## Title: Friedrich Kind an Helmina von Chézy in Wien. Dresden, Dienstag, 25. Juli 1826 ## Author: Kind, Johann Friedrich ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A047146 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ An Frau Helmina von Chezy Hochwohlgeb. in Wien. Waßerburgbastei N. 1191. durch einen Freund. Dresden 25. Jul. 1826. Verehrte Freundin! Ich benutze die Gelegenheit, Ihnen durch meinen Jugendfreund, den K. K. Hofschauspieler Schwarz einen Brief zu senden. Die Arnoldische Buchhandlung hat mir schon einmal die Besorgung abgeschlagen, und ich darf jetzt um so weniger eine Gefälligkeit von Ihr erwarten, da ich höchstwahrscheinlich von der Ab.[end] Zeit.[ung] abgehen und in Verbindung mit unserm Kraukling, als wirklichem Redacteur, ein besonderes Blatt herausgeben werde. – Alles, was Sie mir von Ihrem Leben und Treiben, und von Ihren Söhnen geschrieben haben, hat meine innigste Theilnahme erregt. Möge es Ihnen immer so wohl gehen, als es unterm Monde nun einmal möglich ist u. möge jede der Hoffnungen aufs schönste erfüllt werden, wozu Geist und Herz Ihrer Söhne Sie zu berechtigen scheinen. Ich habe einen Brief des ältern an Kraukling gelesen und mich herzlich daran erfreut. Bedeutendes Talent und frischer Jugendmuth spricht aus jeder Zeile. – Hinsichtlich der Gloriande habe ich mir alle Mühe gegeben ohne jedoch zur Zeit damit glücklich zu seyn. Der Buchhandel scheint jetzt zu laviren. So schrieb ich, sobald ich den Herausgeber der Original-Erzählungen erfahren konnte, an denselben u. lege Ihnen deßen Antwort bei. Er heißt Wienbrack und hält sich in Leipzig auf. – Die Gemälde Ihres Max vom Freischützen Max und seinen Umgebungen möcht' ich sehen. Vermuthlich kommen Ihre Söhne mit, wenn Sie Ihre Reise nach Hamburg über Dresden machen. – In der Erwartung, Sie bald zu sehen, lege ich auch kein Buch bei, welches ich Ihnen ansonst mit | gesandt haben würde. – Den 3ten Theil Ihrer Stundenblumen, die jedoch zu den perennirenden gehören, habe ich mir von Krauklings geben laßen, aber leider nur erst hinein blicken können. Wir theilen einander gewöhnlich einer dem andern die Nachrichten mit, die wir von Ihnen erhalten. Auch habe ich ihm gesagt, daß man jetzt einen Brief an Sie befodern könne. Hoffentlich schreibt er. Er ist zwar ein Fabius Cunctator, allein auch immer mit Geschäften (größtentheils für Andere) und mit Fremden überhäuft. Ich war mit Friederike gestern Abend dort und lernte Zeune aus Berlin kennen, der mir sehr gefallen hat. Auch mit Franz Horn und seiner Rosa sind wir vor kurzem bei Krauklings bekannt und befreundet worden. Diese sind jetzt in Teplitz, wohin auch Zeune heute abgereist ist, u. werden über Dresden zurückgehen. – Ich und die Meinigen leben jetzt in der größten Zerstreuung; denn – viele und zum Theil verdrießliche Geschäfte abgerechnet, die mir in der lezten Zeit obgelegen haben, ziehen wir auch aus und sind so zu sagen beidlebige Thiere. Wir freuen uns sehr, in die neue Wohnung zu kommen, da sie uns täglich beßer gefällt. Ich nenne das Haus immer das Rosenkloster, da es vorn die Aussicht auf die Johanniskirche mit ihren hohen Pappeln hat und um die Rückseite, die grau angestrichen ist, obwohl auf sehr kleinem Raume, eine Menge, zum Theil hoher Rosenbäume stehen. Sie blühten dießmal in ungemeiner Schönheit | und Menge, aber leider machte die allzugroße Hitze ihrer Blüte nur allzubald ein Ende. – Böttiger ist in Marienbade; Tiek ist vorgestern aus dem Teplitzen zurück gekommen. – Das Theater will wenig sagen und ist größtentheils leer. Im Sommer ist das gewöhnlich und selbst gute Gäste ziehen nur wenig. Schwarz ist ein sehr braver Künstler, noch aus der alten Schule. Mad. Hartknoch aus Weimar – hat etwas zu viel Weimarsches. Doch mag ich nicht über sie urtheilen, weil ich sie nur einmal und zwar in der Preciosa, einer schon ziemlich abgespielten Rolle, gesehen habe. Heute tritt Dem. Sutorius aus Berlin (im Bade) auf; ich werde sie aber schwerlich sehen, weil der Himmel voll Regenwolken hängt und dann der Weg mir zu weit ist […] Meine Frau und Töchter empfehlen sich Ihrem güt[igen An]denken. Meta lebt halb auf dem Lande – n[eu]lich bei einer Freundin von uns – in einer Art von Bauerngarten, vor dem schwarzen Thore. Roswitha besucht sie oft, so wie sie selbst oft hereinkommt. Jedes von den Mädchen bekommt sein eigenes Stübchen, und sie wollen sich ihre Zellen nun nach und nach herausputzen. Ich komme mir – unten im Gartenstübchen – oft [wie] ein Eremit vor, obschon am Gatter die schöne und unschöne Welt häufig vorbeiwandert. – So hätte ich Ihnen dann Alles geschrieben, was mir eben beifallen wollte. Mit aufrichtigster Achtung und Freundschaft Kind.