WeGA, Briefe, Digitale Edition Karl von Holtei an Max Maria von Weber in Dresden <lb/>Ratibor, Mittwoch, 7. November 1860 Holtei, Karl von Veit, Joachim Stadler, Peter Übertragung Eveline Bartlitz

Version 4.9.1 vom 5. Februar 2024

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Machine-Readable Transcriptions of Texts from the Carl Maria von Weber Complete Edition (WeGA)

(Auszug) D Berlin Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung Weberiana Cl. V (Mappe XVIII), Abt. 4 B, Nr. 41 B

1 Dbl. (4 b. S.) Abschrift in Auszügen von F. W. Jähns

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Holtei, Karl von Ratibor 7. November 1860 Weber, Max Maria von Dresden Deutsch Text eingegeben und ausgezeichnet Initiale Transformation aus Briefe2.ask
Ratibor in preuß. Schlesien 7. Nov. 1860. Lieber, theurer Herr.

(1.) 2.) 3.) nichts bemerkenswerthes)

4.) In meinem Buche Vierzig Jahre deute ich, glaube ich, an, daß ich 1819 oder 20 in Quedlinburg die Truppe des theatertollen Grafen Hahn Belmonte u. Constanze singen hörte.Vgl. Holtei, Vierzig Jahre, Bd. 3 (Berlin 1844), S. 277–281; dort wird allerdings kein Kapellmeister von Weber erwähnt. Zwischen Ende August und Ende Oktober 1820 spielte in Halberstadt das sogenannte Großherzoglich Mecklenburgisch-Strelitzsche Theater unter Direktion des Grafen Hahn; vgl. die Theateranzeigen in Intelligenzblatt für den Bezirk des Königlichen Oberlandesgerichts zu Halberstadt, Jg. 1820, Beilage zu Nr. 70 (30. August), S. 707 bis Nr. 86 (25. Oktober), S. 860. Die Gesellschaft gastierte auch in Quedlinburg, u. a. am 20. September mit der von Holtei erwähnten Mozart-Oper; vgl. Gemeinnütziges Wochenblatt für Quedlinburg und die Umgegend, Jg. 1820, Nr. 38 (16. September), S. 311. Auch ein von Holtei in seiner Autobiographie (Vierzig Jahre, S. 280) im selben Zusammenhang erwähntes Deklamatorium in Quedlinburg lässt sich anhand einer Zeitungsanzeige auf den 23. September 1820 datieren; vgl. ebd., Nr. 39 (23. September), S. 318. Dabei war ein Freiherr von Weber als Kapellmeister, der mir selbst sagte, daß er Carl Maria's Cousin sei. Er hinkte auch. Stadtmusikus RoseFraglich, ob der Quedlinburger Stadtmusikus Johann Friedrich Rose gemeint oder dessen Sohn, der Musikdirektor und Leiter der Quedlinburger Musikgesellschaft Johann David Rose in Quedl. ist es gewesen, der mich versicherte: das Hinken sei Weber'sche Familien-Ähnlichkeit.

5.) – –

6.) Bei Chiappone war ich mit Ihrem Vater nur an jenem im obigen Buche erwähnten AbendeMit dem obigen Buche dürfte nicht die Autobiographie Vierzig Jahre gemeint sein, sondern die erwähnte Schilderung des Abends bei Chiappone in: Karl von Holtei, Charpie. Eine Sammlung vermischter Aufsätze, Bd. 1, Breslau 1866, S. 229. Möglicherweise verbanden sich in Holteis Erinnerung mehrere Treffen: Laut Webers Tagebuch gab es am 26. September 1822 ein abendliches Treffen mit dem Ehepaar Seidler, Holtei und Winkler, am 5. Oktober 1822 eine Einladung zum Mittagessen bei den Webers für die Seidlers, das Ehepaar Robert, Winkler und Holtei und am 8. Oktober 1822 einen gemeinsamen Besuch von Holtei und Weber bei Chiappone.. Meine Gäste waren Konzertmeister Seidler aus Berlin mit seiner (noch jetzt lebenden und noch schönen) Frau, geb: Wranitzky, für welche die Agathe geschrieben ist; ferner Ludwig Robert mit seiner womöglich noch schöneren Frau, und Theodor Hell (C. Winkler); möglicherweise auch Eduard Gehe, doch das weiß ich nicht mehr bestimmt.

7.) Zu jener Zeit stand Weber mit L. Tieck in gar keiner Beziehung, außer der, welche Tiecks dramaturgische Stellung, die eben vorbereitet ward, provocirte. Späterhin kamen sie, hauptsächlich durch das gemeinsame Bestreben, P. A. Wolff zu gewinnen, näher zusammen. Weber spöttelte wohl über Tieck's theatralisch-idealistische Selbsttäuschungen, und sagte mir lächelnd: Der gute Tieck hat sich das Ding in seinem VorlesungsZimmer ganz anders gedacht;jetzt schlagen ihm die Setzstücke u. Soffiten über dem Kopfe zusammen! Oder: "Bei Tieck's Schreibtische ist eine Öffnung angebracht, die Mündung einer Röhre, welche tief in den Keller zu einer Versenkung führt. In diese läßt er die Manuscripte gleiten, die ihm zum Durchlesen zuadministirt worden sind, und werden derlei unnützliche Dinge, da sie weder von Shakespeare, Calderon noch Heinrich von Kleist herrühren, niemals wieder gefundenVgl. dazu auch Briefe an Ludwig Tieck, hg. von Karl von Holtei, Bd. 2, Beslau 1864, S. 196.," u. dergl. Scherze mehr. Doch liebte Weber Tieck und Tieck liebte ihn, wie das bei zwei so unwiderstehlichen Naturen nicht anders möglich war. – Nach Weber's Tode beabsichtigte Theodor Hell Weber's Biographie zu schreibenZusatz von F. W. Jähns: Th. Hell hat Weber's Hinterlassene Schriften herausgegeben nebst einem Lebensabriß desselben. Dresden u. Leipzig, Arnoldi. 1828. 3 Bde.. Als bei Tieck darauf die Rede kam, sagte dieser ganz wüthend: Ein solcher Flachkopf wie dieser Winkler (pseud. Th. Hell), dieser LedebrennaErgänzung von F. W. Jähns: Ledebrenna [recte: Ledebrinna] ist die Hauptfigur in einer Novelle von Tieck, in welcher dieser Th. Hell aufs Schärfste geißelt [vgl. Die Vogelscheuche (1834) in: Ludwig Tieck, Novellen, Bd. 11, Berlin 1854, S. 309ff.] will über einen Mann schreiben, ihn schildern, wie unser Carl Maria einer war! Das ist nicht zu dulden! Und dabei hatte er feuchte Augen; Das hab' ich nur noch einmal an Tieck bemerkt – wie er von Goethe's Tode sprach.

8.) In die Proben der Euryanthe hab' ich Ihren Vater nie begleitet. Wien war mir so neu, daß es mich ganz in Anspruch nahm. Darüber sowohl als über

9.) die Ludlam ('s Höhle) kann und wird Ihnen Castelli das Beste sagen. Er ist zwar momentan ein bischen altersschwach, doch belebt er sich bei solchen Reminiscenzen u. ist über die Ludlam unerschöpflich. Ihren Vater betreffend habe ich in meinen Vierzig Jahren angedeutetVgl. Holtei, Vierzig Jahre, Bd. 4 (Berlin 1844), S. 94., daß er am Abend unserer gemeinschaftlichen Aufnahme beim Nachhausegehen außer sich war über die gemeinen und zotigen Späße, die da getrieben worden waren. Kein Wunder! Denn Cif Charon, der Höhlen-Zote (Castelli) und der Zoten-Infant (Kettel, Schauspieler, zuletzt, mein' ich in Aachen) überboten sich in anmuthigen und unanmuthigen Gräueln. Weber sagte: Wenn ich nicht Rücksicht auf die Kritik zu nehmen hätte, deren Heldendort mitschweinigeln, kein Teufel brächte mich wieder hin! – Solche Meinung hatte auch Grillparzer anfänglich kund gegeben. Aber es half nichts. Die Kerls waren zu lustig, trieben zu verrückte Streiche!" Zuletzt gerieth man wider Willen mit hinein, und endlich freute man sich schon den ganzen Tag über auf den Abend. – Damals war Wien noch Wien, mit seinen Mängeln, mit seinen Reizen, die manchmal um so reizender, je verwandter sie mit den Mängeln waren. Heut zu Tage ist die Naivetät jener anspruchslosen, unbefangenen Flegeljahre verschwunden, und was sie gegenwärtig an Nachbildungen der Mutter Ludlam cultiviren, trägt in seiner Allerwelts-Prätension nicht mehr jenen prononcirten Character. Lassen Sie sich doch meine Gedichte (4te Auflage, Hannover 1856) zur Ansicht geben. Sie finden darin pag. 433 ein Stiftungslied (noch dazu auf Webersche Melodie zu singen), welches von der seeligen Ludlam handelt.Dieses Stiftungslied ist in der 4. Auflage der Gedichte Holteis (Hannover: Victor Lohse, 1856, dort S. 433–435) mit 28. November 1841 datiert und trägt den Zusatz: Mel. Es ritt ein Jägersmann über die Flur &c. (ebenso in der Ausgabe der Holtei-Gedichte, die 1844 in Berlin in der Vereins-Buchhandlung erschien, dort S. 288–290). Der angegebene Text von August Mahlmann wurde allerdings nicht von Weber vertont, sondern von Johann Friedrich Reichardt; Text und Musik finden sich in: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 3, Nr. 104 (30. August 1803, Sp. 829f. und Musik-Beilage Nr. 8. Mitglieder sind im Laufe ihrer Dauer alle Diejenigen gewesen, die damals in Poesie, Literatur, Musik, Schauspiel-Kunst, Malerei pp. Namen und Bedeutung hatten. Alle dahin einschlägige Fremde gleichfalls. Castelli wird Sie gern seine darüber geführten Listen copiren lassen.

10.) Über den Tugendbund finden Sie vielerlei in den Biographien von Stein, Arndt u. Allen dahin Gehörigen. Ob Weber Mitglied gewesen hab' ich nie Bestimmtes sagen hören, wohl aber, daß seine ultra-deutschen, etwas demagogischen Tendenzen ihm

11.) die Abneigung Friedr. Wilh. des III v. Preußen zugezogen haben sollen. Gewiß ist, daß dieser gute König an Ihres Vaters Composition, Lützow's wilder Jagd ärgerteVgl. dazu auch Louis Schneider, Aus meinem Leben, Bd. 1, Berlin 1879, S. 140f. sowie Friedrich Wilhelm Redern, Unter drei Königen. Lebenserinnerungen eines preußischen Oberstkämmerers und Generalintendanten, aufgez. von Georg Horn, bearb. von Sabine Giesbrecht (Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, Bd. 55), Köln, Weimar, Wien 2003, S. 44.. Die Freicorps waren dem etwas pedantisch erzogenen Herrn unangenehm, und weil es ihn verdroß, daß das Berliner Publikum nicht müde wurde, sich den herrlichen Chor(mit Echo-Chören hinter den Coulissen) vorsingen zu lassen, grollte Er ein Bischen mit dem Tonsetzer, wie er auch wohl mit dem Dichter, mit Körner, gegrollt. Immer nur auf seine Weise; das heißt: ohne Nachwirkung auf's Leben, wie ja die eclatanten Beispiele beweisen.

12.) Wie Ihr Vater sich trug, wie er aussah pp darüber kann ich nicht viel sagen. Außer der gewissen blondenF. W. Jähns merkte an: blond? Weber hatte mehr braunes Haar, wie die aufbewahrten Haarlocken desselben beweisen. Schmachtlocke, die seine Portraits zeigen, und außer der Brille, die mich bei ihm genirte, wüßte ich nichts Bezeichnendes zu nennen. Mir geht der Sinn für äußerliche Kennzeichen ab, und wo ich so ganz und gar huldigende, begeisterte Verehrung war, sah ich immer nur, bemerkte ich immer nur Geist u. Seele. Beide sprachen aus seinen Zügen. – Was seine Kleidung betrifft, glaube ich ihn am häufigsten in einem blauen Frack mit gelben Metallknöpfen gesehen zu haben.

Von Herzen Ihrhochachtungsvoll-ergebenerC. von Holtei.