No: 72. Dresden d. 27t July 1817.
Mein vielgeliebter Muks.
Es ist entsezlich heiß, habe ein bißel comp.Vermutlich Arbeit am Freischütz, im Tagebuch finden sich zwischen dem 12. Juli (Abschluss des Entwurfs von Nr. 6) und dem 31. Juli (Entwurf von Nr. 2) allerdings keine eindeutigen Hinweise. und jezt
muß ich zur Erholung mit meiner Lina plaudern und ihr vom gestrigen Tage erzählen.
Vorgestern d: 25t Probirten wir die Musik zu dem Annen Tage nochmals. badete
pp wie alle Tage, und erhielt einen Brief vom Papa
Beer aus CarlsbadZu J. H. Beers Kuraufenthalt in Karlsbad ab dem 2. Juli 1817 vgl. den Kommentar zum Brief an J. Gänsbacher vom 17./18. Juli 1817., der mir sehr
zuredet nach Berlin zu gehen, und zwar mit vielen recht herzlich gut ausgesprochenen
Gründen. Ich glaube dir schon einmal geschrieben zu haben daß er mir ein Prasent mit
Zukker und Kaffee gemacht habe, ich wuste aber nicht genau wie viel, und wollte ihn auch
nicht um die Adreße fragen, jezt schikt er mir eine Anweisung nach Leipzig an sein
Waarenlaager, und schenkt uns zur Hochzeit 104 Pfund
Kaffee und 108 ℔
Zukker. das ist ein schönes Präsent, und kommen wir
gewiß 2 Jahre damit aus. es hat mir viele Freude gemacht, und wenn er hier durchkömtLaut Tagebuch kam J. H. Beer am 31. Juli 1817 in Dresden an.
werde ich ihm recht herzlich dafür danken. vor der Hand laße ich es aber noch nicht
kommen, bis ich weis wie die Sachen stehen. Nachmittags kam der Graf Vizt: zu mir, und
wir hatten eine 2 Stunden lange Unterredung. Er ist auch aufs äußerste getrieben, und
der ganzen Sache steht eine große Krisis bevor, auch Er will lieber mit seinen 7 KindernDas Ehepaar Vitzthum hatte acht Kinder: Ludwig (Ernst) (geb. 14. Mai 1794, gest. 4. Juli 1833), Moritz (Heinrich) (geb. 26. November 1795), (Carl) Gustav (geb. 4. Oktober 1797), Thecla (geb. 25. September, gest. 18. November 1880, ab 19. November 1817 verh. Freifrau von Coburg), (Louise) Annette (geb. 7. Mai 1802), Angélique Therese (geb. 7. Februar 1808, gest. 18. Januar 1876) und (Oswald) Lionel (geb. 15. Februar 1809, gest. 30. September 1883); der Sohn (Georg) Rudolph (geb. 27. Januar 1801) war bereits am 3. Juni 1801 verstorben.
Brod und Salz eßen, als die Insolenz des Morlachi pp länger dulden,
und dringt auf strenge Satisfaktion. ich bin neugierig wie sich das Ganze wenden und
enden wird. Gestern d: 26t stand ich um 4 Uhr auf, zog mich an, die H:
Mieksch Wilhelmi und
Bergmann frühstükten bei mir, und nun gings nach Pillniz.
wo der Graf Vizth: die große Aufmerksamkeit gehabt hatte auch
hinzukomen. Wie die Prinzen pp beim Früstük saßen, trug Schmidl die
Texte an den Tisch, die Thüren giengen auf und unsere Musik fieng an.
Du kannst
nicht glauben welche Freude, Rührung und Ueberraschung dieß hervorbrachte, und mit
welcher wirklich unbeschreiblichen Liebenswürdigkeit und Artigkeit sämtliche Hoheiten
sich benahmen. der Gesang muste natürlich wiederholt werden, und es fehlte nicht viel
dasß meine Sänger auch mit geschloßhundetGemeint ist: geweint. hätten. darauf sangen wir noch andere Sachen,
von denen mein
Tanzlied, Geiger und
Pfeiffer, alle so zur Lustighkeit hinriß daß der HofMarschall die
Obersthofmeisterin erwischte und mit ihr im Saale herumwalzte, zum großen Jubel Aller.
Man vergaß wirklich ganz unter Prinzen zu sein, und des Dankens war kein Ende. Die
Prinzeßinnen baten um die Musik, und die junge Braut sagte daß sie diesen Morgen
nie vergeßen werde, und er einer der schönsten
froehlichsten ihres Lebens sei. daß nach dir fleißig
gefragt wurde kannst du denken, und Alle Hoheiten trugen mir die freundlichsten Grüße an
dich auf. Ich muß gestehen daß mir das Herz blutete bei dem Gedanken, diese guten
braven Menschen vielleicht verlaßen zu müßen. – Schmidls Triumph und Wonne
stolz Schritte, kannst du dir denken. ich machte nach
10 Uhr – so lange hatte das gedauert – mit ihm eine Visite bei
dem Beichtvater des Königs. Bischoff Schneider, ein Geistreicher Mann, der wahrlich
die 3 fache Krone tragen könnte, so ein Geistlich fürstliches Ansehen hat er. er empfing
mich ungemein schmeichelhaft und beschwor mich Geduld zu haben, und zu bleiben. – –
dann machten wir einen großen SpazierGang in die herrliche Gegend und Mittag gab
Schmidl ein großes Traktament. da wurde nach Tisch wieder so viel von den Verhältnißen
gesprochen, so viel Pläne gemacht, und die Wege bezeichnet die einzuschlagen wären, daß
mir troz der guten Meynung dieser guten Menschen, die alles auch um der Guten Sache
willen thun, doch diese Wichtigthuerei der erbärmlichsten Kleinigkeiten, dieses mir
unträgliche Protektionswesen, und dieses elende Berüksichten und verläugnen, und
schmiegen, und suchen, was alles so ganz außer meiner Handlungsweise, Denkart und Gefühl
und Grundsäzzen liegt, daß ich mitten in den Beweisen der größten Achtung und Liebe, und
dem Streben mein Wohl zu gründen, doch fast den Entschluß in mir fest werden ließ, ein
solches Leben nie zu führen, und in Berlin wenigstens nur allen Künstler Verdruß allein
stehend zu ertragen. das gestrige Dinèr, was mir hoch angerechnet
wurde, eben so wenigstens baldigstens wieder zu geben, und somit mich alle diesem zu
entziehen. Es wäre zu weitläufig dir alles auseinander zu sezzen, wie ich alles
anerkenne, zu schäzzen weis, was diese Leute thun und es doch nicht ertragen mag. ich
brauche keine Stüzze, als meine Rechtlichkeit, keinen Rükhalt als meine Kunst, keinen
Trost und keine Freude als meine Lina. Du kennst einen Theil der hiesigen Welt und wirst
mich verstehen. – – Uebrigens waren wir im Ganzen recht lustig, und fuhren auf mein
Treiben so zurük daß ich um 10 Uhr in mein Nest kam. Du hast wohl recht mein geliebtes
Herz, wenn du sagst daß ich mich sehr unbehaglich in solcher Ungewißheit befinde, und so
sehr ich auch suche mich der Gedanken daran zu erwehren, so bin ich es doch nur wenig im
Stande, und also dadurch sehr in meinen Arbeiten gestört.
Bald hätte ich vergeßen
dir versprochener maßen zu berichten daß deine Gesundheit mit hohem GläserKlange und mit
großer Theilnahme getrunken wurde. Nun muß ich mich anziehen einige BerlinerIm Tagebuch ist nur G. A. Welper erwähnt (vgl. auch den Briefteil vom 28. Juli). Mad. Welper war laut Kurliste (1817, Nr. 1080) am 9. Juli 1817 in Karlsbad angereist und im Haus Nr. 142 abgestiegen. aus
Carlsbad zurükkehrend und andere von Berlin kommend, haben mich
gestört. Morgen ein mehreres, gieb mir einen guten Buß, und sei heiter, das
wünscht immer und einzig dein Carl.
d: 28t
Liebe gute Lina da wären wir denn wieder einmal drauf und dran, uns eine
recht bittere Zeit zu bereiten, die bösen Briefe, die
immer nur Abdruk eines Augenblikkes sind, und dem Empfänger diesen Tagelang empfinden
laßen. Mein herzliebes Leben, wie sehr hast du dich über meinen Brief betrübt, daß thut
mir recht in der Seele wehe. du solltest aber den alten Brumbären wohl kennen, der in
einer steten Preße von Verdrüßlichen Dingen sizt, in deinen Briefen seine einzige Freude
hat, und dann wohl ein bischen den armen Muks anfährt, wenn der ihm auch noch Stoff zum
Trübsinn giebt. Wie sehnsuchtsvoll sehe ich der Zeit entgegen wo kein solches
Mißverständniß länger als 5 Minuten dauern kann, wo ich mir ein Bußel hole und sage, es
war ja nicht so gemeint, oder du komst und sagst und H. v:
Bär 's er wieder ein Jud? du weißt wohl liebe Mukkin
daß mir nichts schmerzlicher sein kann, als dir wehe zu
thun, aber wenn du ein bischen billig bist, und rechnest zu wie manchmal
alles zusamen komt, so sei denn auch nachsichtig
gegen deinen Muks, denke was hat der wieder im Kopf, muß ihm denselben tüchtig waschen
daß er's an seiner Lina ausläßt, muß ihm versichern daß er ein Oz ist, und
über ihn lachen, daß er wieder heiter wird – Puntum. ja siehst du alter Schneefuß du
wirst noch oft deine Geduld hervorsuchen müßen, und sie an deinem
Carl ausüben, und wenn er einmal vielleicht hart und finster war,
doch heiter es abschütteln, und ihn nekken, dann kömt er gewiß auch gleich wieder und
suchts doppelt freundlich wieder gut zu machen, gehst du aber auch in einen Winkel und
schloßhundest, so wird Er erst recht traurig, oder was gar Unrecht aber doch möglich
ist, ungeduldig und krittlich, und dann verderben wir uns ein paar schöne Tage. worüber
wir uns hinterdrein wieder abschäulich ärgern, dann ists aber zu spät. – ist das nicht ein
altes Stutt, was wir schon oft aufgeführt haben? Kann
nicht helfen H: v Muks jezt mußt du den
G'scheidern machen, und nachgeben nutzt niz – Mein einziger Trost ist daß
meine nächsten Briefe den entsezlichen Trübsinn und Wehmuth der aus deinem
No: 74 spricht wieder werden verscheucht haben, und ich möchte
diesem Flügel geben um ihn zu dir zu führen, oder beßer –
mir Flügel, dann wäre gewiß alles gleich im Gleise. Ja
wohl sieht alles geschriebene ganz anders und oft viel ernsthafter aus, und so war es mit
deiner Erzählung der Hans = Sohnes Geschichte. Aber eine Stelle deines Briefes könnte
mich auf lange Zeit sehr unglüklich machen, wenn ich mich ihr so hingeben wollte, und
nicht mit der Hoffnung mich aufrichtete daß nur der Unmuth dir diese schrekliche Drohung
eingegeben habe. du sagst = auf jeden Fall hast du das Gute
gestiftet daß ich mir nicht mehr erlauben werde gar zu offenherzig zu
sein – Wenn das wäre, so wäre also mein Jahrelanges Streben dir
Offenheit zu geben verlohren – Laß mich darüber ganz weg gehen, ich würde sonst
vielleicht wieder ernst werden, und du es wieder mißverstehen. Erzähle ich dir denn
nicht auch alle Kleinigkeiten meines Lebens, ist es denn nicht auch mir das süseste? und
gehört das Erzählen eines Vorfalles wie der mit Hans zur Offenheit? ich glaube nicht.
die Äußerungen über Drs: ja, und dabei möge dich Gott erhalten, dein
Gefühl jedesmal rein und unverschleyert mir auszusprechen. aber mir sei es auch erlaubt
dieses zu berichtigen zu suchen, wenn ich glaube daß du nicht ganz richtig siehst.
Puntum, du bist und bleibst ein kleines GallTeuferl, denn wenn du jezt deinen Brief
lesen könntest, wie du dich nach und nach in ihm erhiztest, und doch so gewiß zurük
hieltst, wie Z: B: es ist wohl nicht recht wenn du mich mit meinen Klagen hierüber so ein wenig streng von dir
weisest, daß es beinah aussieht als liebest du sie mehr als
mich. – Nun! Jezt wenn ich wieder ruhig bin, muß ich
lachen wenn ich mir dabei Dein preziöses Gesichtel denke, wie es so indignirt ist und
doch freundlich und gut aussehen will. gehe gehe, du bist ein
Oz, und ich auch sehr oft,
und du must nachgeben denn ich bin der Stärkere, bin das Mannsbild, und du wirst schon
hören daß er dir sagt, und er soll dein
Herrvierfach unterstrichen sein1. Buch Mose, Kapitel 3, Vers 16..Ja wenn von Gurkensallat, oder Rettig, oder Kleidern die
Rede ist, da bist du gleich mit der RedensArt da, du hast es so
befohlen, wenn ich aber befehle, er soll nicht so dumm
sein sich unnütz zu quälen, und mich endlich einmal kennen, so thut
Err doch was er will. – Nu warte nur, die Haue sollen
dir nicht entgehen, habe ich dich nur erst hier, so wird alle Woche so ein Brief geholt,
ihm vorgelesen, erklärt, und dann muß er auf Erbsen
knien, damit er mir nicht übermüthig wird. So Mamsell wird's ihr gehen.
Gestern nach Tische ließ mich der Graf rufen, und sagte mir voll Freude daß der
König den Minister zu ihm geschikt habe, um ihm zu sagen er höre daß ich Anträge hätte,
er wünschte nicht mich zu verliehren und man solle alles thun mich hier zu erhalten. das
ist nun freilich recht schön und gut, und freut mich einestheils sehr, aber doch wird
mir ein bestimter Entschluß immer schwerer und schwerer in dieser großen LebensLotterie.
des hiesigen Verdrußes und der Reibung mit den Italienern sehe ich kein Ende, und wird
es mir in Jahr und Tag zu toll, so ist nicht immer so ein Berliner Antrag bei der Hand,
und man muß still es tragen. Wenn ich dich nur herhexen könnte, denn die Leute hier sind
doch alle partheyisch. Uebrigens muß mich die allgemeine Theilnahme allerdings freuen.
den ganzen gestrigen übrigen Tag muste ich mit dem Gehh: Rath Welper
vertrödeln, der Heute mein Gast ist. von der Mutter Beer habe ich auch einen gar lieben
Brief erhalten, in welchem sie dich gar mütterlich herzlich grüßt.
Nun! bist du
denn wieder gut? Brummmoppel? wirst du nicht wieder gleich gekränkt und beleidigt sein?
wenn ich einmal ein bißel zanke? nu, gieb mir nur ein gutes Bußel und damit Puntum, und
aus. Heute kriege ich nun wohl keinen Brief von dir, denn
du wirst noch schmollen. mit meinem Hals geht es so so. schaffe nur deinen Schnupfen
weg. Alles Wett was böse ist, und die Mukin quält, doch
Halt, da müste ich ja auch wett, denn sie sagt ich sei
böse und quäle sie. jagst du mich fort?, Etsch ich geh
niß, must mich jezt schon behalten.
Nun Gott segne dich + + +, sei brav,
heiter und guten Muths, und glaube fest, daß dich über alles innigst treu
liebt dein Carl.
Millionen Bußen. Grüße an Alle.