## Title: Friedrich Wilhelm Jähns an Carl Baermann sen. in München (Entwurfs-Fragment). Berlin, Donnerstag, 30. März 1865 ## Author: Jähns, Friedrich Wilhelm ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A043159 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Mein theurer Freund. Innigsten Dank für Ihren lieben interessanten Brief, der mir des werthen und wichtigen wieder so vieles brachte! Innigsten Dank für so viele Beweise Ihrer Freundschaft! Wie konnten Sie denken, daß ich mir über Ihre große Beschäftigung und dadurch verzögerte Antwort nicht die richtigen Gedanken machen konnte? – Als ob ich selbst nicht in gleichem Falle wäre! Kann ich doch meine liebsten Briefe, meine mich am tiefsten interessirenden Arbeiten immer nur im Fluge, in abgerissenen Momenten bedenken und fördern! So also nur Dank und nichts als den! – Nun aber zu dem Inhalt Ihres Schreibens. — 1.) Obwohl ich die Ouverture grade ebenso in Abschrift besitze, wie Sie sie mir sandten, so war es mir doch sehr lieb, daß dies geschah, weil ich dadurch einer ausgelassenen Reprise auf die Spur kam, die die gedruckten Stimmen dieser Ouv. (bei Gombart) aufweisen, d. h. die Auslassung geben die Stimmen, Ihre Partitur giebt die Reprise ausgeschrieben; in den Stimmen ist keine Wiederholung angegeben. ich habe diesen Sachverhalt in der Partitur von Ihnen mit Bleistift bemerkt. Als ich die Ouverture vorgestern (zum erstenmale!) hörte, wurde die Reprise ebenfalls ausgeführt.) Sie ist übrigens sehr brillant u. sehr hübsch u. es ist bewunderungswürdig wie ein 14–15jähriger Knabe 1801 schon so instrumentiren konnte; freilich ist die Instrumentirung bei der Umarbeitung 1807 wesentlich verändert, namentlich glänzender gemacht, dennoch ist der Kern der Knaben-Arbeit von 1801 geblieben. Diese, die übrigens die Reprise auch schon enthält, hat 25 Tacte weniger. Ich habe sie ebenfalls hier, denn es ist die ursprüngliche Ouverture zu Webers3ter Oper: Peter Schmoll und seine Nachbarn, die er 1801 in Salzburg schrieb. Im Jahre 1807 arbeitete er sie um, um sie bei Concerten, die er gab, zu benutzen. Daß er, Weber, sie dem König von Westphalen dedicirte, wußte ich bis vor kurzem nicht, erfuhr es aber aus einer Mittheilung in einem Briefe an Gänsbacher. Ihr Titel brachte die Bestätigung. Was mag W. nur mit der Majestät zu thun gehabt haben, denn auch seine berühmten Clav. Variationen über: „Vien quà dorina bella“ ebenfalls aus d. Jahre 1807 sind der Königin von Westphalen dedicirt; darüber giebt Max v. Weber keinerlei Aufschluß; bei der Mittheilung an ihn, fand er sogar einen neuen Beleg dafür, daß W. kein politischer Character gewesen sei, wie er dies bei Leyer u. Schwert ausspricht, was ich gradezu ganz unbegreiflich finde u. worüber man nicht ein Wort verlieren kann. – Ein Komponist der diese Körnerschen 10 Lieder u. Kampf u. Sieg schrieb glaube ich hat den Anspruch ein deutscher Mann gewesen zu sein; zwischen 1807 u. 1815 liegt übrigens eine Zeit von der Wichtigkeit eines Jahrhunderts. Da[s] sind so Dinge wie sie der unglückliche Erste Theil des „Lebensbildes“ vielfach bringt. Gott sei Dank das der Zweite, der ganz vortrefflich ist, den 1ten vergessen macht! —