## Title: Carl Maria von Weber an Thaddäus Susan in Salzburg. Augsburg, Dienstag, 12. Juni bis Donnerstag, 14. Juni 1804 ## Author: Weber, Carl Maria von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A040153 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Augsburg, den 12. Juny 1804. Bruder! Voll Freuden empfing ich gestern deinen lieben Brief vom 7. und eile nun schnell ihn zu beantworten, und zugleich durch Beylage des versprochenen Liedes den ersten Punct unsers so feyerlich beschwornen Contracts zu erfüllen. Sämtlichen Contrahenten alles Schöne besonders Wallner & Familie, denen ich für Ihre gütige Erinnerung danke. Jetzt von mir. Daß ich ganzbeinig hier angekommen und zwar den 5. zeigt dieser Brief, ob aber die Seele ganz ist, ist eine andere Frage. Die Freude meiner lieben Tante war unbeschreiblich, die gute Frau hat viel ausgestanden, und wird jetzt wohl noch mehr ausstehen müssen. Gott erhalte sie mir noch recht lange Jahre. Sie grüßt dich herzlich. Papa – Semper idem – das liebe Weibchen war schon mit mir in der Stadt bey Doctor Breiting, Munding und Hrn. Gombart in der Judengasse, wo sie überall mit der ihr würdigen Liebe empfangen worden, alle waren noch die alten Herzlichen, ich schreibe nicht umsonst die Namen so aus, du kannst dich, wenn du hieher kommen solltest, ihrer bedienen. Du nennst nur meinen Namen, und du wirst gewiß gut aufgenommmen. Vergiß nicht mein Lied „ich sah sie hingesunken“ an die Musik Zeitung zu schicken, verlange aber eine Anzahl Exemplare dafür. Die Recension von Vogler's Oper nächstens, ich habe schon einen Brief von ihm erhalten. Übermorgen reise ich ab über Carlsbad, von dort aus ein Mehreres. Ein paar Exemplare von meinen Petites Pieces werde morgen schicken. Gleich den ersten Tag war ein Concert, den 6., das ein gewisser Tollmann, Churf. badenscher Hof Musiker aus Mannheim nebst seiner Schwester und seinem jüngeren Bruder gab; er spielte ein Violinconcert von Rhode recht brav, hat aber eine etwas steife Manier. Die Schwester, ein Mädchen von achtzehn Jahren, kann brav werden, singt aber Violinmanieren, und hat den nemlichen gepreßten affectirten Vortrag. Der Bruder, ein Junge von zwölf Jahren ist – ein Junge von zwölf Jahren. – Das Concertante für Violine und Bratsche von allen drey gespielt (componirt von Girowetz) war höchst mittelmäßig. Die Post geht, ich muss schließen. Lebe wohl. Dein ewig treuer Freund C. M. v. Weber m. p. Den 14. Statt daß der Brief vorgestern fort sollte, geht er erst heute nebst den zwey Exemplaren ab. Zu sagen weiß ich weiter nichts, als daß ich dir noch die letzte Stunde meines Hierseyns widme; denn um 11 Uhr heißt es einsitzen. Wenn ich in Carlsbad aufhalte, bekömmst du einen Brief von dorther. – Alle Augenblicke werde ich noch abgerufen, bald schreyt hier ein Maurer und dort ruft ein Zimmermann, denn es wird in unserm Hause stark gebaut. – Vergiß nicht ein Thema für Flöten-Variationen bald zu wählen, ich habe große Lust, mich auch öffentlich in dieser Gattung zu zeigen, ich werde dir immer die Skizze davon schicken, und dich um Anmerkungen, Verbesserungen in Ansehung des echten Flötensatzes bitten. Bemerkung. Voglers Oper hat das Theater an der Wien gerettet, indem viele vorher gegangene Opern durchfielen. Die Ouverture, eine echte Schilderung des Inhalts, von Rache und Edelmuth, ein äußerst kräftiges, streng gearbeitetes Ganze aus G-moll, an dem sich die äußerst fließende Introduction aus B-dur (Chor) rein siebenstimmig und wohlthuend anschließt, gefiel sehr: Nr. 2. Duett zwischen Maha, der ersten Liebhaberinn und Tochter des Rama, Sterndeuters, worin sie ihn um ihr Verhalten gegen den ihr verlobten Tyrannen Tamburan befrägt, ein echtes Declamationsstück aus E-dur und vortrefflich von Mad. Campi gesungen, auf das wieder der Chor Nr. 3. aus G-dur, wo Tamburan seiner Braut die Geschenke überbringt, äußerst angenehm folgt. Nr. 4 Cavatina vom Pando, Liebhaber der Maha, worin sich die beyden, Rama und Mahadowa, sein Erzieher, zum Terzett anschließen, ganz italienisch mit oblig. Clarinett und Flöte, aber doch nicht ohne Voglers Geist und Neuheit. Gefiel sehr. Nr. 5 Naive Arie von der Naga, der Geliebten Tamburans aus B-dur (worüber meine Variationen), welche im Anfange nicht ganz mit der ihr gebührenden Wärme aufgenommen wurde, sie ist zu fein und delicat behandelt, um gleich vom großen Publicum gefaßt und verstanden werden zu können. Madm. Müller führte sie mit der ihr eigenen Naivität und Leichtigkeit aus. Nr. 6 Terzett aus C-dur, bloß mit Bratschen und Bässe. Zwischen Pando, Mahadowa und dem Höfling Baradra (vortrefflich von Herrn Caché gespielt) der gerne beyde ausforschen möchte, was sie am Hofe Tamburans wollen. Äußerst, aber fein komisch, auch vom Dichter sehr glücklich, wurde mit Enthusiasmus aufgenommen und muß jedesmal wiederholt werden. Ich lasse Raning zu seinen Namenstag Anton gratulieren. Nächstens mehr. Leb wohl.