## Title: Helmina von Chézy an Sara Kaskel in Dresden. Wien, Freitag, 19. Dezember 1823 ## Author: Chézy, Helmina von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A042051 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ An Ihro Wohlgeboren Mme Kaskel Dresden Verehrte, theure Freundin! Wenn Sie gleich eine grausame Freundin sind, und im Schweigen ein Felsenherz beweisen, so sind Sie gleichwohl lieb u gut, hold u treu, u Ihr Schweigen ist mehr werth als die Worte von Vielen! So ist es mir denn nicht möglich einen Neujahrswunsch u eine kleine Bitte an Ihren edeln Gemahl abgehn zu lassen, ohne Ihnen Gruß u Dank zu bringen, u Nachricht von uns zu geben. Was Sie davon in dem Briefe an Ihren Gemahl finden, will ich nicht wiederholen, Ihnen aber die Ihnen gewiß recht willkommene Versicherung geben daß es mir hier in Wien in den bedeutendsten Rücksichten viel vesser geht, als es mir noch irgendwo gegangen, u daß es blos auf die Möglichkeit ankommt den Unterricht für Wilhelm u Max so zu organisiren, wie in Berlin, um zu bleiben, wenigstens viele Jahre noch. Wilhelm hört fleißig u anhaltend Collegia, u hat liebe junge Leute von wackern Aeltern zum Umgang, er ist brav u entwickelt sich immer geistvoller u angenehmer. Die Leichtigkeit hier zu allem zu gelangen, was man wünschen kann, kommt uns sehr zu statten. So ist mir auch die Gastlichkeit willkommen mit der uns hier alle großen Theater (Leopold. u Josephstadt besuchen wir nicht) offen stehn. So wie ein ernstes, herrliches Stück gegeben wird, geht Wilhelm in die Burg, ich entweder in Gesellschaft oder in ein ander Theater, weil ich mich lieber zu erheitern suche u der Thränen satt bin. Die Euryanthe stirbt hier des blassen Todes, macht leere Häuser, u man kann dem Publikum nicht Unrecht geben, ich sage es ganz ohne Vorurtheil | daß, Weniges ausgenommen, es scheint,# # NB. dies gilt doch noch mehr seit dem er fort u das Stück wunderlich zusammengestrichen ist. als hätte Weber sich den Kopf zerbrochen den Instrumenten Mißtöne zu entreißen u die schönen Menschenstimmen durch die widrigste Unnatur der Tonsetzung zum heisern Angstschrei zu verwandeln. Doch muß man billig seyn, die Musik schien mir besser, ud alles gieng anders, eh gestrichen war, u als er dirigirte. Jetzt aber ist es nicht zum Aushalten. 245 Zeilen sind heraus, ud alle Uebergange u Ausfüllungen. Wenn jetzt die Pauken kommen, oder, mit diesem Tempo (Kunstausdrücke habe ich nicht) der schreiende Leichenkonduktsmarsch der Hochzeit Eglantines geblasen wird, so möchte man aus der Haut fahren, neunmahl habe ich die Euryanthe angehört, u mit der ruhigsten Prüfung u dem besten Willen, sie schön zu finden – es gieng nicht. Ausgenommen den ersten Chor u der Jaegerchor ist kein Fünkchen Melodie im ganzen Stück, es müßte denn der Schluß des auseinandergezerrten Duos Euryanthes mit Eglantine seyn. Die Wortspiele nehmen kein Ende. Der Rossinist soll gesagt haben er lobe sich Rossini, der Weberianer: geht mir mit dem, das ist 'ne Gans! – Der Rossinianer: E Virtel von maner Gans is mir lieber als all' Euri'Anten (Enten) – die Euryanthe stand dem Weber zu hoch, er soll beym Schützen bleiben (Schütz heißt hier das Weberschiffchen) – Eine Weberei | ohne Dessein – die Ennuyante, die Larmoyante, die Arrogante, Weber machts wie's Gott will, Rossini, wie wir's wollen – die Euryanthe ist die siebente Freikugel – u.s.w.u.s.w. Die Direktion hat mir jedoch 200 Florin Silber Honorar voll gemacht, u zwar aus freiem Antrieb – unter aller Critik schmutzig u gewißenlos in jeder Rücksicht, hat sich Weber benommen, selbst gegen die Direktion, die er um 60 Dukaten noch übervortheilt hat, u die nimmermehr ihre ungeheuren Unkosten herausbringt, da die Oper durchaus nichts gemacht hat. Beym Benefiz der Sängerin Sonntag blieben, so geliebt ud geachtet das holde Kind ist, 40 Logen leer, u das Parterre war mäßig voll, Dlle Sonntag war mit 1200 fl. Silber von der Direkt. garantirt, wozu diese dann das Meiste vorschießen mußte. Rechnen Sie hier 800 Florin Zuschuß, 1770 Florin Silber in Allem an Weber, 80 an mich, die kostbare Ausstattung u die jedesmaligen Unkosten der Aufführung so finden Sie die Direktion um so mehr zu bedauern als sie sich bey dieser Oper zu erholen vermeinte. Als Weber hier anwesend war, besonders in der letzten Zeit, wo ich, wiewohl fruchtlos, in ihn dringen mußte, hatte er wirklich alles, was ihn nahe umgab, vermocht gegen mich nicht | freundlich zu seyn. Nach u nach sind den Leuten von selbst die Augen aufgegangen, u man überhäuft mich mit Güte u mit Beweisens des Vertrauens u Wohlwollens könnt ich nur so fleißig seyn, als es hier gewünscht wird! Morgen Abend wird meine Rosamunde gegeben, am 29 mein neuer Narziß in der Burg, unter dem Titel „Der Wunderquell“ dann mein Lustspiel, das Sie kennen, im Carneval. Mein Kreis bildet sich recht angenehm, u reichhaltiger, als mir gut ist, da jede Bekanntschaft Zerstreuung, oft auch Kummer verursacht. So hat mich der Tod eines sehr lieben Kindes einer Freundin aus Ungarn sehr afficirt. Ich muß in die Probe – Ich umarme Sie u die lieben Ihrigen mit tausend Segenswünschen. Ich hoffe Sie werden meine Rosamunde in Dresden sehen – die Euryanthe ist, wie ich von meiner theuern Sophie Schroeder höre – auf unbestimmte Zeit wegen der Kränklichkeit der Minna aufgeschoben. Meine Söhne küssen Ihnen u Ihren holden Töchtern die feinen, lieben Händchen, Wilhelm dichtet auch fleißig, aber ganz insgeheim, u Max ist recht emmsig in seiner Kunst. Mit inniger Liebe u Dankbarkeit von ganzem Herzen Ihre Helmina Wien 19 Dez. 1823