## Title: Friedrich Wilhelm Jähns an Georg Goltermann in Frankfurt am Main. Berlin, Samstag, 3. Oktober 1868 ## Author: Jähns, Friedrich Wilhelm ## Version: 4.13.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A043344 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Berlin 3. Oct. 68. Mein theurer Freund. Gewiß werden Sie Sich wundern, von dem verschollen scheinenden Jähns wieder einmal ein Lebenszeichen zu sehen. Wenn dies nach langer Zeit erst wieder geschieht, so hege ich dennoch die Überzeugung, dass wir bei unserm persönlichen Bekanntwerden ich Ihnen als ein Solcher erschienen bin, daß Sie von mir wieder überzeugt sind, wie ich Ihnen trotz fehlender schriftlicher Beweise mit herzlicher Zuneigung ergeben bin u. für alle Zeit bleibe, was sich in gleicher Weise auf Ihre mir so hochwerthe Familie bezieht. Wie könnte ich auch Ihr herzliches Entgegenkommen und das Ihrer Gattin und Ihres verehrten Schwiegervaters vergessen?! So kann ich mir auch nicht denken, dass die Zeit, die wunderbare, etwas in der Ansicht Ihrer und Ihrer Familie geändert haben könnte; denn was geht die Politik mit ihrem Getriebe uns und die Kunst an, die uns Alle ja zusammen geführt hat! | So komme ich denn auch heute als Ihr alter Freund theils um von Ihnen gelegentlich zu erfahren, wie es Ihnen und den lieben Ihrigen allen ergeht, theils Ihnen meine alte Schuld abzutragen, d. h. die Webersche Arie (Rondo für L. Frankh) mit bestem Danke zurück zu senden, theils ein paar Neuigkeiten op. 47 u. 48 von mir zu senden, theils ein paar Fragen zu thun. ‒ Die letzteren sind: Wie sind die italiänischen Text-Anfänge der von Weber für Dresden instrumentirten 2 Piècen: Recit. u. Cavatine (nach Ihrer sehr schätzbaren Benachrichtigung von Paer componirt) anfangend: „Von dir entfernt Geliebter“ und Recit. u. Duett (dito von Nasolini componirt) anfangend: „Ja, Liebe, ich bin entschlossen“? Beide wurden für das Weixelbaumsche Ehepaar 1817 in Mehuls Oper Helene eingelegt. ‒ Jetzt wo ich mit meinem Weber-Werk bereits weit über die Hälfte (d. h. mit der druckfertigen Ausarbeitung) vorgeschritten bin, sind mir die italiänischen Textanfänge nöthig und ich weiß, wenn in Ihrem Exemplare dieselben sich befinden, so kann ich sie von Ihnen erhoffen. | Haben Sie also gelegentlich Muße, diesen beiden Dingen ein Viertelstündchen zu widmen, so denken Sie freundlich meiner und erfreuen mich zugleich mit den Mittheilungen über Ihr u. Ihrer Familie Ergehen und wie der Zeitensturm an Ihnen vorübergegangen ist, über den ich mich seiner Zeit in Bezug auf Sie recht gebangt habe. Hoffentlich hat diese letztere jetzt das Ihrige, so weit dies möglich, gethan, denn ich erwünsche für Sie Alle das Beste. Mit diesen Wünschen und den innigsten, wärmsten Grüßen an Ihr ganzes Haus drücke ich Ihnen in unwandelbarer Freundschaft die Hand als Ihr treu ergebener F.W. Jähns. Berlin. Krausen Str. 62 verte. | Ich habe so eben eine neue kritische (Pracht-)Ausgabe sämmtlicher Weber’scher Gesänge bei Schlesinger (Lienau) beendet, die endlich einmal diesen schönen zum größten Theil herrlichen Stoff in würdiger Gestalt der Welt darbieten wird, in dem jetzigen Musicalischen Sodom eine Stätte, wo der wahre Freund des Edlen in der Kunst einmal wieder mit Behagen wird genießen können. Es ist eine eben so strenge u. kritische Arbeit gewesen als meine Herausgabe an demselben Orte von Oberon u. der Preciosa, die Ihnen vielleicht zu Händen gekommen sind. Leider sind im Oberon ein Paar Fehler stehen geblieben; die Preciosa ist ganz rein. In beiden glaube ich die Partitur zu gehöriger Geltung gebracht zu haben, was in den ersten Ausgaben (abgesehen von höchster Incorrectheit) nicht der Fall war, da Weber’n das Clav. Auszug- Machen die verhaßteste Arbeit war u. er auch andere Dinge in seiner ihm so unendlich knapp zugemessenen Zeit zu thun hatte. ‒ Dann will ich noch berichten, dass Ihr guter College mir die fehlenden 2 Seiten der Schmoll-Partitur leider noch nicht geschickt hat. Vielleicht erinnern Sie ihn in einer guten Stunde daran freundlichst! ‒ Ob. Grüßen Sie Lachner zugleich sehr herzlich von mir.