WeGA, Rezeptionsdokumente, Digitale Edition Aufführungsbesprechung Mannheim: <q>Die Pagenstreiche</q> von August von Kotzebue und <q>Die Räuber</q> von Friedrich Schiller am 28. November 1810 Dusch, Alexander von Veit, Joachim Stadler, Peter Übertragung Fukerider, Andreas

Version 4.9.1 vom 5. Februar 2024

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Machine-Readable Transcriptions of Newspaper Articles about Music and Theatre Performances in the early 19th Century

Schreibtafel von Mannheim: Gastrollen von Johann Gottfried Wohlbrück (Forts.) Hof- und Nationaltheater in Mannheim Schreibtafel von Mannheim Ferdinand Kaufmann Mannheim 50 4. Dezember 1810 1r Fraktur

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Hof- und National-Theater in Mannheim.

Den 28. Nov.: Die Pagenstreiche. Auch in dieser Posse zeigte Herr Wohlbrück als Baron Stuhlbein den denkenden Künstler, wiewohl sein komisches Talent nicht hervorsteht. Er gab die beiden Hauptszenen, die mit Stiefel durchwachte Nacht, und die letzte Szene mit vieler Wahrheit, ohne jedoch das Lächerliche der Situationen zur vollen Anschaulichkeit zu bringen. Uebrigens blieb manches komische seiner Rolle wegen der drei lärmenden Karrikaturen des Stücks unbemerkt. Herr Prandt hat unter diesen als Herr von Heldensinn wegen seiner halb in der Kehle gestandnen Worte (es war keine Eigenheit dieser Rolle) eine Rüge verdient; weniger konvulsivische Anstrengung in Sprache und Gebehrden könnten diesen verdienstvollen Schauspieler eben so beliebt machen, als er durch sie einen unangenehmen Eindruck auf den Zuschauer macht. – Mademois. Frank spielte den Pagen mit Laune; aber warum gibt man diese Rolle (wahrscheinlich geschieht es der erforderlichen Jugend wegen) einem Frauenzimmer? – –

Den 28. Nov.: Die Räuber. Dieses genialische Kraftprodukt unsers unsterblichen Schillers stellt in Franz von Moor einen Charakter auf, dem es durchaus an einem belebenden Grundprinzip fehlt, an der Grundfarbe, welche jede andere Farbengebung zum Ganzen aufnimmt und verschmilzt; es ist ein Charakter, der sich in Thaten entwickelt, ohne von einem Punkte der Einheit auszugehen, anstatt daß er als individualisirter Wille Quelle jener Thaten seyn sollte. Franz von Moor ist (in der poetischen Darstellung) nicht der Bösewicht, durch den die Handlungen als nothwendiger Ausdruck gesetzt wären; sondern er wird erst zu dem Ungeheuer durch die Handlungen. Er gleicht einem Musikstücke, das aus keinem bestimmten Tone geht, und eben deswegen aus allen die darin vorkommen. – Destomehr war es zu wünschen, daß Herr Wohlbrück gleich im Anfang durch einige kräftige mimische Grundstriche diesem Charakter in der theatralischen Darstellung aufhelfen möchte. Er that es aber nicht, sondern ließ die Bosheit anschwellen mit dem Verlaufe des Stücks, und stand erst später als vollendeter Bösewicht da. Vortrefflich gab er die Szene mit Herrmann, als er diesen zur Ermordung seines Bruders bewegen will, und bei den Worten: wenn du mehr thätest, als du solltest, du wärst schrecklich, Herrmann! lag die ganze fürchterliche Ahnung in dem Ausdruck seiner Miene. Doch es wäre zu weitläufig, in ein näheres Detail einzugehen. Zuletzt, wo er von Gewissensbissen aufgeschreckt durch die Nacht heult, entfaltete er einen hohen Grad von Kunst, und ließ meisterhaft seine Angst bis zur Verzweiflung wachsen; sein Gebet war erschütternd. –

Herr Mayer gab den Carl Moor, diesen herrlichen, ganz aus sich herauslebenden Charakter mit Kraft und Anstand. Wie viel mehr könnte aber dieser von der Natur begünstigte Schauspieler leisten, wüßte er mit seiner Kraft mehr hauszuhalten, und wollte er hierin unsern trefflichen Eßlair als Muster benutzen. Auch spielt Herr Mayer mit zuviel Leidenschaft, und schadet dadurch häufig der richtigen Deklamation. – Die Leidenschaft darf nicht mit Leidenschaft dargestellt werden; denn in der Kunst muß Besonnenheit herrschen, sie muß sich von der Natur entfernen, um sich ihr zu nähern, und nur jene heilige Besonnenheit der Kunst auf der höchsten Stufe ihrer Entwicklung trifft wieder mit der Natur zusammen. – Das himmlische du weinst Amalie? hätte Herr Mayer wohl schöner sagen können. – Mlle. DemmerAuguste oder Leonore Demmer war als Amalie diesen Abend voll Grazie; doch konnte sie sich unmöglich durch ein häufiges, bis ins Lächerliche fallende Applaudiren geschmeichelt finden, welches zu sehr das Gepräge der Partheilichkeit an sich trug; ihre Deklamation ist oft nicht rein, und zu singend. – Noch muß ich eine Bemerkung über die Besetzung der Rollen machen: warum blieben in einem Stücke, welches so sehr dazu gemacht ist, ein ganzes Theater-Personale zu beschäftigen, Herr Kaibel und Herr Prandt ohne Rollen? konnte dieser nicht den Pater, jener den Kosinsky spielen, worauf Herr Decker gewiß keinen Anspruch machte? Sänger sollten in der Regel nur als Nothbehelf in einem Schauspiele erscheinen, und noch dazu in einem Schillerschen!

(Möchte diese Kritik die Schauspieler mehr ermuntern als erbittern, wie es so häufig der Fall ist. –)

The unknown man.