## Title: Caroline von Weber an Friedrich Wilhelm und Ida Jähns in Berlin. Pillnitz, erhalten Sonntag, 8. Oktober 1848 ## Author: Weber, Caroline von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A046325 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Meine lieben Kinder! Wie oft habe ich Euch schon im Geiste sagen hören „Na die Mama schreibt einmal wieder schöne Gedankenbriefe von denen man nichts hat![“] Aber diesmal giebt es Allerley zur Entschuldigung für mein langes Stillschweigen wenn es auch leider wieder einmal nicht viel Erfreuliches ist. Gleich nach Empfang von Wilhelms Brief wurde ich in der Stadt mit der angenehmen Nachricht überrascht dass Eins von uns das Vergnügen haben müsste eilens nach Chemnitz zu reisen um die ganze Einrichtung der Kinder einzupacken, weil wir den Transport etwas billiger haben könnten indem ein Möbelwagen mit Hausrath dahin führe, und die Sachen auf den Rückweg billig mitbringen wollte. Max konnte nicht von Riesa fort weil gerade Jahrmarkt dort war und die Züge seiner Aufsicht bedurften, Nettchen konnte ihres Zustandes wegen auch nicht reisen, und wollte man nun von der Gelegenheit profitieren, und etwas sparen, so muste die arme alte Mama abermals das Packpferd sein und die Sache übernehmen. Ich reisste die Nacht vom Sonabend zum Sontag hin, packte dort am Sontag alles, Glas, Porzelan, Möbel Bilder, allein mit Hülfe eines Eisenbahnarbeiters ein; hatte nicht einmal etwas zu essen, weil ich, beschmutzt wie man, von solcher Pakerey wird, nicht ausgehen konnte, und reisste nach dieser enormen Strapatze Abends um 9 Uhr wieder nach Dresden ab, wo ich aber ganz krank ankam, und beynah 8 Tage mich von der Uibermüdung nicht erholen konnte. Kaum wieder ein wenig hergestellt bricht in Chemnitz die Revolution aus, und versetzt mich aufs neue in eine heftige Gemüthsbewegung, denn grade an dem Tage war nun Max in Geschäften hingereisst, und auch mit dem ersten Flintenschuss zum Thor hinein gefahren. Er hat die 2 Schrekenstage dort mit durchgemacht und wir haben sie hier in Todesangst verlebt. Gott sey Dank dass ihm nichts geschehen, und wir nur mit der Angst davon gekomen sind. Nettchen hat sich nun hier vollständig eingerichtet und scheint mit ihrem Logie recht zufrieden. Sie wohnt ganz nahe bey mir in dem Hause welches man aus meinen Garten sehen kann. Villeicht erinnert Ihr Euch des Hauses mit flachen Dache das Erste in der Dippoldiswalder gasse? Da habe ich den Kindern die 2 Etage gemiethet weil doch in den nächsten Jahren keine Ausicht ist dass die Bahn weiter gebaut wird ‒ und wäre es auch, so kann nun doch, nachdem uns Nettchen zu diesen Umzug hieher beredet hat, nicht so bald wieder von einen neuen Umzug die Rede sein, denn wenn das so fort ginge müssten wir alle zu Bettlern werden. Die schönen Möbeln, welche in Chemnitz, nicht einmal zugedekt waren, fand ich in schreklichen Zustant. Bestaubt und verschossen. Die Betten beschmutzt und von Mäusen zerfressen pp kurz, ich kann Euch versichern dass ich die so theure Einrichtung mit Thränen eingepakt habe. Du lieber Gott! seit 3 Jahren ist gar kein Segen mehr bey uns, und alles geht zurück. Es war nur gut dass die Sache mit Schlesinger so ablief dass hat mir doch bey dieser Umsiedlung, und den enormen Steuern gute Dienste gethan, und wird mir bey den, nun nahen, Wochenbett noch sehr zu statten komen. Ich hatte mir ohne diesen Zuschuss wirklich nicht zu helfen gewust. Von Berlin hören wir hier auch lauter beängstigende Nachrichten sowohl in politischer Hinsicht als auch der Cholera wegen. Ach ha[e]tten wir nur erst den Winter überstanden! Uibermorgen muss ich mein liebes Pillnitz verlassen und in die garstige Stadt ziehen wo mich ausser meinen lieben kleinen Marichen, und zuweilen Max, nichts Angenehmes erwartet. Ach wäre nur erst das Wochenbett vorbey! wenn es wieder wird wie das Erstemal so ist es mein Tot, denn ich kann wirklich jetzt gar nichts mehr aushalten, und und fühle mich gleich sehr angegriffen und kraftlos. Was habe ich aber auch in diesen letzten Jahren alles durchgemacht! Mit welchen Sorgen hat meine Seele gekämpft, und wie freudlos sind sie vergangen! Hier in diesen himlisch ruhigen Aufendhalt habe ich erst wieder angefangen zuweilen frey aufzuathmen und mich über Gottes schöne Welt zu freuen. Erst heute noch habe ich lange Zeit oben auf dem Zukerhut ganz allein, gesessen und mich in vergangene schöne Zeit zurück geträumt, wo Weber da an meiner Seite gesessen, und wir Pläne für die Zukunft machten. Mir war als umschwebte mich sein Geist, und ich fühlte mich, wenn gleich sehr wehmüthig, doch nicht unglücklich. Möge des Vaters Geist auch schützend den Sohn umschweben und ihn behüthen wenn ich nicht mehr sein werde — — Mit meinem rechten Auge geht es imer noch nicht gut, und ich habe zuweilen rechte Sorge darum. Es ist imer als ob ein Flor darüber wäre, was aber wahrscheinlich nur die Folge der langen Entzündung ist. Wie schade ist es mein guter Jähns dass Ihnen die Musikdirector Stelle hier nicht annehmbar schien. Röckel ist, seiner politischen Umtriebe wegen entlassen, und für seine Stelle wird ein Brauchbarer Mann gesucht. Wagner wird wohl auch bald fort müssen denn er ist aus demselben Grund, wie Röckel, ganz in Ungnade gefallen. Bey dem 300 jährigen Jubileum der Kapelle, hat Reisiger einen Orden bekomen, und Wagner durfte nicht einmal bey der Deputation sein welche den König zum Conzert einlut. Wagner gab ein Finale aus seiner neusten Oper welches ganz durchfiel. Ich habe aber auch noch nie so einen musikalischen Spectakel gehört. Der gute Wagner ist wirklich nahe am toll werden. Das Concert schloss mit Webers Jubelouverture unter den stürmischten Aplaus — Den Oberon behalten Sie nur dort mein lieber Jähns, es ist jetzt doch, ehe nicht wieder Ruhe wird, mit meinen Plan damit nichts anzufangen. Wie leicht ist es uns nun gemacht zu einander zu komen seit die Bahn direkt von Berlin eröffnet ist. Ach wer nur überflüssig Gelt hätte der käme einmal zum Kaffee zu Euch. Max hat die Idee Euch einmal zu überraschen. Ach, wie danke ich Gott dass zwischen Euch nun auch alles wieder ausgeglichen ist. In dieser Schrekenszeit müssen gute Menschen zusamen halten. Uiber Schlesingers Idee, den König einen groben Brief zu schreiben habe ich recht gelacht. Ich mögte nur wissen wer die Anonce in die Zeitung hat setzen lassen! ich habe sie noch nicht einmal gelesen. Uibrigens scheint es mir bis jetzt dass das Privilegium uns geschenkt würde ohne Unkosten und da kann Schlesinger froh sein. Nun meine lieben guten Kinder küsse ich Euch 1000 mal, und bitte Euch mich und uns alle lieb zu behalten. Eure treue Mutter Weber. Marichen ist jetzt ganz allerliebst.