## Title: Städtecharakteristik: Baden-Baden ## Author: Carl Maria von Weber ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031123 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Ueber Baaden-Baaden.Ich stieg aus dem Wagen, als ein Freund von mir eben in den seinen steigen wollte. Wohin? rief ich ihm zu.wohin! rief ich ihm zu? – Nach Baaden, war die Antwort, und fort gings. Ich besuche einen alten Bekannten, und finde ihn beymam Einpacken. Sie verreisen? – Ja. – Wohin? – Nach Baaden. – Auf der Straße eilt mir höchst geschäftig ein anderer in die Arme und ruft: ach! daß Sie jetzt ankommen, da ich aufs schnellste fort muß, um noch Platz zu erhaschenbekommen; Sie können nicht glauben, wie voll es ist, und wie dringend man mir schreibt,man schreibt mir sehr dringend keine Zeit zu verlieren. – Ja, wo denn, von was sprechen Sie denn? – Mein Gott wie kannkönnte man von etwas andermanders sprechen, als von Baaden; leben Sie wohl, ich eile. – Fort war er. Wenn denn die ganze Welt nach Baaden geht (dachte ich), so kannst du ja auch deinen Wanderstab dahin richten. Das schöne Geselligkeitsleben eines besuchten Bades, so manche froh durchlebte Stunde schwebte mir vor, und voll der Hoffnung, diesesdieß alles in Baaden in hohem Grade wieder erneut zu genießen, überließ ich mich den sorgenden Händen der Postillone, die mich auch glücklich in Baaden am Badischen Hofe absetzten. Menschen fand ich genug, so viele, daß nirgends mehr unterzukommen war, daß manche Nacht funfzehen bis zwanzig Personen sich mit einem einfachen Strohlager begnügen mußten, bis andere Abgehende Platz machten, oder ein gefälliger Freund sein Lager mit ihnen theilte. Doch erhöhen solche kleine Ungemächlichkeiten den Werth eines so errungenen Genusses, und doppelt hofft man sich dann im fröhlichen Gewirre des andern Tages zu entschädigen. Aber leider fand ich darin meine Erwartung nicht befriedigt., denn Das gesellige offene Wesen, das jeden Tischnachbar zum alten Bekannten stempelt, und so reizend über die gewöhnlichen steifen Verhältnisse des Lebens erhebt, habe ich sehr vermißt. Die Anzahl der Badegäste ist so groß, daß sie sich in kleinere PartienTheile theilen muß, die nun wieder eine Art von geschlossenem ZirkelWesen bilden, zwischen denen sich der Neuangekommene ganz allein sieht, und welchen er sich nur nach längerer Zeit anschließen kann. Jedermann habe ich darüber klagen hören, aber eben so wenig habe ich Jemand bemerkt, der etwas dagegen gethan hätte. Das Hauptübel besteht nun wol darin, daß kein eigentlicher Vereinigungspunkt der Gesellschaft vorhanden ist, in welcher Hinsichtwo alle Bäder, die eine Brunnenkur nothwendig machen, den Vorzug haben, die Gäste unwillkührlich zusammenzuführen und zu vereinen. Das Promenadehaus ist fast der einzige Sammelplatz, der wahrhaftig nichts anders Anziehendes hat, als etwa einen Rouge et Noir-Tisch für Spiellustige, ein paar Zeitungs-Blätter für Politiker, und daher auch wenig besucht ist, und dann das neu errichtete Casino im Badischen Hofe, welches mit einem äußerst schönen freundlichen Lokale einige der gelesensten Zeitschriften vereinigt, und wo man alle Abende einen gewählten angenehmen Zirkel findet, der sich hoffentlich immer vergrößert und erweitert, je mehr | das Bedürfniß der gegenseitigen Unterhaltung die Bade-Gäste erfüllenvereinen wird. Die Entfernung dieser beiden Häuser von einander ist das einzige Unangenehme, und verhindert größtenteils mit das bedeutendere Emporkommen des einen oder des andern. Doch kann es nicht fehlen, daß das Casino mit jedem Tage besuchter und interessanter werden muß. An sonstigen Unterhaltungen fehlt es nun auch nicht. Die Schauspieler-Gesellschaft des Hrn. Dengler aus Freyburg gibt sich alle MüheEs ist die Schauspieler Gesellschaft des H: Denglers aus Freyburg hier, die sich alle Mühe giebt, die Zuschauer zufrieden zu stellen, und wirklich sind auch einige recht brave Mitglieder dabey, die – wenn nur nicht die Wuth hier existirte, bey ungefähr drey und einem halben Manne im Orchester Don Juan, Opferfest, Lodoiska etc. geben zu wollen – recht artigen Genuß verschaffen könnten. Denn um sich in solchen Opern, auf diese Art gegeben zu ergözen, müßten sie um vieles schlechter als von der Denglerschen Gesellschaft gegeben werden. Uebrigens gehe ich immer mit einer gewissen Angst vor Feuer oder Wasser hinein; denn unbegreiflich ist es, daß die Stadt so wenig gethan, und ihren Besuchern ein so aus ein Paar Bretern dünn zusammengeheftetes Häuschen hinstellen konnte, dessen Ritzen dem freundlichen Sonnenlichte den Eingang verstatten, und dessen einzige vorhandene Thür bey vorkommender Feuersgefahr den Ausgang bedenklich machenerschweren möchte. Da indessen das Fundament des Theaterchens sehr auf die Dauer berechnet scheint, so tröste ich mich immer mit der Hoffnung, daß es, an einen schicklicheren Platz versetzt, zweckmäßiger und solider wird gebaut werdensolider gebaut werden wird. Dem Tanzlustigen öffnet sich hier nun vollends ein weites Feld (wenn auch mitunter auf engen Sälen), denn Bälle sind alle Woche einige in der Sonne, dem Salm und dem badischen Hofe, außer andern mehrernMittwoch und Sonntag 2 in der Sonne und dem Salm, und außerdem noch andere. Ja sogar einen Maskenball hatten wir neulich in letzterem, der sich durch ein Paar hier beyfolgende Gedichte eines unsrer ersten Dichter interessant machte. Das Gebäude des Badenschen Hofes war nämlich ehemals ein Kapuziner-Kloster, und auf dem Ballsaale (der ehemals, glaube ich, zur Kirche diente) erschien ein Kapuziner, welcher sich nicht wenig über das Wesen und Treiben an dieser Stätte zu ärgern schien. Er vertheilte folgende Strophen:, Concerte pp: fehlen auch nicht, nur war leider, und unbegreiflicherweise noch kein Declamatorium. O Greuel! Hier, wo wir sonst Gott verehrten, Die Orgel fromm in unsre Feste klang, Wo mancher Geist sich aus den grambeschwerten Regionen auf zum lichten Himmel schwang! Hier seh' ich nun die wilden, die verkehrten Gemüter frech berauscht in Lust und Sang! Die stille Kirche muß so hell erglänzen, Musik ertönen zu den flücht'gen Tänzen?Eine andre Maske gab dagegen folgendeAntwort an den Kapuziner. Mein Freund, es zürnt kein Gott dem leichten Leben, Das gern vergißt, wovon es oft gequält; Beglückt, wenn alle Tage Freuden geben, Daß er nach Lust und Scherz die Stunden zählt! Der darf so hoch den frohen Muth erheben, Den Glauben, der ihn gegen Leiden stählt, Daß, wo sich arglos gute Menschen freuen, Die heil'gen Tempel Gottes sich erneuen.Zum TrosteTrost aller Freunde Ihres Leichnams kann ich auch noch mit Recht versichern, daß man durchaus sehr gut ißt und trinkt, daß die Gasthöfe bequem, wohlfeil und gut bedient sind. Der Badische Hof, der Salm und die Sonne sind die vorzüglichstenDie vorzüglichsten sind der Badische Hof, der Salm, die Sonne pp:. In allen diesen ist der Tisch gleich gut; aber in Hinsicht des Lokals erhebt sich der Badische Hof weitweit erhebt sich in Hinsicht des Locals der Badische Hof über die andern: der schöne hohe Speisesaal, der sein Licht von oben erhält, der geschmackvolle Casino-Saal und die schönen steinernen Bäder, die in den andern Häusern nur von Holz, und in finstern Kämmerchen gefunden werden, müssen diesen Gasthof von Jahr zu Jahr besuchter und beliebter machen; auch haben künftig die Gäste Hoffnung, da gewiß unterkommen zu können, weil außer den schon vorhandenen 60 Gastzimmern noch eine bedeutende Anzahl dazu gebaut werden wird.die schönen steinernen Bäder, da die in den andern Häusern nur von Holz, der geschmakvolle Casino oder Conversations Saal, wird ihn von Jahr zu Jahr besuchter machen, und auch haben die Gäste künftig Hoffnung da gewiß unterkommen zu können da außer den schon vorhandenen 80 Zimmern noch 60 dazu gebaut werden. Was dieses unendlich überwiegtAlles dieses überwiegt unendlich und wird Baden immer zum ersten Range der Bäder und zu einem ewig besuchten Orte machen wird – ist die einzig schöne Natur, von der es umgeben ist, die einzig schöne Natur die Baden umgiebt. Ich kenne manches Bad, aber noch nirgends habe ich so mannigfaltige Gegenden um einen Ort vereinigt gefunden. Freundliche und erhabene Aussichten, Berge und Felsen auf der einen, liebliche Ebenen auf der andern Seite, die Nähe des herrlichen Murgthals etc., alles dieses sind unvergängliche Vorzüge,Schönheit, und haben Baden schon den Römern werth gemacht, und werden es auch jetzt und ewig den Galliern und Germanen theuer erhalten. Häufig theilt sich daher auch die Gesellschaft in kleine Landpartien, von denen Jeder befriedigt und erfreut zurückkehrtund befriedigt und erfreut kehrt jeder von da zurük, indem er in seine Heimath dann das Andenken und den Wunsch es wieder zu sehen mit sich nimmt. #lb#Den 3 August 1810.#lb#Melos.