## Title: Giacomo Meyerbeer an Jacob Hertz Beer in Berlin. Darmstadt, Dienstag, 7. Januar 1812 ## Author: Meyerbeer, Giacomo ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A040467 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ An Vater in Berlin. HessenDarmstadt d 7t Januar 1812 Lieber Vater! Noch ehe du diese meine Antwort auf dein gestriges Schreiben bekommst, wirst du wahrscheinlich schon den Brief des Herrn Professor erhalten haben worin er dir die Gründe mittheilte warum er Hans für jetzt noch nicht in Berlin wünscht. Die Aufrichtigkeit derselben leuchtet mir ganz ein, und da du mich in deinem Briefe um meine Meinung befragt hast so ist es meine Schuldigkeit dir sie zu sagen trotz der Unruhe und Géne die mir H. seit einiger [Zeit] verursacht hat und noch lange verursachen wird. – – Weder du, noch Mutter, Kley oder Wolff können ihre ganze Zeit zu seiner Aufsicht verwenden dazu kenne ich die häuslichen Verhältnisse zu genau, und wenn sie es auch könnten so fehlt ihnen doch die Ungestörte Zeit und hauptsächlich der geübte Blick des Pädagogen dessen es hier so sehr bedarf. denn du mußt dir nicht mehr den alten Hans denken. Die Liebe, die sich immer in Metamorphosen gefällt, und zuweilen aus einem geistreichen aufgeweckten Menschen einen schüchternen blöden Schäfer zu machen, hat hier aus einem blöden (zwar nicht) Schäfer, (doch Schaf), einen pfiffigen Menschen voller Ränke und Kniffe gemacht. Bogen könte ich mit den Fiffen ausfüllen die er anwendet um seiner Geliebten Billette zukommen zu lassen, oder sich Geld zu verschaffen. Nur durch die unermüdete Aufmerksamkeit und Klugheit des Herrn Professor, und dadurch daß sein Zimmer neben dem meinigen stößt gelingt es uns den größten Theil seiner übeln Vorsätze zu vereiteln. – – Wolltest du mich aber vielleicht fragen (wie du es auch schon früher thatest) „Was hilft nun die strenge Aufsicht, da er doch schon so viel übeles gethan hat, und was könnte er mehr in Berlin thun?“ – – Sehr viel mehr würde er bei ähnlichen Verhältnissen in Berlin thun. Statt daß er hier ein oder zweihundert Gulden Schulden hat, würde er dort ein oder zweitausend gemacht haben, statt daß er hier nur verliebt ist, würde er dort schon verheirathet sein, und vielleicht gar einen [Schr]itt gethan haben, der so unwiederruflich als betrübend sein würde. Hans ist in diesem Augenblicke ein sehr […] Mensch bei dem es alle Kunstmittel der Pädagogik erfordert um ihn nur vor den aller auffallendsten Thorheiten zu bewahren. Deßhalb scheint es mir nicht zweckmäßig daß er jetzt nach Berlin kommen soll; wenigstens die erste 6 oder 8 Wochen noch nicht, bis wenigstens die Leidenschaft zu diesem Mädchen [durc]h die Zeit und die Veränderung des Ortes etwas gemindert ist – – wozu sein Leichtsinn wohl bald Hoffnung giebt. Dieses ist meine Meinung die du zu wissen wünschtest, und die ich dir auch ohnedem vorgelegt hätte da meine Pflichten gegen Hans als Bruder und als Mensch mich dazu verbindet. Lebe recht wohl. Dein Treuer Sohn J. Meyerbeer.