## Title: 2. Aufsatz zum Lied der Brunhilde in „König Yngurd“ ## Author: Carl Maria von Weber ## Version: 4.10.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030985 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Auch der Sinn Einer Melodie kann durch Betonung und Bewegung nicht nur verändert sondern sogar so gänzlich vernichtet werden daß der Hörer durchaus nicht im Stande ist den Sinn den der Tondichter hineinlegen wollte zu errathen, da hingegen bei schlechter Rezitation eines Verses der aufmerksame Hörer doch allenfalls das schlechte Mißgreiffen des Redners augenbliklich fühlen und bei sich berichtigen kann. Die TonZeichen sind Mathematisch genommen richtiger das ihrer Wesenheit zukommende bezeichnend, als die geschriebene Rede, vorzüglich auch in der rhytmischen Bewegung ihrer TaktGlieder. Aber der verfehlte Rhythmus /[:] oder Bewegung :/ des ganzen Pulsschlags eines Stükkes, kann im Gefühl alles obige an und für sich richtig Beobachtete, wieder vernichten. Eben weil / ganz richtig nach Müllners Ansicht, die Musik nur Gefühle erweckt, so ist ihr die Bewegung wichtiger und heiliger als der Poesie. Die Rhythmische Bewegung, im Größern oder dem engeren Sinne, /: Tempo und Takt :/ giebt den Charakter, die Melodie und Harmonie die FarbeFarben und Gestaltung deßelben. Will die Musik mehr sein als Sprache der Leidenschaften, so thut sie mehr als sie soll, und dann ganz natürlich etwas Schlechtes. Exempla sunt odiosa. [S]tört Ändert oder vernichtet sie, mit der Rede verbunden, den Sinn des Dichters, so hat sie gefehlt. da ich nun das treu ihm und bei ihm nicht nach dem Sinne des Dichters gegeben habe, so kann ich nicht mehr thun als zu wiederholen, daß ich mich gern bescheide, meine Ansicht der nach seiner Erklärung unrichtige Ansicht, nicht aufdrängen zu wollen, sondern nur zu beweisen daß ich wohl wuste was ich that das weitere Urtheilen den Lesern zu überlaßen. Übrigens habe ich gar nicht mit dem Reiz des Tones dieser Noten wirken wollen. [/:] wie die der Melodie beigefügte Anmerkung wohl deutlich genug ausspricht :/ Auch habe ich ja in vorigem Aufsazze Beyspiele zur Auswahl H: Müllner vorgelegt mit denselben Tönen, und ganz die Längen und Gewichte nach seinem Willen. doch scheint ihm dieses auch nicht recht gefallen zu wollen. Ich sezze zur möglichsten Verdeutlichung die Stelle H. Müllners Willen wo möglich noch näher gebracht im Zusammenhange nochmals hieher. NotenbeispielJedem seine Kunst mit Ernst studirenden Künstler werden /[:] und von diesem nicht von dem Haufen kann ja wohl hier nur die Rede sein :/ werden die auf die Tonkunst bezug habenden Mathematischen, geometrischen pp Verhältniße mehr oder weniger bekannt und vertraut sein. Es ist ganz unrichtig daß die musikalischen Verhältniße der Noten, Töne und Tonarten nur die sogenannten Brüche 1/2 1/4 1/8 1/16 u: s: f: geben. es ist ganz falsch, daß die Musik zur Bezeichnung der Sylbenquantität nur Brüche deren Exponent die 2 ist, denn eine 1/3 1/5tel Note gäbe es nicht, hat. Zur Widerlegung nur folgende wenigen kurze Beweise. In Bezug auf Noten, oder /: Takttheile wird H: Müllner wohl meinen :/ In der Einheit des 3/8 Takts die Achtel Note […] und in dieser wieder die Sechzehntel Triole pp der 5/4 Takt / fünfgliedrige Melodie | Figuren, ungerechnet. Nun noch die unzählbare Menge der durch Syncopen pp zu erzeugenden TaktGlieder Verhältniße unter sich. In Bezug auf Töne. Die Erzeugung des Tones durch die Schwingung der Saite giebt z. B. den einfachen Dreiklang c. g. e. vermöge der Zahlen 1,1 1/3, 1/5 c. g. e. In Bezug auf Tonarten oder Klang Geschlechter so entwickeln sich diese aus der Bildung der Tonleiter und den einzelnen zu erzeugenden Tönen. in der ihnen zukommenden Reinheit geben sie Verhältnisse wie 1/30 e 1/32 f od. 1/24 c 1/25 cis. Daß der Redende die Zeitverhältnisse der Sylben und auch deren Betonung viel feiner u. unmerklicher abstufen kann ist, wohlverstanden die Formen angenommen die gegenwärtig für die Tonkunst festgestellt sind, ganz auch meine Überzeugung, Ziehen wir aber das enharmonischeunharmonische Klanggeschlecht od. die Art wie die Alten ihre Gedichte aller Wahrscheinlichkeit gemäß sangen, in unsern Bereich, so möchte auch hier nicht viel von dem Einen od. Andern Vorherrschendes zu geben sein. Was das Recht der Wiederholungen betrifft so ist es ein altes Wort, daß das beste u. am schärfsten schneidende Messer in der Hand des Unmündigen verderblich ist, deshalb bleibt es denn doch ein gutaber doch ein gutes Messer mit dem sich gar Herrliches schneiden u. bilden läßt. den 8ber 1817 C. M. vWeber An H: Hofr: Müllner geschikt d: 12t 9ber 1817 von Mannheim aus.