## Title: Aufführungsbesprechung: „Der Wasserträger“ von Luigi Cherubini am 30. Juni 1811 in München ## Author: Carl Maria von Weber ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031140 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Bruchstücke#lb# aus dem Briefedes Briefes eines Reisenden.Stelle Dir meine Freude vor, als ich auf meinem Durchfluge durch München am 30. Juni auf der Wirthstafel den Komödienzettel mit dem Zauberworte Armand liegen sah – und wären meine Geschäfte noch zehnmal dringender gewesen, als sie es wirklich waren, so hätte mich der Gedanke an die Aufführung dieser göttlichen Musik von dem Münchener Orchester fest gehalten, und im Vorgefühl der zu schöpfendenschlürfenden Wonne, rief ich dem Postillon zu – heute ist der Wasserträger! ich kann noch nicht reisen; er sah mich verwundert an und begriff endlich die Unmöglichkeit weiter zu reisen, durch die überzeugenden Gründe von ein paar ihm in die Hand gedrückten 24ger24gern besser, als durch meine Exclamation. – Ich war der erste im Theater, pflanzte mich voll Erwartung in die Mitte des Parterrs und harrte so, begierig der Töne, von denen ich im Voraus wußte daß sie mich aufs neue erheben und begeistern würde[n]würden. Dreist glaube ich behaupten zu können, daß Armand ein ächt dramatisches klassisches Werk ist. Alles ist aufs effektvollste berechnet, alle Musikstücke sind an ihrer Stelle, so daß man keines weglassen und keins dazu thun kann. Lieblicher Reichthum von Melodien, kräftige Deklamation und eine alles ergreifende Wahrheit in Auffassung der Situationen wird diese Oper ewig neu, ewig gerne gesehen erhalten. Ich habe sie oft auf beynahebeynah allen guten deutschen und französischen Bühnen gesehen, daß ich sehr begierig und sogar überzeugt war, hier werde man eine solche Oper mit großer Vollendung geben. Die Ouverture begann und ließ mich das Schönste hoffen, denn wahrlich sie wurde mit einem Feuer, einer Nettigkeit und einer Kraft vorgetragen, wie sie nur das Münchner Orchester zu leisten im Stande ist, und jubelnd stimmte ich in den rauschenden Beyfall des Publikums mit ein. (Man hat hier Trompeten zu der Ouverture gesetzt und ich glaube auch, daß sie im Allegro Effekt machen können, aber im Einleitungs-Adagio sind ohnstreitig in dem letzten allgewaltigen Crescendo die einzelnen Stöße bloß von dem Horn vorgetragen von besserer Wirkung und mehr der Steigerung des Ganzen angemessen, besonders wenn dann mit dem Schlage E Dur erst die Trompete einträteTrompeten einträten.) Das erste Terzett sah ich zu meinem Erstaunen in ein Duett verwandelt. Ich traute meinen Ohren nichtallein, sondern nahm mein Perspektiv zu Hülfe und sah denn da dann auch, daß der Vater des Wasserträgers nicht sang. Ich kann nicht läugnen, daß mich eine gewisse Unbehaglichkeit befiel, wenn ich miran das Finale des ersten Aktes dachte – ohne Baß! sollte denn das Personale nicht noch einen Baß-Sänger zu dieser Rolle haben liefern können? – – Das Terzett zwischen Armand, seiner Gattin und Mikaly ist stark gestrichen, doch entschädigt der gute Vortrag. Das Duett zwischen Armand und Constanze wurde stellenweise vortrefflich gegeben. Die Momente sind anfangs aber ganz vergriffen, denn in dem Augenblick wo der | Wasserträger von einem kurzen Scheiden der beyden Gatten spricht, fällt die Musik ungestüm ein, und Constanze ruft ergriffen von dem ihr unerträglichen Gefühle der Trenges, aus: "Ich sollte von dir mich trennen! -etc. Bey dem Finale des ersten Aktes war Mikalys Vater nicht sichtbar. Sollte der keinen Antheil nehmen? – Und wo hält sich der alte schwache Mann auf während dieser Scene? – Höchst unangenehm ward ich aber durch eine Verballhornung der Composition im Finale überrascht. Eine der himmlischsten Stellen wird aus mir völlig unbegreiflichen Ursachen ganz ihrer Würkung beraubt. Nachdem der Wasserträger mit Marzelinnen zankt, unwillig über ihr Widerstreben ist, und sie in Thränen ausbricht, soll nach diesem Fortissimo ein Klarinet ganz allein eintreten und die Melodie: [Achtelpause], c, c, Es, d, c, vortragen, worauf erst das Fagott und dann das Violoncell dazutritt, und der Bruder, seine Schwester tröstend, und bittend zu singen anfängt. Diese Stelle ist überall von der höchsten Wirkung. Hier bläßt nicht nur die Oboe diese Stelle (durch welchen ganz andern Ton schon der Zweck des Componisten verfehlt ist,) sondern man hat auch noch ein Accompagnement dazu gesetzt. so wie auch zu den paar Noten D. die Antonio und später Mikaly allein zu singen haben, noch einige Achtel in die Violinen dazu gemacht wurden. An Orten, wo es an guten Klarinettisten fehlt, ließ ich mir es noch höchstens gefallen, daß diese Stelle von der Flöte vorgetragen wird; aber daß man eine Begleitung dazu setzt, ist unerhört, und ich hoffehoffe ich es von den anerkannten Einsichten des Herrn Direktors FränzlFränzels, daß er diesen großen Mißgriff, für dessen Existenz er nichts kann, verbessern wird; und, mit mir vereint bitten gewiß alle Verehrer der Cherubinischen Musik darum. Die sehr schwierigen Chöre im 2. Akte gingen vortrefflich. Mit Präzision und Feuer wurden sie gesungen und gespielt; überhaupt war der 2. Akt gerundeter und lebendiger. Im dritten Akte hatte ich wieder Gelegenheit, einige schöne Stellen, die weggelassen wurden zu bedauern, nämlich die paar Worte der Pachterstochter: „Ach, Antonio kommt noch nicht!“, durch deren Wegbleiben die Musikstellen so planlos aufeinanderstoßen. Die Schauspielerin, die diese Rolle gab, hätte, da sie doch einiges sang, wohl diese Kleinigkeit, die es auf der Szene nicht ist, auch noch singen können. Am auszeichnungswertesten war Herr Muck als Wasserträger; er gab den biedern, fröhlichen, offenen Kopf, der durch das Bewußtsein einer guten Tat sich zu allen Wagnissen ruhig befähigt fühlt, sehr brav, und der laute Beifall des Publikums zeigte ihm das Anerkennen seiner Bemühung. Wenn ich Dir viel von dieser Oper vorgeplaudert habe, so bedenke, daß man von solchem Meisterwerke nie genug sagen kann, und daß ein so eifriger Kunstfreund wie ich auf Deine Nachsicht rechnen kanndarf. Dein Freund. #lb#M – s.