Wenn Sie, mein herzlieber Freund diese Zeilen erhalten so nehmen Sie recht
Ihre Nachsicht zur Hand, denn ich schreibe in einer Abspannung die nahe an Stumpfheit
gränzt, bei mir fast immer die Folge sehr anhaltend sich folgender Anstrengung ist, und
nach ein paar Tagen Ruhe wieder verschwindet. Sie werden sagen, ja dann muß man auch
nichts thun. das wäre sehr richtig, wenn man nicht ein DienstWesen wäre, das die freyen
Augenblikke nuzzen muß sie mögen aussehen wie sie wollen, und mit so einem graurokkigen
komme ich denn zuerst zu Ihnen, wohl wißend daß der wahre Freund am ersten vorlieb nimt
und aus eigenem Herzen das fehlende zuthut. d: 20t August als ich eben meine
JubelKantate vollendet hatte, Wollank aus Berlin mich mit einem
Besuche überraschte, kam auch noch zum Lohne, Ihr lieber Brief vom 18t. Wer da sich
hätte gleich hinsezzen und antworten können, so gut wurde es mir aber nicht. ich muste
den andern Tag nach Dresden, d: 27t ganz hineinziehenLaut Tagebuch am 28. August 1818., und nun
gieng die Plakerey los mit dem anordnen aller FestlichkeitenBetr. die Veranstaltungen zum 50jährigen Regierungsjubiläum des Königs welches durch die
Querköpfigkeit so Mancher mir sehr erschwert wurde. das Debut
der Mlle: Funk brachte mir die Elisabetta über den HalsF. Funk hatte sich zwei Jahre zur weiteren Gesangs- und Sprachausbildung in Rom aufgehalten und war u. a. in Rom und Neapel aufgetreten; vgl. u. a. den Bericht im Dramaturgischen Wochenblatt vom 26. Oktober 1816 sowie die Hinweise in der AmZ, Jg. 18, Nr. 23 (5. Juni 1816), Sp. 388, Jg. 19, Nr. 19 (7. Mai 1817), Sp. 323 und Jg. 20, Nr. 16 (22. April 1818), Sp. 287. Zu ihrem erneuten Debüt in Dresden nach der Rückkehr aus Italien am 10. September 1818 in der Titelrolle der Elisabetta vgl. die Notiz in der Abend-Zeitung vom 23. September 1818.. das
große Concert im Opernhause schien mir so dürftig ausgestattet,
daß ich mich entschloß noch eine recht eigentliche JubelOuverture dazu zu schreiben, welches ich auch glüklich zu Stande brachteZum Festkonzert am 20. September 1818 vgl. den Themenkommentar..
Kaum war das zu Ende muste ich noch Chöre, Marsch, Melodram zu
einem Gelegenheits Stük im Theater liefernZur Aufführung des Festspiels am 20. September 1818 vgl. den Spielplan in der Abend-Zeitung vom 7. Oktober 1820.. um die Confusion zu
vollenden, erschien Mad:
Catalani,
die mich als alten Bekannten für ihre Geschäfte in Beschlag nahmZum Hofkonzert am 18. September und dem öffentlichen Konzert am 21. September 1818 vgl. den Themenkommentar. Zu den nötigen Vorbereitungen vgl. auch Webers Tagebuchnotizen vom 13. bis 17. September 1818.. die Verhandlungen zwischen
dem Hofe und ihr zu führen war keine kleine Aufgabe um beide Theile zufrieden zu
stellen. dazu kam die Menge Fremden die mich belagerten pp. d:
23t endlich war unser Konzert zum Besten der Armen in der Neustädter Kirche. es gieng
alles gut, und meine Arbeit wurde freundlich aufgenomen. die Einnahme betrug über 1300
rh. Auf Antrieb H: Morlachis der den
Wunsch von Vielen vernommen hatte, sollte das Ganze d: 25t wiederholt werden, alle
Anstalten waren schon gemacht als es denen H: Tibaldi und Sassaroli einfiel zu erklären daß Sie zu ermüdet wären es zu
wiederholen – – Es macht viel Gerede in der Stadt, und nun möchten sie es gerne wieder
geben aber nun habe ich theils die Lust die vielmehr: dazu verlohren, und anderntheiles
ist es nicht mehr an der Zeit. Peters konnte sich nicht zum VerlageDer Jubel-Kantate entschließen,
Schlesinger übernimmt ihn, fast unaufgefodert. ich habe H: Prof: Wendt die Partitur mitgegeben, um sie Ihnen zur Ansicht mitzutheilen, an
Schulz werde ich wegen der Aufführung heute noch schreibenZur Aufführung der Jubel-Kantate in Leipzig am 19. Oktober 1818 vgl. die Presseberichte.. ich komme nun zu dem
Ueberbringerdieses. Es ist der sehr talentvolle junge Mann, von Boklet aus Prag, mit seiner Mutter der StadtRäthin Cottelka. Er leistet schon bedeutendes als Klavier und
Violinspieler, und wird erst recht fortschreiten wenn er sich für eines ausschließlich entschieden hat. Es ist der erste Ausflug dieses jungen
Mannes mit seiner in den Strudeln der KünstlerWelt unerfahrenen Mutter, die als die
geehrte Frau eines angesehenen Hauses in Prag deßen Wohlhabenheit man rühmt, sich
ängstlich und unbehaglich in dem Begleitungs Geschäft ihres Sohnes fühlt, den ihre Liebe
doch nicht allein in die Welt senden will. Haben Sie die Güte für sie, die Sie ja so
gerne jedem aufstrebenden Talent widmen, und schenken Sie ihnen Rath und BeystandBocklet gab zwei Konzerte im Leipziger Gewandhaus am 7. und 14. Oktober 1818; vgl. u. a. AmZ, Jg. 20, Nr. 43 (28. Oktober 1818), Sp. 763. Auf der Rückreise nach Prag trat er am 22. Oktober 1818 im Dresdner Theater auf; vgl. den Hinweis in der Abend-Zeitung vom 6. November 1818 und den Bericht in der AmZ, Jg. 20, Nr. 48 (2. Dezember 1818), Sp. 838..
H: und Fr: von Gutschmid haben wir in dieser
Sturm und Drang Zeit, nur flüchtig ein paarmal gesehen und mit Freuden die Bestätigung
Ihres Geistigen und körperlichen Wohlseyns erfahren. Sollte denn nicht bald zu hoffen
sein daß Sie nun auch die gehörige GegenVisite in Dresden machen? Eine große Freude
haben Sie mir dadurch gemacht daß Sie sich mir als den Verfaßer der Anzeige meiner Werke
offenbartenVgl. z. B. die Anzeige der Balladen und Lieder op. 47 in AmZ Jg. 20, Nr. 31 (5. August 1818), Sp. 557–559. wenn ich auch so etwas ahndete, so weiß ich doch nicht genau anzugeben,
warum ich mir es nie ganz zu glauben erlaubte. Wie freue ich mich auf die Anzeige der
Sonaten, und sollten Sie auch noch so scharf über mich Ihr RichterAmt ergehen laßen; wo
ich so wie hier, überzeugt bin, daß nur die reinste Ueberzeugung der Nothwendigkeit in
der Kunst Wahrheit mit einem theilnehmenden Herzen verbunden spricht, da halte ich
willig mein Haupt zur Strafe hin, denn es kann mir nur Nuzzen und Frommen bringen; und
ein Wort der Theilnahme wie Sie es hier in Ihrem Brief wieder so gar erquikkend und warm
ausgesprochen haben, ist das nicht genug um jahrelange Erbärmlichkeiten des Künstler
Geschmeißes mit Freuden zu verwinden? Ihre Frage ob Sie mit oder ohne Ihren Namen die
Rez: geben sollen, wäre füglich zu beantworten wenn Sie nicht der wären der Sie mir sind.
Einem Andern müste man mit verschiedenen HöflichkeitsFormeln darauf entgegnen, hier aber darf ich mich nur frey auf Ihr Gefühl
berufen; was Sie zur Unterzeichnung zu ziehen scheint, ich glaube daraus zu ersehen, daß
Sie es mir nicht durchaus geschenkt haben, und werde mit Freuden den edlen Richter im
offenen Helme erblikken der dann doppelt frey seine HerzensMeynung eröffnen kann.
Ueberhaupt was Sie thun ist wohlgethan, und für die so
zartsinnige Anfrage meinen treuen Händedruk des Dankes.
Im Hause ist Alles heiter und wohl, und grüßt
herzlichst achtend Ihre verehrte Gattin mit mir, dem frischen Herrn Studenten /: will
nicht gerade sagen dem H: Fuchs :/ mein Glück auf den Weg noch besonders, und Ihnen
immer wie immer die treuste
Liebe
Ihres
Weber
Dresden d: 27t 7b 1818.