## Title: Caroline von Weber an Ida Jähns in Berlin. Dresden, erhalten Mittwoch, 8. Dezember 1847 ## Author: Weber, Caroline von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A046285 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Meine liebe gute Ida! Dass ich Deinen guten Brief nicht früher beantwortete, verzeihst Du wohl einer Grossmutter welche vor Weihnachten alle Hände vol zu thun hat für das kleine süsse Enkelchen, und mit all ihren Arbeiten schon bis Mitte dieses Monats fertig sein muss, weil sie dann nach Chemnitz zu den Kindern geht. Mit dem kleinen Marichen geht es Gott lob! bis jetzt recht gut, und Max kann mir nicht genug erzählen wie lieb und herzig das kleine Thierchen ist; Mit Nettchen aber geht es leider nicht so gut, und wir haben ihrer Gesundheit wegen grosse Sorge. Sie klagt beständig über Rücken- und Brustweh, und magert sehr ab. Auch noch andere Symptome haben sich eingestellt welche unsere Besorgniss vermehren. Nun Gott gebe es gnädig! wenn es nur schon Sommer wäre damit etwas für sie gethan werden könnte. Max ist am meisten dabey zu beklagen, denn da Nettchen ohnehin keinen Vorrath von Heiterkeit hat, so ist sie natürlich bey anhaltenden Unwohlsein noch weniger geeignet ihm das Leben zu erheitern — Ach, wie oft mag er es schon bereuht haben dass er so jung geheurathet hat? Welche Fessel ist ihm jetzt dies Band wo es ihn hindert unangenehme Geschäftsbedingung zu lösen, wo er aus Rücksichten für Frau und Kind sich so manches muss gefallen lassen was er sonst, als freyer Mann abgeschüttelt hätte. Wohl habe ich ihm alles voraus gesagt, wohl gerathen, und gewarnt, aber die Sache war verfahren, und er muss nun die Folgen tragen. Gott lob, dass ihn sein Kind so viel Freude macht und er in ihm ersatz findet für Vieles. Ich gestehe Dir aufrichtig meine gute Ida dass ich immer mit einer Art von Angst nach Chemnitz gehe, denn Nettchen und ich, wir sind ein paar so verschiedene Naturen dass wir uns wohl nie verstehen werden. Wir stehen uns innerlich noch eben so fern wie am Tage unserer ersten Begegnung. Nettchen besitzt einen ungeheuren Dünkel auf Eigenschaften welche sie gar nicht hat. So lässt sie sich in ihrer Haushaltung durchaus nicht rathen, obgleich sie davon fast gar nichts versteht, und ungeheuer viel Geld verbraucht. Sie bildet sich ein, alle Handarbeiten vortrefflich zu verstehen und zu machen, aber alle missrathen ihr, was sie dann freylich nicht eingestehen will, und sehr böse wird wenn man sie auf die Fehler aufmerksam macht. Auch hat sie gar kein Talent ihre Kleider zu schonen, und trägt die besten und Theuersten im Hause, so dass sie eigendlich nie ein gutes, frisches Kleid hat. Bitte ich sie aber, wenn sie nach Hause kömt, das seidne Kleid doch auszuziehen und nicht das Kind damit auf den Schoos zu nehmen dann bekome ich den ganzen Tag kein gut Gesicht und sie klagt dem Max dass ich sie behandle wie ein Kind? Wohl schwebt es mir dann manchmal auf der Zunge dass sie diese Nichtachtung kostbarer Kleider doch früher nicht gewöhnt gewesen, und ich mir schon Vieles habe versagen müssen um es ihr zu geben — aber um des Friedens willen schluke ich jede solche Bemerkung herunter und denke sie wird es ja wohl endlich einsehen dass es nicht so fortgehen kann. Max sagt mir jetzt imer selbst „gieb ihr doch nichts mehr, Du siehst ja sie schont es doch nicht.[“] Aber ich denke dann imer, da Max die Frau gern nett sieht, wenn sie anfinge sich zu vernachlässigen, würden Maxens Gefühle für sie noch früher erkalten und er desto unglücklicher werden. Um noch mehr zu ersparen halte ich mir jetzt kein Dinstmädchen sondern nur eine Aufwartung, und gehe bey einer Freundin in die Kost. Auf diese Weise kann ich dem Max noch mehr geben als bisher, und auch alles für Marichen bestreiten was sie braucht. Ich befinde mich dabey auch gar nicht übel denn es ist für mich viel angenehmer in einer Familie mit zu essen als so allein zu hause die paar Bissen mit betrübten Herzen einsam herunter zu schluken. Ihr kennt ja wohl die Frau Pastorin Paldamuss, und Mad Schwarz? nun seht, mit diesen Frauen esse ich, und nach Tisch, nachdem wir alle Drey ein kleines Schläfchen gemacht, trinken wir zusammen Kaffee, und arbeiten. Abends bin ich viel in Gesellschaft oder im Theater, denn so einsam zu Hause zu sitzen davor habe ich grosse Scheu. Oft komt auch Max von Chemnitz um nach Riesa zu gehen, dann richtet er es so ein dass er Sontag hier bleiben kann und dass ist dann immer ein Festtag für uns alle, und seine Freunde versameln sich bey mir. Ich bin auch jetzt recht befreundet mit Clara Schuman und höre oft gute Musik bey ihr. Das gesellige Treiben beginnt dieses Jahr recht früh hier, und Einer will es dem Andern zuvor thun. Ich liebe nun zwar diese grosse Gesellschaften nicht, aber ich gestehe in Chemnitz wo man keinen Ton Musik hört ist es mir doch ein wenig zu troken, und mein Marichen muss mir Vieles ersetzen. Gebe nur der Himel dass ich nicht wieder, wie gewöhnlich, krank dort werde, denn das ist bey dem beschränkten Logie der Kinder wahrhaft qualvoll, Nun man muss das Beste hoffen. Ich wollte nun zwar den hässlichen Namen Schlesinger nicht mehr gegen Euch erwähnen, aber ich muss doch bey Wilhelm einmal anfragen ob er es nicht für gut hielt wenn ich ihm nun endlich durch meinen Advokaten zu Leibe ginge? Ich kann gar nicht sagen wie verächtlich die Handlungsweise dieses Menschen mir vorkömt. Nun er möge sich wehren! in der Biographie Webers soll ihm ein Denkmal gesetzt werden für alle Zeiten und alle Länder. Oder meinen Sie lieber Jähns dass es besser ist wenn ein Berliner Advokat zu ihm ginge und eine Erklärung forderte? und an wen rathen Sie mir dass ich mich in diesen Fall wende? Ich ha[e]tte schon gern an Lichtenstein desshalb geschrieben aber der hat zu viel zu thun, und ist zu leichtgläubig für diesen Menschen, der macht ihn tot mit Reden und es kömt zu keinen Resultat. Mit dem Unwohlsein deines Vater liebe Ida hat sich wohl nun alles wieder zum Besten gewendet, und Du bist dieser Angst überhoben. Wohl sendet uns zuweilen der Himel einen solchen Fingerzeig damit wir nicht zu sicher werden im Besitz der Geliebten und uns die Möglichkeit des Verlierens nahe tritt. Möge Dir der schmerzliche Verlust noch lange ferne bleiben und Dir die verwante Seele erhalten werden. Dass Dein armer Mann im Winter sehr geplagt ist, thut mir zwar sehr leid, aber heimlich freue ich mich desshalb darüber weil er dann so viel Geld einnimt um im Somer wieder nach Dresden zu komen, und da der Egoissmus einmal jetzt die Welt regiert so mag mir auch die Freude über seine Plage erlaubt sein. Es wäre gar hübsch wenn wir den künftigen Somer einmal in Pilnitz zusamen wohnen könnten. Es giebt da allerley niedliche Wohnungen mit Möbel zu denen man aber freylich zeitig melden muss. Kome ich von Chemnitz zurück fahre ich einmal hinaus um zu recognosieren. Eine ganz herrliche Einrichtung ist jetzt das Abonement auf dem Dampfschiff wo eine Person für den ganzen Somer, sie mag fahren, jeden Tag wohin sie will, bis Tetschen, 5 Thaler bezahlt. Dafür kann man jedes Sächs. Schiff benutzen und jeden Anhaltspunkt besuchen. Ist das nicht hübsch? Jähns brauchte eigentlich kein Somerlogie, der könnte nur imer mit dem Schiff alle schönen Punkte besuchen und hin und her kutschieren. In jedem Fall aboniere ich mich künftigen Somer, wenn ich nehmlich dann nicht schon in den Haven eingelaufen bin nun wenn das ist dann habe ich ein recht kühles Plätzchen und liebe Umgebung. Legt Euch einmal so ein Somerplänchen zurecht und putzt, und malt den Winter daran herum, ich will es auch so machen, so vergeht der böse Winter schneller. Wilhelm soll mir auch die Composition von Maxens Gedicht nicht ganz vergessen, den Ende Januar ist das Stiftungs Fest der Liedertafel. Würde es Wilhelm interessieren eine Handschrift der Garcia zu haben? ich ko[e]nnte ihm dann eine schicken. Doch nun auch genug Eure Geduld geprüft. Gott sey mit Euch Ihr Lieben verlebt die Feyertage fröhlig und wenn ihr mir später als den 10. schreibt so schikt den Brief nach Chemnitz. Holzmarkt beim Bäcker Bleyel. Grüsst und küsst mir die Kinder und wenn ihr Lichtenstein seht so grüsst auch ihn herzlich. Stets Eure treue Mütterliche Freundin Carolina v. Weber.