## Title: Friedrich Rochlitz an Ignaz Franz Edler von Mosel in Wien. Leipzig, Dienstag, 14. September 1824 ## Author: Rochlitz, Johann Friedrich ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A042237 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Sr. Hochwohlgeb. dem Herrn Hofrath, Edlen von Mosel, in Wien. Im Schottenhofe, zweyten Stock. Frey Gränze. Leipzig, d. 14ten Septbr. 24. Heute Vormittags erst erhalte ich durch den hiesigen Buchhändler, Knobloch, den letzten Band der „Wiener Jahrbücher“ p und darin Ihre Beurtheilung meines Buchs „Für Freunde d. T.“, mein theurer, verehrter Freund! Was gäbe ich darum, sogleich, statt dieses Blatts, zu Ihnen eilen, Ihnen meinen herzlichen Dank bringen, und dann mich über so manches hier berührte, hernach aber, ohne vorbedachten Gegenstand, nur Mann zum Manne und Freund zum Freunde, wie es eben das Herz und die Stunde darböte, ausreden zu können! Nun – das ist einmal nicht möglich: aber, leider, ist auch nicht möglich, nur einigermaßen schriftlich anzugeben, was sich mündlich so leicht und angenehm ausführen ließ! Darum sage ich nur das Allereinfachste: Ich danke! Mögen Sie in dem, was Sie zu meinem Lobe sagen, so recht haben, wie in dem, was Sie, näher bestimmend, nachweisend, fortsetzend, berichtigend, oder sonst, hinzusetzen! und möge ich im Stande seyn, im Fortrücken des Buchs, ihm und mir Ihr und Anderer Wohlwollen zu erhalten, es immer besser zu rechtfertigen und zu befestigen! Glauben Sie mir, denn ich sage die reinste Wahrheit: Als ich das Buch hingab, hoffte ich zwar auf eine nicht schlimme Aufnahme: doch eine so gute, als es gefunden, hatte ich zu hoffen, ja auch nur im Geheim zu wünschen, mir durchaus nicht erlaubt; von allem aber, was darüber geschrieben worden ist, hat mich nicht so sehr gefreut, und, was mehr sagen will, so innerlich ermuthigt, gestärkt und erquickt, als was Sie gesagt haben und was Göthe gesagt hat – „Kunst und Alterthum“, 5ten Bd 1stes Stück – letzter zwar weniger über das Buch insonderheit, da er nicht Musiker ist, als über unser vieljähriges Verhältnis u. dgl. überhaupt. Nun, meine theuren, bewährten Freunde: beschämen wenigstens will ich Euch wegen dieser Eurer Äußerungen gewiß nicht; weder durch mein gesammtes Wesen und Thun, noch durch mein Verhalten gegen Euch, noch auch durch die Fortsetzung jenes Buchs. Der zweyte Band, obgleich er erst zu Ostern erscheint, ist (seit gestern) fertig bis auf eine letzte Durchsicht des Manuscripts: trägt mich nicht alles, so ist er beträchtlich besser, ganz gewiß aber für die rechten Leser gehaltvoller, als der erste. Und so wird ja wohl auch ihm werden, was dem ersten geworden ist. Jetzt noch einen herzlichen Händedruck; und genug hiervon! – Jetzt will ich einmal mir gütlich thun und Ihnen vorplaudern, wie in dem schönen Baden vor zwey Jahren, auf unsern Spaziergängen! Wie oft denke ich dieser, für mich so glücklichen Zeit, so wie der, meines Aufenthalts in Wien! wie oft hab' ich jener besonders im verwichnen Julius gedacht, wo ich Sie mit den lieben Ihrigen wieder dort wußte! Bey mir sahe es damals weit anders aus: der Garten meines Sommeraufenthalts war unter Wasser, und ich, oft unwohl, vielleicht in Folge davon, in's Trockne auf meiner Arbeitsstube gesetzt. Überhaupt hat dieser, blos den Vegetabilien höchst günstige Sommer mich, der ich wirklich nicht unter diese gehöre, weidlich geneckt, und thut es noch. Da gilt: Geduld, und, wie Schiller sagt: Beschäftigung, die nie ermattet pp Gott sey Dank: ich habe beydes. Möge doch auch Ihnen einmal Zeit und Lust werden, mir über Sie und alle die Ihrigen umständliche Nachricht zu geben! von allen, sag' ich; auch von den lieben Kindern, die nun wohl heranzublühen anfangen? Von der Aufnahme Ihrer „Schule“ p auf dem trefflichen Burgtheater weiß ich auch noch nichts; nichts, ob Sie componieren, und was? nichts, ob Sie in Baden oder sonst wo einen Ruhesitz nach Ihren Wünschen gefunden haben pp das, und noch gar Manches dieser Art, brauch' ich aber alles zu wissen, um mit Ihnen fortzuleben, so gut das aus der Ferne möglich ist; und dies, das Mitfortleben, kann ich nicht missen, ohne eine empfindliche Lücke in meinem eigenen Leben. Wenn ich Sie nur, was Ihre Lieblingskunst anlangt, nicht in so fataler Umgebung wissen sollte, oder dazu bewegen könnte, ruhig und ungestört die Welt der Thoren sich austoben zu lassen, dagegen aber sich Ihre eigene, kleine, auserwählte Kunstwelt in Ihrem Hause ganz nach Erkenntnis, Neigung und Geschmack zu bilden! Nein, da ist es, was Tonkunst betrifft, in unserm kleinen Leipzig, bey sehr beschränkten Mitteln, doch besser: am besten, bey weitem am besten aber, für mich und meine vertrautern Freunde, eben in meiner häuslichen Kunstwelt, wie ich sie mir ersonnen, angeordnet, fortgeführt und immer reiner ausgebildet habe seit Jahren, und wie sie hoffentlich im Wesentlichen ausdauern wird so lange, wie ich. Ich freue mich darauf, daß Sie sie, wie sie leibt und lebt, kennen lernen werden, wenn auch unter dem Anschein der Dichtung, in dem Aufsatze: Häusliche Musik, im zweyten Bande jenes meines Buchs. Hier, wenn auch in sonst nichts, möchte ich mich Ihnen als Vorbild anführen; (Vorbilder lassen sich auch übertreffen!) Sie, eben Sie, sind der Mann dazu; Sie besitzen auch alle Mittel, in sich, außer sich; und daß, ist die Sache nur erst im festgestellten, geregelten Gange, nicht nur Sie selbst, sondern jeder und jede Antheilnehmende, wie Sie sie wählen würden, die schöne Erhebung des edelsten Theils des Menschenwesens, die süßeste, ungetrübteste Freude, wie sie irgend diese Kunst gewähren kann, dabey auch eine heitere, vertrauliche Verbrüderung mit Gleichgesinnten, Gleichgestimmten, ja, lassen Sie mich auch dies gestehen, oftmals eine so milde, seelenerquickende, und, namentlich auf die Jugend, auch sonst heilbringende Andacht, Gottergebenheit und himmlische Beruhigung, empfinden würden, wie ich. und die wenigen dazu mit mir Verbundenen: davon bin ich so fest überzeugt, wie von meinem Leben. Ach mein Freund: das Leben ist wohl schön, wenn wir es nur in seinem innern Kern erfassen, in Bejahrung auf diesen es ausbilden, und, was wir damit erlangt, hochhalten, schonen, nähren, thätig fördern wollen; dem aber, was nicht hierzu gehört, zwar leisten, was ihm gebührt, doch übrigens es gehen lassen, wie es nun einmal nicht anders will – – Doch, wohin gerahte ich? Nun: ich wollte ja einmal plaudern, wie auf jenen Spaziergängen! und wie Sie mich damals geduldig anhörten, werden Sie es ja auch jetzt! – Dem braven Mar. Weber hat die Aufnahme seiner Euryanthe in Wien und deren Folgen fast das Leben gekostet. Er war bey mir, als er zu Klopstocks Todtenfeyer ging; ein Gerippe, mit Haut bekleidet, und reizbar, wie ein krankes Kind. Er besitzt viel Ehrgeiz, und von dem, der nicht nach Außen herausbricht, sondern nach Innen sich zusammenzieht, und darum, schwer gekränkt, am Mark des Lebens nagt; auch machte jenes Geschick den ihn umgebenden Italienern, die das Glück des Freyschütz niedergehalten, Luft und Raum zur Genüge. Doch soll ihm Marienbad sehr genützt haben: Dann wird auch der Entschluß, nichts mehr zu schreiben, verdünsten. – Ists denn wahr, daß Beethoven alle die großen Dinge schreibt, die, daß er sie schreibe, die Leute schreiben? Nach dem, wie ich ihn gesehen, hätt' ich das nimmermehr geglaubt. – Jetzt, zum Schluß, setzte ich mich in Gedanken an Ihre Haustafel, wie ich am zweyten Pfingsttage an ihr saß, um aus der Ferne, wie damals in der Nähe, die Mitgäste aufs freudigste zu begrüßen, nachdem ich die Dame vom Hause also begrüßt: es waren Hr. Graf Dietrichstein, Hr. Dr. v. Portenschlag, (nun folgte in der Reihe der Sitzenden Einer, den ich nicht mehr begrüßen kann, weil er nicht mehr unter den Lebendigen ist;) Hr. Abbé Stadler, u. mein Nachbar, Hr. v. Schreyvogel. Der Entfernten, die uns damals Ihre zwey Lieder und: Gott ist mein Hirt, so schön vortrug, bitte ich, wenn Sie schreiben, meinen Gruß zu melden. Fort und fort Ihr Rochlitz.