No: 39. Dresden d: 13t
Aprill 1817. Abends
10 Uhr
Mein theures geliebtes Leben!
Ich muß mich nur zu dir flüchten und gute Laune holen,
denn ich bin so geplagt und bestürmt mit Geschäften, daß ich Z. B. Gestern recht
ernstlich bitterböse darüber war; und doch am Ende mich drein ergeben muste. Es ist
wirklich in diesem Augenblikke zu toll, und zwar nicht eigentlich die
Arbeit, sondern die
Dinge, die einen verhindern, an sie selbst zu kommen. Meine
Correspondenz ist wieder zu einem Berg von einigen 30 Briefen
angewachsen. Lichtenstein und Beers können mein Schweigen gar nicht begreiffen. Ersterer
hat ein Mädchen am 7 Aprill von seiner Victoire erhalten, und ist
ganz glüklich und froh. Brühl treibt mich mit der Musik zum Ingurd, hier überläuft mich
alles, und will nur von mir Rath, Hülfe, Gefälligkeit pp haben. dazu komt daß ich d: 1t
May ausziehen muß, und zwar zu Schmidels, die nach Pillnitz gehn,
und mir das Quartier in der Stadt bis zu Johanni überlaßen, zu
gleicher Zeit bekomme ich einen neuen Bedienten. es ist um toll zu werden. doch zur
Ordnung, woraus du noch mehr ersehen kannst. d: 11t hatte ich meinen
Brief No: 38 an dich abgeschikt und muste mich anschikken bey dem
Profeßor Förster, der den ganzen DichterKreiß zum Gevatter gebeten hatte, auch mein Amt zu verrichtenBei der Taufe von Maria Laura Förster.. alle waren Paarweise eingetheilt und ich hatte Fräulein Nostiz bekomen,
der ich nach hiesigem Brauch in einem Körbchen Blumen zuschikken muste. Ein Spaß der
mich ein paar Dukaten kostet. Nachmittags hatte ich Probe von Joseph, konnte also doch
nicht bei der Taufe sein, und kam erst später zum Thee, wo viele GelegenheitsGedichte
auf diesen Tag gemacht worden waren. darunter war manches treffliche. und da das kleine
Magdlein Maria Laura heißt, so fehlten auch die schmeichelhaftesten
Anspielungen auf deinen Muks nicht. Gestern war um 10 Uhr GeneralP:
von Joseph. dann bestürmte mich der Graf und
Hellwig, zum Yngurd wenigstens die Horn
Signale zu comp: ich muste nachgeben. Abends war wieder
Adelina wo Weixelbaums abermals sehr gefielenVgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 29. April 1817., und
dann muste ich einen Theil der Nacht sizzen. ließ mir um 9 Uhr noch mein Pf:
auspakken, weil ich doch es noch brauche, und heute früh um 6 Uhr, kamen
schon die Kopisten, es abzuschreiben, von 9 bis 1 Uhr war Probe davon. und heute Abend
hatte ich Joseph, den Weixelbaum und H:
Genast, ein 19 Jähriger Mensch aus Weimar, den
Jakob gab. und zwar recht brav in Gesang und Spiel.
Es war sehr voll, und machte abermals große SensationVgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 30. April 1817 sowie die Besprechung in der AmZ, Jg. 19, Nr. 24 (11. Juni 1817), Sp. 406f.. nun bin ich
Hunde müde, habe Morgen wieder 2 Proben und Abends den Yngurd, und
zur Helene, die in 8 Tagen istLaut Tagebuch wurde statt Helene Adrian von Ostade geprobt; Premiere der Helene war am 22. April 1817., Aufsäzze zu schreiben, und einiges
zu Instrumentiren. Wirklich Muks ich bin ganz rabiat, und will meine Wuth an dir
auslaßen, du garstiger Pumpernikkel, was sind das für Streiche?, warum bist du nicht
hier? und machst mich alles vergeßen, und giebst
Kraft und Lust wieder, durch einige herzliebe gute Bußen, und einen guten Spaz?!!
lieber, guter, Herzens Schneefuß, ich habe so eine unüberwindliche Sehnsucht
nach dir, daß es wirklich eine Schande ist für einen so alten Liebhader. Aber was
hilfts, es ist einmal so. Auch scheint das Schiksal es recht darauf abgesehen zu haben
daß erst mit dir wieder Ruhe und Ordnung in mein ganzes
Leben komme, indem ich bis Michaeli wahrlich wie ein Zigeuner herumziehen muß, welches
mir wirklich recht herzlich fatal ist. Armer Mukkenkönig, kriegst da einen recht
lamentabeln Brief, kann dir aber nicht helfen, wem soll ichs denn sonst klagen? und
klagen muß ich, dazu hab ich die gegründetste Ursache.
Nun, Morgen komt doch wieder ein Brief von dir, das ist
wieder Balsam, und heute will ich auch durchaus nichts weiter thun als an dich schreiben
und dann in Bett gehn. bin gar zu müde, und die andern alle müßen Morgen
ganz
kurz
kurz abgefertigt werden, ich, kann nicht helfen, denn,
Jezt reißt mir die geduld entzwei!
zu todt, laß ich mich auch nicht schinden!Zitat aus dem Duett Nr. 1 (Kraft, Lorenz) aus dem Hausgesinde, Partie des Lorenz (in Prag gesungen von Caroline Brandt): Was braucht es denn so ein Geschrei, | Bald reißt mir die Geduld entzwei. | Zu todt laß’ ich mich wohl nicht schinden, | In dem Haus kann ich nichts erwerben | Bei Ihnen muß ich doch verderben. | Für mich wird sich ein Dienstchen finden!
Gelte das darf ich auch nicht, du hast mirs erst im Lezten Brief wieder
recht recomandirt. Nun Gute Nacht, lieber Hamster, Morgen noch ein
paar Worte, und damit wieder Puntum! wäre doch schön wenn ich den
Yngurd fertig machen könnte, gäbe wieder ein Geld ins Haus!! wollen
sehen, obs geht. Nun gute gute Nacht, meine vielgeliebte gute theure Lina, Gott segne
dich + + +.
ich umarme dich tausendmal aufs innigste, bleib gesund und brav, und habe
über alles lieb deinen ebenso
dich
liebenden Carl.
Gute Nacht! /: vom
Ett :/
d. 14t
Mittags.
Guten Tag, mein
guter
guter Schneefuß. hab schon viel geschrieben und eine
Probe im LeibeVormittagsprobe laut Tagebuch zum König Yngurd., und bin auch gleich dafür durch deinen gar lieben herzfrohen Brief
No: 42 belohnt worden. So
gefellst du mir, und verbleibe ich dem besagten Muks in Huld gewogen. Wenn du immer so
froh und heiter bleibst und dich nicht unnüz ängstigest, wofür du den großen Orden vom
Bußer, bekomen sollst, so wirst du auch troz der
vielen Arbeit fett werden. aber im Ernst, Mukin, es ist
zu toll wie sie dich anspannenOffenbar hatte Caroline Brandt in dieser Zeit besonders viele Auftritte am Prager Ständetheater., ich bitte dich thue es
nicht. und strenge dich nicht über die Gebühr an. Die Art wie du über Mlle Wilhelm
sprichst, freut mich auch recht sehr, wenn du kannst, so sage ihnen sie möchten nicht
gleich Kontrakt machen, und sind sie brav, so engagiere ich sie auf dein Wort.
brav, brav,
Muks, nur frei vom Neide ist die
wahre Künstler Seele.
Auch die Aussicht wegen
Grünbaums ist gut. nun Gott gebe meiner Anstalt seinen Seegen und Gedeihen. Um dich zu
trösten lieber Muks daß du 10 Tage lang dich elend behelfen must, kann ich dir dafür die
sehr erfreuliche Nachricht geben, daß ich in meinem jezigen Nest bleiben kann bis ich mein neues
Quartier beziehe. das hat heute Morgen Schmidl mit meinem
Hausdrachen in Ordnung gebracht, der mir nur wegen Wohlbrüks Tabakrauchen aufgesagt
hatte. – so geht es, nun ich bin recht froh,
und will mich begnügen dich zu bedauren, statt dein Schiksal zu theilenZur Neuvermietung von Caroline Brandts bisherigem Quartier an Juliane Junghanns und deren Töchter vgl. den vorhergehenden Brief an Caroline Brandt., wie ich doch
eigentlich sollte, wäre ich ein ächter Ritter. du wirst aber auch um mich froh sein.
Herrn Schaper kann ich nicht brauchen. von der 2t Klasse habe
ich eine Menge. Glänzende Sterne brauch ichFerdinand Schaper gastierte am Prager Ständetheater laut Tagebuch der deutschen Bühnen (1817, S. 342) erst am 24. April 1817 (Seneschall in Johann von Paris).. Kann mir deine Geschäftigkeit denken, du
guter Hamster wenn ich nur auch schon wüste wo ich
alles unterbringen soll. Nun es wird schon gehen, wahrscheinlich in einer Bodenkammer im
neuen Logis.
Die Nachricht mit Louis Engagement in
Frankfurt wäre recht gut, doch wäre Mannheim friedlicher
gewesenLouis Brandts Gastauftritte in Frankfurt vom 11. Mai bis 18. Juni 1817 führten nicht zum Engagement, so dass er doch im August 1817 nach Mannheim ging.. die Mutter wird sich finden daßs habe ich
ja immer gesagt, und direkte nach Frankfurt sind auch oft Gelegenheiten.
Ueber
des Teuferls Ähnlichkeit mit Baßi, habe ich recht gelacht, und freue miß auf das neue,
schöne. oh! Nun heißts aber schließen, hab um ½ 3 Uhr Probe, dann Mittag eßen, um 4 Uhr
beym bayerschen Gesandten, dann im Yngurd.
Grüße mir alle
herzlichst wieder, Grünbaums, Niemetz, Junghs, pp p pp p Millionen
Billionen Bußen von deinem treuen dich innigst liebenden Carl.
adé ! adé ! adé!