## Title: Friedrich Wilhelm Jähns an Georg Goltermann in Frankfurt am Main. Berlin, Montag, 22. Mai 1865 ## Author: Jähns, Friedrich Wilhelm ## Version: 4.13.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A043165 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Berlin 22. Mai. 65 Mein sehr geehrter Freund. Da ich gestern das beiliegende Zeugniß empfing, so schreibe ich erst heut in der Clarinettisten und Flötisten-Sache. – Der hiesige ausgezeichnete 1ste Clarinettist, Königl: Kammermusiker H: Nehrlich, empfahl mir, auf meine Anfrage nach einem Clarinettisten einen Accessisten der Königl: Kapelle, den er als sehr gut u. vortrefflich bezeichnete; ich nahm die Gelegenheit, ihn zu hören, indem ich eine Schülerin von mir den Schubert’schen „Hirt vom Berge“ u. einige Spohr’sche Lieder mit Clarin.-Begleitung von Seiten des Hrn: Bading bei mir ausführen ließ. Das mitkommende Zeugniß des hiesigen Kapellmeister Dorn unterschreibe ich vollständig! – | „Er hat schönen Ton, Fertigkeit und Geschmack“ und chavistischen Ausdruck im Vortrage. Da er seit jenem Datum des Dorn’schen Zeugnisses, also seit 3 Jahren nur gewonnen, namentlich, als fortdauernd in der Königl: Kapelle beschäftigt, auch an Routine im Orchester gewonnen haben kann – so ist er eine jedenfalls besonders zu berücksichtigende Persönlichkeit. – Auch äußerlich ist dieselbe sehr angenehm; er ist zugleich von hübschem, bescheidenem Wesen und Benehmen; zu bemerken ist noch, daß er verheirathet ist. | H: Bading führte zugleich einen Flötisten bei mir ein, einen Hn: Kramer, den ich jedoch nicht gehört habe, der jedoch ebenfalls gute Empfehlungen beibringen will. Gestern, wo mir H: Bading sein eigenes Zeugniß überbrachte und auch das von Hn: Kramer bringen wollte, geschah das Letztere nicht. H: Bading bemerkte, H: Kramer genire sich beim Kapellmstr: Taubert, hier, um ein Zeugniß einzukommen, da er glaube, es könne ein intendirter Abgang seinerseits für seine weitere Beförderung hier, vielleicht schädlich werden, um so mehr, als die Bedingungen von Seiten Ihrer Bühne ihm ja überhaupt unbekannt seien. Er bittet deshalb zuerst ergebenst um | um gefällige Mittheilung derselben; er ist unverheirathet. – Beide Herren sind militärfrei. – H: Bading bittet ebenso um Mittheilung der äußern Verhältnisse: Gehalt, Verpflichtungen und eventualiter Reisekosten. Ich überlasse, Ihnen, mein geehrter Freund, nun ganz Ihrem Ermessen, ob Sie Sich des Ferneren nun an die beiden Herren direct oder indirect durch mich an dieselben wenden wollen. Selbstverständlich ist, daß ich zu jeder Weiterförderung der Sache mit Interesse u. Freuden bereit bin. – Im ersteren Falle ist die Adresse beider Herren: H: Bading: Sebastians Str. 47. H: Kramer: Sebastians Str. 32. In Bezug auf die Arien-Sache ist ein leiser Schimmer am Horizont aufgetaucht. Möglich, daß sie in der verschollenen Oper von Haydn: „Der Freibrief“ steckt. Daß viel Haydn’sches Element in ihr steckt, ist unläugbar. Der noch lebende Bruder der Frau v. Weber, im Jahr 1809 in Stuttgart engagirt, wo damals C. Maria v. Weber lebte, hat auf Nachfrage über eine Oper: Der Freibrief die 1809 in Stuttgart mit 2 hinzucomponirten Nummern von C. Maria v. W. gegeben wurde (die noch vorhanden sind) sich dahin geäußert: „es sei eine possenartige Oper von Dittersdorf gewesen“. Er hat nach so langer Zeit sich wohl geirrt u. er meinte Haydn. Von Dittersdorf ist allen Forschungen nach aber kein Freibrief componirt, wohl aber einer von Haydn, obgleich ich nichts erfahren konnte, wo gegeben. – Nicht unmöglich ist es nun, daß Weber in | diesem Haydn’schen Freibrief jene Arie fand und sie später zu den Verwandlungen von Fischer benutzte. Es ist dies freilich eine reine Hypothese. Und dennoch ist sie nicht unvernünftig. – Haben Sie etwa diesen Haydn’schen „Freibrief“ eine Operette in 2 Aufzügen??? | So – und nun zum Schluß! Alles Gute für Sie vom Herzen von Ihrem aufrichtig ergebenen F.W. Jähns. Ich bitte nochmals, Herrn Kap. Mstr Lachner gütigst zu fragen, in welcher Gegend von Stuttgart jener Antiquar Meyer daselbst gewohnt habe! –