## Title: Carl Maria von Weber an Johann Gänsbacher. Bern, Sonntag, 22. September 1811 ## Author: Weber, Carl Maria von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A040430 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Du wirst glauben, geliebter Bruder, daß ich Repreßalien gebrauche, und dir eben so lange nicht antworten wolle, als du mir, aber dieß ist bey Gott nicht der Fall, ich konnte blos bis jezt keinen Zeitpunkt finden dir ordentlich zu schreiben, und zudem habe ich dir so viel und mancherley zu schreiben daß ich nicht weiß wo ich anfangen soll. Vor allem zu Beantwortung deines lieben Briefes vom 25 July, den ich d: 31t in München erhielt. Ja wohl hast du recht daß die Briefe meiner Lieben mein einziger Trost und Ersaz für manchen Kummer sind, und auch nur der Gedanke, wie wir vereint streben zum großen Ziele, einst der Kunst würdigere Stüzzen zu werden, hält mich aufrecht, und das Band das uns vereint schlingt sich täglich fester, und wirksamer. deine ruhige angenehme Existenz freut mich innigst um deiner selbst willen, aber als Künstler wünsche ich dich manchmal aus dieser Ruhe aufjagen und in den Strudel der Welt stürzen zu können. die Reibung der Kräfte erzeugt neue, und nur dein Feuer Eifer giebt mir Trost in diesen Betrachtungen. die schöne Hoffnung die du mir in der Ferne zeigst dich in Salzburg pp künftiges Jahr umarmen zu können, wird wohl ein schöner Traum bleiben, ich kehre in 14 Tagen nach München zurük, gebe noch ein Concert da, und eile dann nach Leipzig, Dresden, Berlin pp um den Winter zu benuzzen. Meine Schweizer Reise hat meine Casse sehr geschwächt, und mein bischen sauer erworbenes Geld wieder verschleudert. doch laße ich den Muth nicht sinken, Gott hat so oft geholfen, er wird mich auch dießmal nicht sinken laßen. — Es ist mir gar nicht recht das die Aufführung deiner Oper so hinaus geschoben wird. auf jeden Fall berichte sogleich ans Centrum, wenn du Lust haben solltest über sie anders zu disponiren, auch in München werde ich vorläufig davon sprechen. — dein Requiem möchte ich wohl hören, und besonders intereßirt es mich, es von deinen Bauern zu hören, denn wenn du mit [der] Ausführung zufrieden warst, ist es gewiß gut gegangen. Wo es möglich, werde ich es zu verbreiten suchen. Wenn du in Esterh Eisenstadt warst, so schreibe es mir nur gleich, und ausführlich wie es dir da gieng, damit man wieder Gelegenheit hat etwas von dir öffentlich zu erwähnen. Mit Gombart habe ich auf meiner Durchreise von dir gesprochen, er war sehr mit deinen Bedingungen zufrieden; daß er bey dir klagt oder sich beschwert, ist Verleger Manier, Sie machens alle so, selbst die Besten. mit André und Simrok geht es mir, wie dir, ich höre weder von deinen, noch meinen Sachen etwas, ich habe kürzlich wieder an beyde geschrieben, so wie den etwas fertig ist erhalte ich es, und besorge dann die Anzeige. Ich mache | es dir überhaupt zur Pflicht lieber Br: als Dirig: daß du dich mit einem gelesenen Blatte das in Wien herauskomt in Verbindung zu sezzen suchst. es ist dieß nothwendig da wir dorthin noch gar keinen Einfluß haben. an Stoff wird es dir nicht fehlen, Auszüge aus unsern Briefen, als Notizen pp. ich werde dich auch noch im nächsten darauf verweisen. Nun zum Referat meiner Begebenheiten. mein lezter Brief gieng bis zum 27t Juni. d: 7t July erhielt ich einen Brief von Weber, wo er mir schreibt man wollte mich in Wisbaden bey einem neu zu errichtenden Theater als Director mit 1600 f eng:[agiren]. ich war sehr davon überrascht, und wuste nicht wozu ich mich entschließen sollte, meine so gut angefangene Reise, und den Weg zum Rufe, verlaßen und mich in ein Nest begraben? ich dachte aber, abwarten, — und schrieb d: 19t an den Intendanten, um zu hören was denn eigentlich an der Sache sey. d: 3t August erhielt ich eine sehr artige Antwort, daß man sich glüklich schäzze wenn ich kommen wolle, aber, man könne nur 1000 f geben. und für diesen Preiß schlug ich es aus. für 1600 f hätte ich Pflichten über mir gehabt die mich genöthigt hätten es anzunehmen, aber 1000 f verdiene ich so auch, und ärndte dabey noch Ruf und Ehre. d: 7t war Concert in Nymphenburg, wo Bärmann, mein Concert aus F moll herrlich blies, und König und die Königin sehr damit zufrieden waren. d: 9t reiste ich ab nach Augsburg, und kam d: 11t in Ravensburg einem Würtemb: Städtchen an; hier hatte ich Unannehmlichkeiten wegen meinem Paß, und muste 3 Tage still liegen, bis er per Estaffette wieder von Stuttgart zurük kam, dazu kam noch eine Verkältung die mir beynah die Ruhr zugezogen hätte. d: 15t reiste ich wieder ab, besuchte den Baron Hogguer, einen großen Musikfreund auf seinem Gute Wolfsberg am Bodensee, verlebte ein paar angenehme Tage da, und langte d: 19t in Schaffhausen an. Wo die große Schweizerische MusikGesellschaft sich dieses Jahr versammelte um ein großes Concert zn geben. die Gesellschaft überraschte mich mit der Artigkeit, mich alsobald zu ihrem außerordentlichen Ehrenmitgliede zu ernennen, worauf ich allen Sizzungen beywohnte, welches mir sehr interreßant war. d: 22t im Concert selbst umarmt mich auf einmal jemand und wer ist es — ? unser lieber Br: Beer du kannst dir unsre Freude denken. Seine Eltern hatten ihn von Darmstadt abgehohlt um ihn zu sehen, und mit ihm nach Straßburg zu gehen. Leider war die Zeit nur sehr kurz die wir uns sahen. d: 24 reisten wir beyde ab. ich nach Winterthur, er nach Constanz. in Winterthur sah ich ihn wieder ein paar Stunden, und wie oft wurde da deiner gedacht, das kannst du dir vorstellen, es muß in dir geklungen haben du würdiger Theil der Trias. d: 28t gab ich Concert das mir viel Beyfall und wenig Geld brachte. nach Abzug der Unkosten blieben mir — 16 f — | d: 29t reiste ich nach Zürch ab, und sezte da die Bekanntschaft Nägelis die ich schon in Schaffhausen gemacht, weiter fort, ich sprach ihm auch von dir, und er ist sehr geneigt späterhin etwas von dir zu verlegen. das weitere über diese und andere wichtige Dinge, in meinem nächsten Circul: d: 3t Sept: gab ich Concert, und behielt übrig? — 8 f — du siehst mein lieber Br: daß dergl: Zufälle einen wirklich niederschlagen können, besonders da es nirgends theurer zu Reisen ist als in der Schweiz. d: 6t früh gieng ich in Gesellschaft des Klavierspielers Liste zu Fuße ab, um den Rigi zu besteigen, und mehrere Klaßische Orte zu besuchen, ich sah Tells Kapelle, die hohle Gaße, wo er Geßlern erschoß pp. und kam d: 7t in Luzern an; Hier war ebenfalls nichts zu machen. ich gieng d: 9t nach Solothurn weil da die Tagsazzung versammelt, und also eher Hoffnung war. aber auch hier schlug es fehl, und nach 4tägigem Aufenthalt, trollte ich ab nach Bern, wo ich den Entschluß faßte doch nicht ganz umsonst in der Schweiz gewesen zu sein, und wenigstens die schönsten Gegenden zu Fuße zu besuchen. seit gestern bin ich nun von dieser Reise zurük, habe Gletscher bestiegen, Seen befahren, Höhlen durchkrochen, und dabey, da ich die ganze Reise allein, bloß mit einem Führer machte, unzählichemal an dich gedacht; welche Wonne hätte es seyn müßen wenn wir vereint diese herrlichen Genüße hätten haben können. — das Schiksal will es einmal nicht, und treibt den Einen nach Süden den andern nach Norden. — Vielleicht — könntest du nach Dresden kommen wenn ich dabin? es ist nicht so weit von Prag. was meinst du dazu? — Morgen gedenke ich von hier abzureisen, über Arau, wo ich die Miszellen der neuesten Weltkunde, ein sehr gelesenes Blatt, für uns zu gewinnen hoffe, nach Basel. in Basel hoffe ich zu Gott etwas zu verdienen. von da gehe ich zurük nach München; gebe noch pp: ich habe in Zürch die Idee gefaßt, ein Noth und Hülfsbüchlein für Reisende Tonkünstler zu schreiben, welches zugleich ein Beytrag zur KunstGeschichte der Zeit werden soll. der Plan ist im ganzen genommen der, durch dieses Buch, den Reisenden im Voraus in Stand zu sezzen, ganz genau alle Musikalischen Verhältniße einer Stadt zu kennen, zu wißen an wen er sich zu wenden habe pp  kurz ihm alle die 1000 schwer zu erfahrenden Geld und Zeit raubenden HülfsMittel sogleich klar, vorzulegen. das Buch soll vorderhand, Deutschland im weiteren Sinn des Wortes umfaßen, und von jedem Land, schikke ich einen allgemeinen Ueberblik des KunstZustandes in demselben voraus, und dann eben so von jeder Stadt. ich füge dir hier den Plan in Fragen eingekleidet, bey, und bitte dich mir diese ausführlich zu beantworten über Prag. auch wenn du jemand in Wien wüßtest der es dort besorgte wäre es mir sehr lieb. aber von Prag machst du es auf alle Fälle nicht wahr lieber Br:? Ich habe auch schon einen Verleger dazu, die berühmte | Orell und Füßlische Buchhandlung in Zürch. I. Anstalten zum Concerte. Erlaubniß dazu. Gewöhnliches Locale, und andre, — Art der Bekanntmachung. Subscription, oder keine, Art derselben. Zeitungs Annonce. Zettel pp. II. Concert selbst. Direktor. — Orchester wie es besezt. Was für Gattung von Musik man am liebsten hört. Ausfüllende Parthien, was für Sänger Instrumentisten pp vorhanden, wer von diesen am meisten beliebt. Zeit des Anfangs des Concerts. Arrangement deßelben in Hinsicht der MusikStükke, der Zahl pp welches das beste Fortepiano. Welches Instrument überhaupt am liebsten und seltensten gehört wird. III. FinanzWesen. Beste Jahreszeit, bester Tag in der Woche. Angabe der TheaterTage. Unkosten. dettaillirt. Concert Bedienung. gewöhnlicher EintrittsPreiß. Einnahme, gute, gewöhnliche, mittelmäßige. Notiz über Wie viel Zeit nothwendig, ein Concert zu arrang: IIII. Allgemeine Bemerkungen. Zustand der Musik im Allgemeinen. Bezeichnung der Liebhaberey. Vorzüglich sich interreßirende Häuser, und Liebhaber. Angabe der Liebhaber und stehenden Concerte. pp wo möglich Verzeichniß der Künstler die in den lezten Jahren da Concert gegeben haben. ______________________________ Ich bitte dich sehr wenn du etwas an dem Plan auszusezzen finden solltest, es mir zu schreiben. du brauchst dich auch mit der Bearbeitung nicht zu übereilen, wenn ich es in 2–3 Monaten habe ists Zeit genug. ich hoffe daß es ein interreßantes Werkchen geben wird. Nun lieber Br: laß mich nicht wieder so lange auf Antwort warten, und schreibe mir nach München, und adreßire meine Briefe nur an den KammerMusikus Heinrich Bärmann, so bekomme ich sie sicher. von Papa Vogler habe ich eine lange Zeit keine Sylbe erhalten, obwohl ich ihm manchmal schreibe. Bist du glüklicher? Lebe wohl geliebtester Bruder und vergiß nicht, deinen dich unendlich herzlich liebenden Bruder W: Bern d: 22t September 1811.