WeGA, Briefe, Digitale Edition Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag <lb/>Liebwerda, Dienstag, 19. bis Freitag, 22. Juli 1814 (Nr. 4) Weber, Carl Maria von Veit, Joachim Übertragung Eveline Bartlitz Joachim Veit

Version 4.9.1 vom 5. Februar 2024

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Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe
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Machine-Readable Transcriptions of Texts from the Carl Maria von Weber Complete Edition (WeGA)

lamentierende Antwort auf Carolines No.2; erwähnt geplante Abreise nach Berlin Wo soll ich Worte hernehmen um meine Empfindungen D Berlin Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung Mus. ep. C. M. v. Weber 41

1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)

Weber-Familiennachlass Muks, S. 42–47 tV: MMW I, S. 446

Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe, Sämtliche Briefe

Übertragung folgt den ER der WeGA

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Weber, Carl Maria von Liebwerda 19.–22. Juli 1814 Weber, Caroline Prag German Obsoletes Element tei:textClass entfernt formale Nachbesserungen Nach Durchsicht von Frank Ziegler status erhöht weitere Verlinkungen zu Briefdateien angelegt Verlinkungen zu neuer Briefdatei angelegt Text mit Autograph gegengelesen und von Muks zu ER korrigiert Text eingefügt ID und @keys gegen nicht-sprechende ersetzt. Initiale Transformation aus askSam DB Briefe1
d: 19t July 1814. No: 4.

Wo soll ich Worte hernehmen um meine Empfindungen, meine Gefühle auszudrükken. O meine trüben Ahndungen! daß ich immer Recht haben muß. Jezt also schon sind Anspielungen die du voraus wustest, sind die Hirngespinste eines Romanschreibers fähig, deinen Glauben an den wankend zu machen der nur in Dir, für dich lebt. In der bangsten seltsamsten Stimmung erbrach ich deinen Brief No: 2. Wie gespannt las ich weiter, so trübe auch der Anfang war, so hoffte ich doch daß mein Brief Dir einigermaßen mein Bild wieder lebendig vor die Seele führen würde. – Ja ich bin nur dazu geschaffen, unglüklich zu sein; Es wird also nie ein Wesen geben daß mich versteht und fühlt, daß den Mann in mir und mein wahres reines Gefühl liebt, und nicht blos das ldeal was sie sich selbst geschaffen. O meine Lina! ich begreiffe dich nicht. ich gebe mich in meinen Briefen so wie ich mich immer gebe. ich bin am Schreibtisch kein anderer Mensch als an deiner Brust! Aber freylich wenn das kalte Papier dem ich nicht Leben einzaubern kann, in einer Stimmung, wie die deinige ist gelesen wird, dann muß selbst der wärmste Erguß eines liebenden Herzens zum elenden Gesch Gewäsch herabsinken. Und welch Talent hast du die bittersten weh thuensten Ausdrükke zu finden. Du schiltst dich selbst, daß du mir so für meine Güte dich so zu unterhalten lohne. Wahrlich es ist auch nichts an mir, daß du nicht verkennst, Glaube mir, ich wäre viel zu stolz, um aus Mitleiden solche Dinge zu schreiben ich heuchle, ich betrüge nie, ich sage frey und derb was ich meyne was ich fühle, und wehe dir und mir wenn du mich in meinen Briefen nicht wiederfindest. Die reinste Liebe zu dir sprach aus mir. ich kann mir mich nicht anderst denken, und was dachtest du dir anderst? Ich haße alle Versicherungendie nur Spielwerk im Munde und der Feder jedes Schufts sind, hast du an meiner Brust nicht Wahrheit gefühlt, so würde ich sie auch durch Schwüre nicht erkaufen. Ich fühle feurig und heiß, aber fremd ist mir das Vermögen dieß in Wortgepräng zur Schau zu tragen.

Mit jedem Wort daß ich in deinem Brief wiederholt lese drükt sich das Gefühl des höchsten Schmerzes schwerer auf mich. Also weil ich nicht so schrieb wie du dir es dachtest, wie du es würdest gethan haben, also liebe ich dich nicht. Wenn ich nun eben so von dir schließen wollte und könnte? Was weißt? was fühlst du nur? das meiner Seele, meinem Wesen bey dir solch einen Schwung gab? Was anderes als das beseligende Gefühl sich endlich von einem geliebten Wesen wieder geliebt zu sehen. – Wehe mir, kannst du etwas anderes denken. Ohne Veranlaßung, ohne Ursachen, blos aus dir selbst schöpfst du diese quälenden zerfleischenden Ideen. O heiliges Vertrauen, wie Recht hatte ich, dich so sehnlichst so innigst herbey zu wünschen. so lange ich noch um dich war, so lange fühlte ich dieß Bedürfniß nur dunkel, ich überredete mich immer, es sey da, aber nur einzelne heftige Aufwallungen könnten es in Schatten stellen für Augenblikke. O Nein! ich fühlte nur zu richtig, Es fehlte Dir gänzlich. Umgaukelt von elenden Schmeychlern, von schwachen Schwärmern, von niederträchtigen Menschen, ist dein Gefühl an dir und andern Menschen scheu und schwankend geworden. Du hast dir ein Ideal erschaffen daß ewig unerreicht sein wird; und was nicht in diese Form paßt sey es auch gut, nur anderst, - gilt Dir für verwerflich, für Unwahr.

Jedes Wort das ich hier schreibe, ist dir Maske, alles, Nichtssagendes, gnädiges, Gefühl Geheuchel; die wärmsten reinsten Ergießungen meines Herzens, Zwang und Künsteley.

Ja! ich bin überzeugt daß nur mit dieser Ansicht du alles liest und siehst, was ich thue, und doch scheue ich mich nicht mein Selbst Dir so offen hinzugeben. Glaube mir es wird eine Zeit kommen, wo dießer Schleyer von deinen Augen sinken wird, wo du einsehen wirst was die wahre Liebe eines Mannes war, der weder bettelnd noch wimmernd frey und offen sein Herz dir entgegen trug, der nur in dir lebt, und den mit seiner lezten zerstörten Lebens Freude doch noch immer die Liebe beseelen wird, die ihn so froh und glüklich in vielen Stunden machte.

Ich kann ich will nichts weiter denken als dich, ich bin so weit, mir in meinem Schmerze zu gefallen, und ein übermenschliches Glük ist es, wenn ich einst meiner Kunst nur noch einige Zeit meines elenden Daseyns retten kann. O meine Lina! könntest du mir ins Auge sehen, könnte ich dich an meine Brust drükken! - doch Wehe mir, wenn auch nicht ohne das der Glaube an mich in dir lebt. Ich kann nicht mehr.

Gott schenke dir Ruhe; mir blüht sie nicht; und wenn du so in die Welt hinaus siehst so denke daß eine Seele darin lebt, die dich immer, auch verkannt, unendlich und über alles lieben wird - die deines treuen Carls.

d. 22t In einer Stunde soll dieser Brief fort. – und Morgen früh werde ich von dir Nachricht erhalten. O meine Lina, wie gerne hätte ich dir noch so viel gesagt, wie unerschöpflich ist der Stoff in mir; und doch wie unmöglich ist es mir ihm Worte zu geben. Ich habe diese Tage in einer solchen Abspannung verlebt, ich war so unfähig das geringste zusammenhängend zu denken oder zu schreiben, daß ich wirklich glaubte ich müste recht krank werden. Aber meine Natur hält sich zum Bewundern aufrecht. Nicht so der Geist. ich kann wirklich sagen daß ich Stundenlang Gedankenlos in die Welt hineinstiere. Es drükt auf mich mit bleyernen Schwingen, und wenn ich abergläubisch wäre, ich würde mir die Ahndung irgend eines großen Unglüks nicht nehmen laßen.

Ich habe deinen Brief unzähligemale gelesen. ich fände so viel noch darin zu beantworten, – ich kann nicht. – Keinen Augenblik Ruhe habe ich. Wie oft nehme ich mir fest vor zu arbeiten. ich lege alle Papiere zu recht, ich sezze mich dazu, sehe eine halbe Stunde darauf ohne etwas vorzunehmen, und auf einmal pakt mich ein so unbehagliches Gefühl mit solcher Riesenkraft daß ich alles zusammen werfe, und ins Freye eile, um nur etwas Ruhe zu suchen die ich doch nicht finde.

Es ist mir alles außer dir so gleichgültig geworden daß ich oft vor mir erschrekke. Sonst freute ich mich noch manchmal noch Berlin, meinen Lichtenstein, Wollank pp zu sehen. Jezt gar nicht mehr. Es ist mir als ob die Reise dahin eine auferlegte Strafe wäre. alle Menschen frage ich nach dem Wege, der Art zu reisen pp. ich benehme mich wie ein Kind das zum erstenmal einen Ausflug machen soll.

Es ist recht seltsam. Gebe Gott mir morgen frohere Nachricht von dir; sie sind das einzige das mich wieder aufrichten kann. aber sey deshalb nicht Mitleidig, verstelle dich nicht gieb dich mir ja so wie du bist und fühlst. ich würde es doch erkennen, wenn du dich zwängst ruhig und freundlich zu sein. Laß mir den Trost dich immer wahr zu wißen, und wenn es mich denn auch zusammendrükt so will ich es doch lieber erdulden, als dich auch falsch zu wißen.

Den 31t reise ich von hier ab. Briefe und nicht ganz große Pakete kannst du mir noch hieher schikken, wenn du diesen Brief nicht so spät wie No: 1 erhältst. Dann nach Berlin. abzugeben bey dem Banquier Herz Beer.

Nun lebe wohl mein geliebtes Leben. Könntest du mich einen Augenblik nur sehen; was würde dir dein Herz sagen, — — — Grüße die Mutter, Vater und Bruder aufs beste, so wie auch die gute Bach, und denke daß du dich dem zu erhalten versprochen, der nur für dich lebt und ewig unverändert dein Carl ist.