## Title: Carl Maria von Weber an Friedrich Rochlitz in Leipzig. Prag, Montag, 13. Mai 1816 ## Author: Weber, Carl Maria von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A040902 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Prag, d. 13. Mai 1816. Sie werden sich wohl sehr verwundern, mein teurer Freund, daß Sie schon wieder einen Brief von mir erhalten, und glauben, daß ich wie viele Menschen von einem Extrem ins andere falle, indem ich bald fast gar nicht schreibe und dann auf einmal mit Briefen überhäufe. Diesmal aber kömmt der Anstoß nicht von innen, sondern von außen und zwar unangenehm von außen. Daß Sie mir eine Zeitlang nicht geschrieben und geantwortet haben, sah ich bis jetzt für das an, für was man es ansehen muß unter Freunden: Sie haben keine Zeit und Stimmung dazu gefunden, und wenn beides kommt, werde ich wieder reichlich entschädigt werden, dachte ich. Nun aber scheint mir eine andere Ursache zugrunde zu liegen, die wohl gar wie Groll (und zwar gewiß unverdienter) aussieht, und da muß alles übrige bei Seite gelegt, die Feder ergriffen und der Freund gerade und frisch gefragt werden: wo sitzt es? wie ist es etc. Soeben erhielt ich einen Brief von Gottfried Weber, aus dem ich sehe, daß eine Konfusion und Mißverständnisse von allen Seiten so eingetreten sind, daß das Ganze einer recht erbärmlichen Klatschgeschichte gar nicht unähnlich sieht. Dergleichen hasse ich in den Tod und besonders auch deshalb zehnfach, weil ich weiß, wie schwer so etwas bei der großen Entfernung der Parteien auszugleichen und zu verständigen ist, was mit ein paar Worten mündlich getan wäre. Ich muß also zuvörderst die Sache erzählen, wie sie ist, und dann gibt sich das Resultat von selbst. Gottfried Weber, der mit dem regsten Eifer für alles, was er für gut anerkennt, lebt und wirkt, hat von jeher so viel für die Verbreitung meiner Arbeiten, vorzugsweise ohne deshalb für ihre Mängel blind zu sein, getan, daß ich ihm mit dem reinsten herzlichsten Dank verpflichtet bin und natürlich gern jede Gelegenheit ergreife, da ich es ebenfalls meiner Überzeugung gemäß tun kann, auf sein Talent die Welt aufmerksam zu machen. Leider hat er als Komponist so wenig öffentlich erscheinen lassen, daß ich dazu wenig oder gar keine Gelegenheit fand. Unter dem Wenigen dieser Art war die Anzeige des Frankenhauser Konvents von mir, wo beinah alles Rühmenswerte, was ich von seinen Arbeiten erwähnte, in der ‚Musikalischen Zeitung‘ weggelassen wurde. Da ich diese nur selten zu sehen bekomme, so sah ich dies erst, nachdem ich den 11. Januar einen Brief Wohlbrück's aus München mit folgender Stelle erhalten hatte: ‚Poißl wünscht eine ausführliche Rezension Ihrer Kantaten für die ‚Musik.-Zeitung‘ zu schreiben und glaubt, daß dieses vielleicht dienlicher sein würde, als wenn Gottfried Weber solche übernähme, da man von Seiten der Redaktion der ‚Musik.-Zeitung‘, wie Spohr geäußert haben soll, das Vorurteil hegt, die Schule Vogler's sorge gegenseitig für den Aufschwung ihrer Werke. Poißl erwartet hierüber ihre Meinung und ihre Partitur, auch ihren Rat demnächst, ob er die Rezension unter seinem Namen liefern soll.‘ Was war natürlicher, als daß ich einem so lieben vertrauten Freunde, als Gottfried Weber mir ist, nicht hätte schreiben sollen: ‚Lieber Bruder, ich habe mit Freuden die erste Gelegenheit ergriffen von Dir zu sprechen, man hat mir es aber weggestrichen, wahrscheinlich wegen jener Idee (wie oben).‘ Daß nun mein guter Weber dies so verstanden hat, als hätten Sie mir dies geäußert, da ich ihm nicht mit der diplomatischen Genauigkeit wie hier die Quelle anführte – gehört zu den 10000 unglücklichen Mißverständnissen in der Welt, die man nicht schnell genug unter guten Menschen durch die klarste Auseinandersetzung vertilgen kann. Daß es ihn, der so manches Treffliche dieser Zeitschrift geliefert hat, schmerzen mußte, ein paar lobende Ausdrücke unterdrückt zu sehen, daß ich bei einem Aufsatz, unter meinem Namen noch dazu, dasselbe Gefühl einen Augenblick hatte, ist uns beiden nicht zu verdenken. Daß Sie Ihre gewiß der Sache wohlwollenden Gründe dazu hatten, glaube ich. Daß aber Gottfried Weber, der immer nur die Redaktion vor Augen hat und nicht das Glück hat, Sie persönlich seinen Freund nennen zu dürfen, die Sache im ganzen härter und ärger nahm, als er vielleicht sollte, ist auch verzeihlich. Und nun, lieber Freund, bitte ich Sie mir offen und ehrlich wie immer zu schreiben, diesen Brief in Abschrift an Gottfried Weber zu schicken, da er zugleich als Antwort und Be[r]ichtigung des seinigen an mich vom 5. Mai diesen Punkt betreffend dienen soll; und damit, hoffe ich zu Gott, soll dieser ärgerlichen und unnützen Konfusion ein Ende sein und Sie nach wie vor uns beide als brav und gerade erkennen. Ich hätte Ihnen noch so manches andere zu sagen, aber kein Wort soll dieser Brief sonst enthalten, als dasjenige, den Horizont der Freundschaft rein und ungetrübt hervorgehen zu machen. Nun die herzlichsten Glückwünsche an die lieben Ihrigen und die Versicherung, daß ich gewiß unwandelbar bin und bleibe Ihr treuer Freund Weber.