## Title: Caroline von Weber an Giacomo Meyerbeer in Berlin. Dresden, April 1847 ## Author: Weber, Caroline von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A045693 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Verehrter Freund! Nur die Ueberzeugung Ihrer, sich immer gleich bleibenden Güte für uns kann mir den Muth geben mich in einer Angelegenheit an Sie zu wenden in welcher ich, in Geschäftsangelegenheiten ganz unkundig einem Manne gegenüber stehe, welcher einzig nur seinen Vortheil vor Augen habend, alle edlen Gesinnungen hindansetzt. Um Ihre kostbare Zeit nicht zu sehr in Anspruch zu nehmen erlaube ich mir Sie sogleich mit der Beschaffenheit meiner Verlegenheit bekannt zu machen, und um Ihren freundlichen Rath zu bitten. Ich weiß nicht verehrter Freund, ob es Ihnen bekannt ist, daß Weber für den Klavierauszug des Freischützen, nebst dem Recht aller Arrangements, von der Musikalienhandlung Martin Schlesinger, das Honorar von 40 Friedrichdor bekam, und auch nachdem diese Handlung so bedeutende Geschäfte mit dem Verkauf dieser Oper machte, nie einen Nachtrag auf dieses geringe Honorar erhielt. Vor 3 Jahren, als Herr Adolph Schlesinger eine neue Auflage des „Freischützen“ beabsichtigte, und wir zu diesem Zweck die Original-Partitur ihm zur Verfügung der Korrektur stellten, machte er zugleich an mich die Forderung, weil er fast alle Kontrakte über den Ankauf von Weber's Kompositionen verloren hatte, und ihm daraus schon bedeutende Prozesse erwachsen waren, daß er sich nicht hinlänglich legitimiren konnte, ich sollte es ihm gerichtlich und eidlich bezeugen, daß er die Kompositionen von Weber gekauft habe. Nachdem ich alle Notizen dafür aus Weber's hinterlassenen Schriften gesammelt, stellte ich dies Zeugniß aus, behielt mir aber vor, bei einer zweiten Auflage dieser Werke aufs neue mit dem Verleger unterhandeln zu können, weil in keiner der vorgefunden Notizen irgend ein Recht auf eine zweite Auflage angedeutet war. — Man sagte mir zwar daß man einem Musikalien-Verleger keine zweite Auflage nachweisen könne, indem sie im Nothfall nur einzelne Platten nachzustechen brauchten, jedoch erfuhr ich später, daß, auf meinen Vorbehalt hin, Herr Schlesinger mehrere Prozesse verloren habe. Vor ohngefähr einem Jahre kam Herr Moritz Schlesinger aus Paris zu mir, um mit mir wegen der zweiten Auflage des „Freischützen“ zu unterhandeln und als er aus Weber's Buch den geringen Preis sah für welchen sein Vater diese Oper gekauft, war er ganz erstaunt, und erbot sich, dieses Honorar noch einmal zu bezahlen für das Recht einer zweiten Auflage des Freischützen. Ich bewilligte diese Forderung und er versprach, im Fall sein Bruder das Geld nicht bezahle es selbst zu thun. Es verging aber beinahe ein Jahr und von keiner Seite erfolgte etwas. Vor acht Tagen kam nun Herr Adolph Schlesinger von der Messe hieher, und proponirte mir, statt dieser Verbindlichkeit nachzukommen, ein anderes Geschäft, welches, wie er sagte, höchst vortheilhaft für mich sei. Er wollte mir nehmlich die 5 Partituren von Weber's Opern für 1000 Thaler abkaufen, wenn ich ihm zu einem Privilegium auf 25 Jahre behülflich sei. — Ich gestehe, geehrter Herr, ich hätte meinem Sohn, welcher durch seine Reise nach England, und seine Einrichtung und in letzterer Zeit durch die Krankheit seiner Frau, welche eine Badekur nöthig machen wird, sein kleines Kapital sehr geschmälert hat, gern diesen Zuschuß verschafft, und war schon im Begriff das Geschäft abzuschließen, als Herr Schlesinger erklärte er müße aber die Original-Partituren als sein Eigenthum erhalten. — Habe ich nun da Unrecht gehandelt wenn ich dies verweigerte? Und soll ich nun auch die von den beiden Brüdern Schlesinger versprochene Nachzahlung auf das Honorar für den Freischützen unberücksichtigt lassen? Meinem Gefühl nach, möchte ich lieber gar nichts mehr mit Herrn Schlesinger zu thun haben, weil er so selten der Wahrheit gemäß spricht, und man sich nicht einen Augenblick auf sein Wort verlassen kann. Aber darf ich dies Gefühl, meines Sohnes, und Enkels wegen wohl berücksichtigen? Ich habe hier Niemand, welcher mir mit Rath beistehen könnte, und wende mich deshalb vertrauungsvoll an Sie, wohl wissend, daß Ihnen die ganze Sache kleinlich und unbedeutend vorkommen muß, daß sie es aber für uns wirklich jetzt nicht ist. Darum bitte ich herzlich mir zu sagen, ob ich mit obiger Verweigerung Recht gethan, und wie ich nun der anderen Angelegenheit wegen handeln soll. Mit dem innigsten Dank werde ich dies, wie alles was Ihre Güte schon für uns gethan erkennen. Empfehlen Sie mich Ihrer geehrten Frau Mutter. Und erhalten Sie Ihr WohlwollenIhrer Caroline v. Weber.