## Title: Conradin Kreutzer aus Wien an Louis Spohr in Kassel. Freitag, 5. und Samstag, 6. September 1823 ## Author: Kreutzer, Conradin ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A042070 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Seiner Wohlgebohren dem Herrn […] Spohr Churf Hess: Hofkapellmeister in Cassel Wien d 6ten 7ber 1823 Nro 30 im Reimanschen Hause auf der Wieden Mein Verehrtester Freund und College! Ihr Aufruf an die deutschen Componisten in der Leipziger Zeitung erinnerte mich, daß ich Ihnen wohl vor vielen Monathen geschrieben, und meine Libussa für Ihr Hoftheater angetragen, aber seitdem noch keine Antwort von Ihnen erhalten habe, was mich um so mehr befremdet, da ich nicht nur von mehreren Directionen und Kapellmeistern mit GegenAntwort beehrt wurde, sondern auch diese Oper an 15 der vorzüglichsten Theater verkauft habe, wie z. B. in Berlin, Dresden, Weimar, Darmstatt, München, Franckfurt, Leipzick, Amsterdam, Pest, Pragpp Sollte allenfalls mein festgeseztes Honorar von 40 # ein Hinderniß der Anschaffung seyn, was mir dennoch die Theater von Dresden, Darmstatt, München und Pest, geben – so will ich, nur um meine Oper bald auch [auf] dem Hoftheater von Cassel zu haben – das Honorar auf 30 # in Gold stellen. – Ich bin sehr begierig Nachrichten über die Aufführung und Aufnahme ih[rer] neuesten Oper zu erhalten – sobald solche gegeben ist, so haben Sie d[ie] Güte mir es zu berichten, und zugleich das Honorar zu bestimmen, we[lches] Sie für die Partitur haben wollen. Von Carl Maria Weber erhalten wir bis Ende dieses Monaths seine Eureanthe, worauf ganz Wien sehr gespannt ist – und die, hoffe ich, der Italienischen Oper einen ordentlichen Gnadenstoss geben soll – nach der Eureanthe kommt wieder eine Oper von mir, von der ich mir einen guten Erfolg verspreche – wir haben dann noch ein paar neue original deutsche Opern – eine von Halm – eine andere von Schubert – auch schreibt Beethoven die schöne Melusine von Grillparzer – . Weigl hat seit seinem totalen Sturz in der eisernen Pforte sich selber das Thor der Composition verschlossen – und zum Glüke all Inn- und Ausländischen Componisten wenig Einfluss mehr bey der Theater-Direction, was nur wohlthätig für das Ganze seyn kann! Gestern war das gröste Machwerk Rossinis, Semiramis, zum 1ten mal – das in 2 Ackten von halb 7 Uhr bis 11 Uhr dauerte, worin mehr die Quantitaet als Qualitaet der Musikstücke beachtet ist – Madame Fodor sang aber himlisch darinn – und nur Ihr hats Rossini zu verdanken – daß diese Oper, voll der Reminiscenzen und abgeschmakten Floskeln nicht ganz durchfiel – denn der Applause nach dem 1ten Ackt war sehr klein! – In Erwartung einer gefälligen Antwort habe ich die Ehre mich zu nennen Ihr ergebenster Freund C. Kreutzer