## Title: Georg August von Griesinger an Carl August Böttiger in Dresden. Wien, Mittwoch, 29. Oktober 1823 ## Author: Griesinger, Georg August von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A042058 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Wien 29. Okt. 1823. Mein verehrter Freund, Weber hat bei den zwei ersten Aufführungen seiner Euryanthe die schmeichelhafteste Aufnahme gefunden. So wie er vor dem Orchester erscheint, ertönt lautes Beifallklatschen, und er wurde nach jedem Aufzug herausgerufen. Ein Jäger Chor im 3ten Aufzug mußte 3 mahl wiederholt werden. Die Sonntag als Euryanthe, die Grünbaum als Eglantine, Haizinger als Adolar, und Forti als Lysiart thun ihr Möglichstes, und in den Chören zeichnet sich die hiesige deutsche Oper wie immer aus. Heute wird Euryanthe zum Benefiz der Sonntag zum 3tenmahle gegeben. Ich schike Ihnen hiebei den Text. Die Musik ist bei der hiesigen Kunsthandlung Steiner bereits angekündigt. Die Aglaja ist noch nicht erschienen. Der Frau v. Piquot geht es wieder beßer, sie wird heute die Euryanthe hören, und Ihnen vermuthlich selbst Bericht darüber erstatten. Der Chef ihres Mannes ist wieder zurük, aber (unter uns) die GeschäftsVerhältniße zwischen beiden bleiben hier stets auf negativem Fuß. | Lassen Sie mich bald etwas Erfreulicheres über Ihre u. Ihrer Frau Gesundheit hören. Wenn es Sie im mindesten incommodirt, so schreiben Sie mir seltner. Es ist ein Glük, wenn Göthe von seinem Liebesfieber geheilt ist. Der Kaiser soll heute zurükkommen, Fst. Metternich in ein paar Tagen. Habe ichs nichts gesagt, daß seine sehr reelle Unpäßlichkeit, von der er wieder hergestellt ist, Stoff zu fabelhaften Gerüchten geben werde? Die einfachsten Dinge sollen immer eine besondere Bedeutung haben! Mit Hochachtung und Treue Ihr Gr. Geheime Notiz: Lapidi dico. Ein Präsent konnte Weber vom Kaiser für seine Oper nicht erwarten, weil sie der Kaiser und die Kaiserin noch nicht gehört haben, und weil der Hof die Direktion des Theaters an Barbaja verpachtet hat. – Man prophezeit der Euryanthe das Schiksal von Beethovens Fidelio und von den Spohrischen Opern, die jedermann wegen ihrer tiefen Gelehrsamkeit preist, aber – unbesucht läßt. Diejenigen, welche glaubten, Euryanthe werde dem Geschmak am italienischen Gesang einen tödtlichen Streich versetzen, haben sich stark verrechnet. Euryanthe, sagen die Wizlinge, ist eine Weberei ohne Zeichnung. Noch ein bon mot: Zwei Wiener stritten sich darüber. Der eine sagte: bleibt mir doch | vom Leibe mit euerm Rossini, der immer auf dieselbe Weise schnattert wie eine Gans. Der andere erwiederte: ein Biegel (Fuß) von dieser Gans ist mir lieber als alle Eure Anten (Enten im Wiener Dialekt.). – Das Alles ist nun im Widerspruch mit den Trompetenstößen in Journalen und der wirklich brillanten Aufnahme der Oper, beweist aber nur, daß man sich nicht einzig und allein auf Meinungen, welche laut werden, verlassen darf. Die Theaterdirektion selbst und der Verleger haben das größte Interesse dabei, Mirakel in die Welt zu schreien, und das gebildetere LogenPublikum bleibt stumm.