## Title: Carl Maria von Weber an Thaddäus Susan in Salzburg. Wien, Dienstag, 18. Oktober bis Dienstag, 25. Oktober 1803 ## Author: Weber, Carl Maria von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A040148 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Wien, den 18. October 1803. Vorgestern erhielt ich deinen Brief vom 1. dieses, begreife aber nicht, wie er so lange laufen konnte. Der Vorwurf, daß mich Wien so sehr in Fesseln hätte, da ich kein Stündchen finden könnte dir zu schreiben, fällt von selbst weg, denn ehe ich deinen Brief erhielt, mußt du meinen vom 8. dieses schon erhalten haben. Wien hält mich wohl gefesselt, aber in Arbeits-Fesseln, denn du wirst wohl wissen, daß ein Klavierauszug von einer so großen Oper keine Kleinigkeit ist. Daß du an meinem Schicksale Antheil nimmst bin ich fest und innig überzeugt, daß ich an deinem nicht minder Theil nehme, glaube ich nicht erinnern zu dürfen. Hast du meinen letzten Brief bedachtsam gelesen? – hast du überlegt und entschieden? – O so schreibe mir schnell, daß ich alles zu deinem Empfange bereiten kann, denn einen andern Entschluß erwarte ich nicht von einem festen Charakter und einem gewissen edlen Selbstvertrauen, das nie sinken läßt. – Ich habe dir so viel zu sagen, daß ich es unmöglich alles niederschreiben kann, obwohl ich mir vorgenommen habe, dir einmal recht viel zusammen zu schmieren, alle Tage etwas, bis ich Gelegenheit habe den Brief dir gut zuzuspediren. Die zwey Sonaten, aus denen Gatti sein Concert machte, werde ich aufsuchen und dir anzeigen. Die Variationen für die Flöte werde ich mir kaufen und sehen was da mit anzustellen ist. – Es ist doch verflucht, ich möchte so gerne eine Menge musikalisch-kritischer Bemerkungen und Nachrichten schreiben, – und – es geht meiner Seele nicht, alle Augenblicke muss ich die Feder wegwerfen, wenn ich sie just zu was recht Saftigen ansetzen will und denken, 's ist doch nur alles eitel Bruchwerk, wenn er jetzt so bey dir säße oder ginge, und du könntest ihm alles gleich so handgreiflich machen, das wäre doch ganz was anders, – ich merke schon, jetzt darf ich aufhören und warten, bis ich wieder ein wenig ruhiger bin, sonst kriegst du nichts wie dummes Zeug zu lesen. – den 25. Ich dachte wunder wie lang der Brief werden sollte, und nun ist es schon wieder beynahe zu Ende, denn die schöne Gelegenheit, dir durch Überbringer dieses Hrn. von Arand ihn dir zu überschicken, ist zu reizend, als daß ich sie verabsäumen könnte, nun da du Hrn.von Arand vor dir siehst, siehst du nebst dir und Doctor Munding das Kleeblatt meiner Freunde voll. Hr. von Arand ist zugleich ein vortrefflicher Klavierspieler und vollkommener Musiker, spielt beynahe alle Instrumente, keines schlecht, und ist zugleich – Mensch – du kennst hoffentlich den großen Umfang dieses großen Wortes. Beyliegender Brief ist von deinem lieben Bruder. Gestern erhielt ich den ersten Brief von meinem Vater, worin er mir (denke dir mein Erstaunen) schreibt, daß es in 8 Tagen entschieden würde ob er innerhalb 14 Tagen wieder nach Wien abreise oder nicht. Wieder ein Zug seines Charakters. Er schreibt mir auch unter andern, dass sich in Augsburg ein Virtuos Eberle auf der Diana Flöte mit einem Conc. und Variat. hören läßt, daß ist gewiß nichts anders als das gewöhnliche Papageno Pfeifchen. Schreibe mir doch, ob er nicht auch bey euch war. Wie steht es übrigens mit eurer Musik und dem Theater, werden gute Opern gegeben? empfehle mich dem Baron Mandel wenn du ihn siehst, und gehe zu der Sängerinn, die aus München gekommen ist, und empfehle mich ihr; mein Vater war schon bey ihr. So leid es mir thut muß ich doch schließen, denn ich sehe gar nichts mehr, schreibe doch bald und viel, warte nicht erst auf eine Gelegenheit, sondern schreibe mit der Post, ich bin äußerst begierig und so zu sagen ordentlich heißhungrig nach einem Brief von dir. Lebe wohl und vergiß nicht deinen dich ewig liebenden Freund und Bruder. Carl Maria B. von Weber