Dresden, den 8t Mai 1820
Hochgeborner Herr Graf!
Hochgeehrter Herr General Intendant,
Durch die Gefälligkeit des Herrn Musikdirektor Hellwig habe ich das Vergnügen,
Ew. Hochgeboren die Chor-Stimmen nebst Chor-Partitur der Jägers-Braut zu übersendenLudwig Hellwig befand sich anlässlich der Premiere seiner Oper Die Bergknappen (27. April 1820) laut Webers Tagebuchnotizen vom 24. April bis 8. Mai 1820 gastweise in Dresden.. Es wäre schon im April geschehen, wenn nicht
überhäufte Dienstgeschäfte mich davon abgehalten hätten. Leider aber muß ich befürchten,
daß sie doch noch viel zu früh ankommen, denn man hat mir hier so viele unangenehme
Dinge über den verzögerten TheaterbauMarginalie von F. W. Jähns am Rand: des neuen Schauspielhauses in Berlin erzählt, daß ich in der Angst meines Herzens nur
von Ihrem vollgültigen Ausspruche Beruhigung erwarten kann. Viele sprachen sogar vom
Ende des Winters. – Der Himmel behüte mich vor so einem Donnerschlage. – Ich bitte
daher recht dringend um baldigste gütige Auskunft über diesen Punkt. Nun geht es mit Macht
über die Musik zur PreziosaMarginalie am Rand von F. W. Jähns: (Preciosa)! her. Das ist ein schwer u. bedeutend
Stück Arbeit, über eine halbe Oper. Bis wann wünschen Ew. Hochgeboren die Musik zu
haben?
Ich muß Ihnen doch einen kleinen Abriß meiner
Thätigkeit seit dem Januar geben. Ich habe außer häufigem Kirchen-Dienst, den 6 Gastrollen
der Mlle. WillmannCaroline Willmann trat in Dresden an sechs Abenden in fünf Rollen als Gast auf: als Königin der Nacht (9. April), Prinzessin in Johann von Paris (11. April), Constanze in der Entführung aus dem Serail (25. April), Elvira im Opferfest (2. und 9. Mai) sowie Emmeline in der Schweizerfamilie (4. Mai)., Wiederholungen älterer Opern p.p. neu in Szene gebracht: – – Emma di Resburgo, Alimelek, Die Wahl, I Akt. Der Wettkampf zu Olimpia. Große Oper. Die
Mißverständnisse; komische Oper, 3 Akte. Die Bergknappen, 2 Akte, u. in einigen Tagen
ist die falsche Catalani u. Ende Mai noch Richard LöwenherzPremieren (in Reihenfolge der Nennung) am 26. Januar, 22. Februar, 7. März, 16. März, 27. April, 14. Mai und 6. Juni 1820.. Ich hatte sehr darauf
gerechnet, endlich einmal an Mlle. Willmann eine erste Sängerin für die deutsche Oper zu bekommen, es ist aber rund
abgeschlagen wordenC. Willmann erhielt nach Abschluss ihrer Gastauftritte doch noch eine Anstellung für erste Singpartien, blieb aber nur bis März 1823 am Dresdner Hoftheater.. So erlahmt endlich der beste Wille. Ich hoffe bewiesen zu haben,
daß ich fast aus nichts etwas erschaffen kann, u. der Zulauf des Publikums u. die
Zufriedenheit der Kenner waren mein Lohn. Aber wo sollen noch die Werke herkommen, die
mit einem so beschränkten Personale auszuführen sind? – Doch still, auf dies Capitel
darf ich nicht kommen. – – –
Träufeln Sie, hochverehrter Freund, bald durch
gute Nachrichten Balsam in meine Künstler-Wunden, u. gedenken Sie freundlich deßjenigen,
der mit der vollkommensten Hochachtung u. Ergebenheit sich nennt Ew. Hochgeboren
ganz ergebener
C. M. von Weber.