## Title: Friedrich Rochlitz an Tobias Haslinger in Wien. Leipzig, Samstag, 28. Dezember 1822 ## Author: Rochlitz, Johann Friedrich ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A041870 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ […] Beethoven hat, wie ich wirklich erst auf seine Erinnerung bemerke, nicht Unrecht, wenn er sagt, die musikal. Bearbeitung des „ersten Tons“ möchte an Haydns „Schöpfung“ erinnern. Zwar ließe sich diesem ausweichen, wenn man eine ganz andere Behandlung erwählete; nämlich, daß man das Gedicht als Declamationsstück mit Zwischenmusick der Instrumente (melodramatisch) behandelte: aber so ist es schon früh einmal, obgleich nicht gut, in Musick gesetzt worden; und da wird es unser Künstler nicht nochmals so machen wollen, obgleich jene Composition fast gar nicht bekannt worden ist und auf der ganzen Erde Niemand weniger, als Er, diese Collision zu scheuen hätte. Sollte er dennoch in diese Idee eingehen wollen: so dürfte der äußere Zuschnitt am vortheilhaftesten also zu machen seyn. Ouvertura. Ununterbrochene Declamation bis: „Wirken gegeben.“ Die Stelle: „Und es ward Licht –“ bis: „vom weiten Erdenreich –“ einfacher, sanften Gesang, vielleicht für zwey Sopran- u. eine Altstimme. Dann wieder ununterbrochene Declamation bis: „bedrängt zu Gott.“ Da Zwischenspiel. Desgleichen nach: „ihm selbst gefällt.“ Desgleichen nach: „glücklich soll ich seyn.“, nun dieser, so wie der ganze folgende Absatz: „Nun schließet“ ohne weitere Unterbrechung durch Musik. Die Worte: „Drum Preis Dir –“ bis zu Ende, würden nun ein großer Chor, in zwey Tempos. Da es so nur drey Instrumental-Zwischensätze gäbe, könnten diese schon ziemlich ausgeführte Stücke werden; und alles Malen des Einzelnen, mithin auch die entfernteste Erinnerung an die „Schöpfung“, würde vermieden. – Sollte unser Meister nicht darauf eingehen, doch aber eines von jenen musikal. Gedichten durch seine Composition verherrlichen wollen: so möchte ich von dem Oratorium: „Das Ende des Gerechten“ den zweyten Theil vorschlagen, der recht gut ein Ganzes für sich abgeben; ja, verlangte man zwey Theile, sogar in diese getrennt werden könnte, wo dann das Terzett der Freundinnen Jesu den ersten Theil schöße. Hier wäre Gelegenheit und Stoff zu Ausbreitung gerade seiner Eigenthümlichkeit und Genialität vollauf: aber er mag ja diesen, wie jenen Vorschlag, nicht als ein Drängen von mir ansehen, sondern einzig seiner Einsicht und Neigung folgen . – Der erste Ton. Des finstern Chaos wogende Kräfte Rangen kämpfend und feindlich gebunden, Ehe begannen die Zeiten und Stunden. Endlich erstarren die wilden – geschieden Durch des Schöpfers gebietendes Wort; Und nun, von der Weisheit höchstem Gedanken Neu vereinigt zu Lieb' und Frieden, Umfahen sie sich in der Ordnung Schranken, und wirken fort In mächtig mildem, befruchtendem Streben, Bis sie alles was Gott gedacht, Zum Daysen gebracht, Und jeden sein Maas und Ziel und Leben Und ewig gebährendes Wirken gegeben. Und es ward Licht. Wolken bauen den Himmel, Die Erde blüht, Der Vogel schwingt Sich durch die Luft; Das Wild durchstreift Die junge Trift; Es ward der Mensch, Dem Bilde Gottes gleich, Der König vom weiten Erdenreich. Doch im war sein Reich noch öde; Lebensvoll erscheint's ihm todt: Es war stumm. – Grauenvoll, furchtsamstaunend, blöde Sieht der Mensch die Wundergestalten Um ihn wogen, nur ihr walten, Fühlet sich, und blickt bedrängt zu Gott. Da vernahm des Schöpfers Wort Tief[…] seine Welt: Jedem Leben Sey Kraft gegeben, Sein Geheimstes zu verkünden, Wie es ihm selbst gefällt! Nun schwingen die Stürme die Flügel Mit lautem Rauschen und Wogen; Es kömmen die raschen Brausend dahergezogen; Es flüstert der Bach gesprächig Hinauf zum ernsteren Baum: Der vernimmt es kaum, Als mild herabgewendet, Durch lispelnde Blätter er Antwort sendet. Sein Schweigen bricht Der düstre Stier, Mächtig vom Kraftgefühl bewegt; Der Löwe brüllt In Grollbegier, Von Stolzes Gluth die Brust durchregt Aus goldner Wolke ruf[t] die Lerche, Die Nachtigall aus dunklem Hain: Ich bin, und glücklich soll ich seyn! Nun schließet auch dem Erdenfürsten Die Sehnsuchtsbedrängte Brust sich auf; Leise verlangend Das schöne Weib umfangend, Ruft er empor Mit aller Lebendigen Chor: Ich bin, und glücklich soll ich seyn; Und Heil mir, Heil! ich bin es nicht allein! Da wird die schmeichelnde Echo wach; Liebliche Melodien Des Seeligen Brust entfliehen; Und hochgeschäftig singt der Wiederhall sie nach. Drum Preis dir, Ton, der du zuerst, was lebt, Empfinden halfst des Lebens volle Kraft! Drum Preis dir, Ton, der du zuerst, was lebt, Empfinden halfst des Lebens volles Glück! Von Gaben die du selbst verliehn, Soll stets dein Opferaltar glühn; Und wer mit reiner Brust die Weihgeschenke gab, Der sinke lächelnd einst, bey Geisterharmonien Und Sphärenklang, in sein bekränztes Grab. Fr: Rochlitz. Der erste Ton. Des finstern Chaos wogende Kräfte Rangen kämpfend und feindlich gebunden, Ehe begannen die Zeiten und Stunden. Endlich erstarren die wilden – geschieden Durch des Schöpfers gebietendes Wort; Und nun, von der Weisheit höchstem Gedanken Neu vereinigt zu Lieb' und Frieden, Umfahen sie sich in der Ordnung Schranken, und wirken fort In mächtig mildem, befruchtendem Streben, Bis sie alles was Gott gedacht, Zum Daysen gebracht, Und jeden sein Maas und Ziel und Leben Und ewig gebährendes Wirken gegeben. Und es ward Licht. Wolken bauen den Himmel, Die Erde blüht, Der Vogel schwingt Sich durch die Luft; Das Wild durchstreift Die junge Trift; Es ward der Mensch, Dem Bilde Gottes gleich, Der König vom weiten Erdenreich. Doch im war sein Reich noch öde; Lebensvoll erscheint's ihm todt: Es war stumm. – Grauenvoll, furchtsamstaunend, blöde Sieht der Mensch die Wundergestalten Um ihn wogen, nur ihr walten, Fühlet sich, und blickt bedrängt zu Gott. Da vernahm des Schöpfers Wort Tief[…] seine Welt: Jedem Leben Sey Kraft gegeben, Sein Geheimstes zu verkünden, Wie es ihm selbst gefällt! Nun schwingen die Stürme die Flügel Mit lautem Rauschen und Wogen; Es kömmen die raschen Brausend dahergezogen; Es flüstert der Bach gesprächig Hinauf zum ernsteren Baum: Der vernimmt es kaum, Als mild herabgewendet, Durch lispelnde Blätter er Antwort sendet. Sein Schweigen bricht Der düstre Stier, Mächtig vom Kraftgefühl bewegt; Der Löwe brüllt In Grollbegier, Von Stolzes Gluth die Brust durchregt Aus goldner Wolke ruf[t] die Lerche, Die Nachtigall aus dunklem Hain: Ich bin, und glücklich soll ich seyn! Nun schließet auch dem Erdenfürsten Die Sehnsuchtsbedrängte Brust sich auf; Leise verlangend Das schöne Weib umfangend, Ruft er empor Mit aller Lebendigen Chor: Ich bin, und glücklich soll ich seyn; Und Heil mir, Heil! ich bin es nicht allein! Da wird die schmeichelnde Echo wach; Liebliche Melodien Des Seeligen Brust entfliehen; Und hochgeschäftig singt der Wiederhall sie nach. Drum Preis dir, Ton, der du zuerst, was lebt, Empfinden halfst des Lebens volle Kraft! Drum Preis dir, Ton, der du zuerst, was lebt, Empfinden halfst des Lebens volles Glück! Von Gaben die du selbst verliehn, Soll stets dein Opferaltar glühn; Und wer mit reiner Brust die Weihgeschenke gab, Der sinke lächelnd einst, bey Geisterharmonien Und Sphärenklang, in sein bekränztes Grab.