuviel, Zuoft, Zuschwer, und im Bedeutendsten und Schärfsten, da wo kaum Belebendes statt finden konnte, wird auch ihnen zu Gemüth geführt. „Unser unruhig-geistvoller Weber ruht nun im Grabe; Spontini scheint zu vornehm, als daß wir von ihm gehört zu werden hoffen dürften; aber dem treufleißigen, stets wakern Spohr, und wer etwa jezt sich hervorarbeiten möchte, geben wir dis zu bedenken, so wie Goethe’s jüngste Klage in Kunst und Alterthum, daß im Theater durch die Belustigung des Gesichts und Gehörs die Reflexion täglich mehr eingeschränkt wird.“Leicht verändertes Zitat aus Rochlitz’ Stellungnahme zu Lettera del Professore Carpani sulla Musica di Gioachimo Rossini (Rom 1826), in AmZ, Jg. 28, Nr. 49 (6. Dezember 1826), Sp. 806. Zwar ist Weber’s Todtenfeier bis jezt nur auf wenigen ausgezeichneten Bühnen zum Besten seiner Familie begangen worden. Allein das hat ja auch keine so drängende Eile. In München schadete die gewiß gut gemeynte, aber die Jahreszeit wenig berüksichtigende Eile. Nur der Winter vereint und sammelt alle Kräfte. Darum fand die neue und zwekmäßig gerüstete Benefizvorstellung des Freischützen im großen Opernhause zu Berlin, die unter Spontini’s eigener Leitung im November erst statt fand, ein eben so begeistertes als dankbares PublikumLaut Bericht in der Berliner Schnellpost für Literatur, Theater und Geselligkeit, Jg. 1, Nr. 135 (11. November 1826), S. 540, war die Benefizvorstellung (6. November 1826) blos auf den Wunsch der Freunde des Verstorbenen bis auf diese, theatergünstigere Zeit verschoben worden.. Der reinste Eifer, die Manen des großen Meisters, der einst so gern seine vollen Kräfte dem großen Berliner Kunstverein gewidmet hatte, und dort stets die treuesten Freunde und Würdiger seines Genie’s zählte, würdig zu ehren, durchdrang die Künstler – einer der ersten verschmähte es nicht, Vorsänger im Jägerchor zu seyn – und die sich drängenden Zuschauer. Es ist aus öffentlichen Blättern bekannt, daß mit der völlig kostenfreien Aufführung, und den Zusendungen der höchsten Theilnehmer, die Einnahme volle 2000 Rthlr. betrug. Spontini meldete dis der Wittwe in einem sehr verbindlichen Schreiben. Da der eigentliche Intendant des Theaters, Graf Brühl, erst nach der Aufführung von seiner Gesundheitsreise in die Schweiz zurükkehrte, so bleibt auch ihm bei der noch bevorstehenden ersten Aufführung des Oberon ein weites Feld zur Verherrlichung des Meisters offen, der ihm im Leben so treu und redlich ergeben war. Auch das Pariser Odeontheater brachte dem gefeierten Weber eine sehr ehrenvolle Huldigung dar, indem hier, nicht ohne des treflichen Meyer-Beer’s kräftige Einwirkung, und mannichfaches Eingreifen befreundeter Männer, ein Benefiz des Freischützen für die Hinterlassenen veranstaltet wurde, welches in seltener Einnahme 6000 Franken trug, wovon nach Abzug der Kosten wenigstens die Hälfte den Kindern des Verstorbenen zu Gute kommen wirdVgl. den Korrespondenzbericht aus Paris zur Benefizvorstellung für Webers Erben im Théâtre de l’Odéon über die Aufführung am 23. November 1826 in der Zeitschrift Hesperus. Während nun, so viel für jezt verlauten will, noch auf sechs deutschen Bühnen (noch nicht in Wien) Benefizvorstellungen für die Hinterlassenen mit Eifer zubereitet werden, richtet sich aufs neue der forschende Blik auf das Londoner Theater von CoventgardenLaut Angabe im Theatrical Observer war bereits die Einnahme der Oberon-Aufführung in Coventgarden am 17. Juni 1826 zum Besten der Familie von Weber bestimmt; eine Abbildung der Ankündigung dieser Vorstellung findet sich bei Karl Laux, Carl Maria von Weber, Leipzig 1978, Abb. 128., dem Weber seine lezte Kraft widmete, und man vernimmt es gern, daß am Sterbetage Weber’s dort, wo endlich das Gefühl der Nationalehre doch noch einmal über die beengende Eingebung des Privatvortheils siegen wird, der von ihm selbst neu eingerichtete Freischütz zum Besten der Erben gegeben werden soll. Unterdessen beschäftigt jezt die angemessene Gestaltung und Aufführung des Oberon, als des heiligsten Vermächtnisses, welches uns Weber hinterließ, mehrere der vorzüglichsten deutschen Bühnen, woran man bei einigen, wie selbst in Dresden, zugleich die Erinnerungsfeier ihres unvergeßlichen Tonsezers zu knüpfen gedenkt. Groß sind die Schwierigkeiten, die bei einer des Meisters würdigen Aufführung desselben überwunden werden müssen, aber um so ruhmvoller auch ihre Besiegung. Der um diese Zeit des Englischen völlig kundig gewordene Weber komponirte diese von Karl Kemble besprochene Oper ganz nach dem, ihm vom Theaterdichter Planche aktweise zugeschikten Gedichte. Natürlich war dabei ganz allein auf Reizmittel durch Maschinerie und Dekorationen, und was die gewünschte Komposition anlangte, auf die noch disponibeln Kräfte der dortigen Sänger und Sängerinnen Rüksicht genommen. So wurde die Rolle des Elfenkönigs für männliche Stimme und Figur zugeschnitten, und Weber mußte ganz gegen seine Ueberzeugung und innere Eingebung darnach seine Solopartien sezen. Dis war dem sinnvollen Meister so empfindlich, daß er gegen seine Freunde in Dresden selbst sein Mißfallen darüber äußerte, und erklärte, das könne nie etwas anderes, als ein bloßes Gemachtes werden. Auch ist es sehr wahrscheinlich, daß er zur deutschen Aufführung diese Rolle für eine junge, talentvolle Sängerin umgearbeitet haben würde, wenn sein Lebensfaden nicht zerschnitten worden wäre. So war er völlig überzeugt, daß mit der Befreiung der Liebenden, und der großen Elfenerscheinung, alles geschlossen seyn müsse, der dumb-shew des Hofes Karls des Großen aber ein sehr störendes und sinnloses Puppenspiel sey. Allein John Bull forderte dis unerläßlich, und so erhielten wir wenigstens noch einen preiswürdigen Marsch zur Zugabe. Aber mit allen diesen, dem Kinde von der Geburt anklebenden Mängeln bleibt der Oberon doch die köstlichste Reliquie, und wird in seinen unvergleichlichen Einzelnheiten in Deutschland Tausende zur Bewunderung hinreißen. Der für alles Schöne empfängliche uneigennüzige Direktor der Leipziger Stadtbühne, Hr. Hofrath Küstner, bestand zuerst in Deutschland das kühne Wagestük, den Oberon auf die Bühne zu bringen. Es galt der Geburtsfeier des ehrwürdigen Königs. Weber hatte ja seine Kapelle geleitet, ihm eine hochvollendete Missa mit Offertorium geweiht, und von den drei Pintos, einer komischen Oper nach dem von Theodor Hell bereiteten Text, welche er ganz eigentlich dem König von Sachsen zu weihen gedachte, bereits mehr als ein Drittel komponirt (Meyer-Beer hat es übernommen, sie zu vollenden). So war der würdigste Zeitpunkt für die Oper gewonnen. Nichts wurde gespart, selbst aus London wurden die Musterbilder verschrieben, doch genügten die eigenen Hülfsmitmittel. Fand in der Aufführung selbst die allzuhoch gespannte Erwartung, bei überfülltem Hause und sehr verschiedener Empfänglichkeit, nicht überall gleich enthusiastischen Beifall; so befriedigte es doch als Schau- und Singspiel alle Kunstfreunde vollkommen, und ward mehrmals nach einander vor immer neu herbeiströmenden Zuschauern mit steigendem Interesse aufgeführt, den Kennern bei jeder folgenden Vorstellung höhern Genuß bietend. Man ließ die erkältende Schlußscene mit Karl dem Großen weg, verlor aber dadurch den großartig einfachen Marsch. Es müßte sich wohl mit klug angewandter Maschinerie im Hintergrunde in einander schieben lassen. Es mag vielleicht bei einem so allgemein interessirenden Gegenstand an der Stelle seyn, das Urtheil eines der kundigsten Männer in Leipzig auch hier zu lesen:Autor für den Abschnitt über die Leipziger EA von Webers Oberon war Friedrich Rochlitz; vgl. die Briefe von Rochlitz an Mosel vom 23. März 1827 sowie an Winkler vom 5. April 1827. Die Passage ist übernommen aus (bzw. adaptiert nach) dem Brief an Böttiger vom 11. Januar 1827. „Das Gedicht entbehrt alles innern Zusammenhangs, und ist eine bloße Reihe von Tableaux. Destomehr ist der Komponist zu bewundern, daß er ein wahres Ganzes herzustellen vermochte, ein Ganzes, das sich nicht nur von den Opern aller Andern, sondern auch von seinen eigenen andern völlig absondert. Dis vermag selbst das eminenteste Talent allein nicht; nur ein Geist der überall weiß, was er will und soll, kan hier waltend ein solches hervorbringen. Es ist der Preis des denkenden Künstlers, daß er das gesamte Geisterwesen scharf von dem, was Menschen thun oder leiden, in seiner Musik geschieden, und jenes zur Hauptsache erhoben, und eben dadurch seinem Werke einen unbeschreiblichen, durchaus neuen Reiz verschaft hat. Es versteht sich dabei wohl von selbst, daß nicht nur ein reicher Chor, sondern auch Maler, Dekorateur, Maschinist, Tanzmeister, vor allem aber der dis alles durchdringende Direktor vollkommen ihre Schuldigkeit thun, und es ist nur Gerechtigkeit zu sagen, daß dis alles bei uns nicht nur gut, sondern auch das Schönste gewesen, was wir hier noch jemals gesehen und gehört haben. Nur Oberon machte im Geisterreiche eine Ausnahme. Dieser erschien dem Dichter selbst in grauem Nebelflor, und so hat ihn auch Weber nur als ein Mittelding zwischen Geist und Menschen unbestimmt herstellen können. Aus Hüon und Rezia etwas Anderes und Bestimmteres zu bilden, als einen ersten Sänger, eine erste Sängerin, war nach dem, was ihnen der Dichter zugetheilt hatte, nicht möglich. Fatime hat schöne Gesangstüke, aber zu einem wahren Charakter konnte kein Tonzauber sie heran bilden. Die andern bedeuten wenig. So bleiben nur die Geisterscenen übrig. Diese aber sind auch an Originalität und Seele, an Anmuth und Zartheit, an Mannichfaltigkeit bei fester Haltung, an Leichtigkeit und Reiz bei geistvoller Ausarbeitung, die lieblichste und flekenloseste Blüthe des Unvergeßlichen. Wer diese Oper zuerst hört, halte sich nur immer vor allem, ja allein, an sie. Mit dem Uebrigen wird sich’s dann schon finden, und man wird auch hier Trefliches genug entdeken. Hieraus ergibt sich, wie der Gesammteindruk auf die gemischte Menge seyn müsse. Alle Welt wird es hören und – sehen wollen. Wird nun für beide zur Genüge gesorgt, so wird sich die Menge sehr, sehr freuen; aber so oft wieder kommen, wie beim Freischüz, das wird sie nicht. Wer hingegen zu unterscheiden, und jedes in seiner Art zu genießen fähig ist, der wird eben so oft, wie dort, wieder kommen, und gewiß noch lieber zu diesem Feenzauber als zu jenem Teufelsspuk.“ Kurz vor Weber’s Abreise nach London zeichnete ihn noch ein junger talentvoller Dresdner Künstler, ZöllnerLudwig Theodor Zoellner (1796–1860), von 1824 bis 1826 Schüler von Carl Christian Vogel (von Vogelstein); sein Weber-Porträt (lithographiert von Bove) ist nicht nach einer Porträtsitzung Webers, sondern offenbar nach Vorlage der Porträtzeichnung von Vogel (oder einer danach gefertigten Lithographie von Eduard Eichens) entstanden., und nahm die Zeichnung nach Paris, wo sie nun von Noel mit der höchsten Vollendung des französischen Steindruks herausgegeben worden ist. Es ist bei weitem das sprechendste Bild des Meisters, das vorzüglich den begeisterten Blik, doch ohne alle Manier wiedergiebt. Er blikt aus einem ihn umfließenden Gewölk zu uns herab. Sieh Mutter, rief Max, der ältere Sohn Webers, als es die Mutter aus Paris zugeschikt erhalten und aufgehangen hatte, der Vater sieht aus dem Himmel auf uns! Ob das aus England als sehr getroffen angekündigte Bild Weber’s noch ähnlicher seyn könne, möchte bezweifelt werden. Sein geistiges, inneres Bild können nur seine unvergänglichen Tonschöpfungen uns bieten. Doch wird auch sein Geist aus den gesammelten Briefen und biographischen Fragmenten von seiner eigenen Hand zu uns sprechen, welche der um seines Freundes Nachlaß und Nachgelassene hochverdiente Hofrath Winkler (Theodor Hell) zur Ostermesse herausgeben, und den Erlös dem edelsten Zweke widmen wird.