## Title: Über die Sängerin Marianne Schönberger, Gastspiel in Weimar ## Author: Carl Maria von Weber ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031172 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Madame Schönberger in Weimar.Auch uns ward das Vergnügen, Mad. Schönberger, geb. MarconiM: Sch:, in drei Gastdarstellungen, als Murney, Joseph und Titus zu bewundern. Ihr vorausgegangener Ruf, und die vielen, sich oft höchst seltsam widersprechenden UrtheileMeynungen und Urtheile über ihre Stimme und das dadurch neugeschaffene Rollenfach für ein weibliches Wesen, – spannte die Erwartungen des Ref. auf dasaufs äußerste. Er suchte sich sehr davor zu hüten, irgend eine vorgefaßte Meinung mit in das Schauspielhaus zu bringen. Er kam mit jener ruhigen Stimmung, die für jeden zu erwartenden Eindruck empfänglich, und allein fähig ist, besonnen darüber zu urtheilen. Die ersten Töne der Mad. Schönberger überraschen sehr, durch das Neue der Erscheinung;und zwar nicht ganz angenehm. aber in kurzem gewöhnt sich das Ohr daran, und man ist dann im Stande nicht nur dem schönen gefühlvollen Vortrage und anständigen richtigen Spiele volle Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, – nein, man wird gewiß auch von der mei | stens vortrefflichen Methode, der Biegsamkeit der Stimme, und den beinahe stets sehr schönen und richtig vertheilten Verzierungen, zu lautem Beifall und Enthusiasmus hingerissen. Wie man übrigens nur je einen Augenblick darüber zweifelhaft seyn konnte, ob Madame Schönberger eine Tenorstimme habe, – ist Referenten unbegreiflich. Die Natur müßte in der Bildung der Stimmwerkzeuge, hier eine noch nie Statt gefundene Ausnahme gemacht haben. Mad. Schönberger besitzt eine der schönsten, vollsten, klingendsten Altstimmen. Der Mangel an bedeutenden, für einen solchen UmfangUmfange geschriebenen Rollen, bestimmte Sie (nach Ihren eigenen bescheidenen Aeußerungen) zu Versuchen in Männer-Rollen – in höheren Tenorpartien. Der erfolgende Beifallund der Erfolg krönte Ihre Unternehmung, obwohl Niemand behaupten kann, daß Sie den eigentlichen Tenor ersetzen könnekönnte. Wenn Sie auch dieselben Töne beherrscht, so beherrscht Sie sie doch in andern Verhältnissen. Es ist (akustisch zu sprechen)nach akustischen Grundsäzzen wohl dieselbe Quantität im Tone, aber eine andere Qualität. Es ist dasselbe, als wenn z. B.Ja daßelbe ist es, wenn eine Melodie auf der Violine oder Bratsche (Alt) in dem Umfange der Octave vom tiefen g bis zumzu dem eingestrichenen, vorgetragen wird; sie gewiß viel tiefer zu klingen scheinen wird, als dieselbe Melodie, in denselben Tönen, auf dem Violoncell (Tenor) gespielt. Da, wo eine Männerstimme in Ihrer natürlichen Lage und Bequemlichkeit singt; wo sie noch mehrere Töne nach oben und unten bis zu ihrer Gränze hat, – ist schon die äußerste (tiefste) Gränze der Altstimme. und eben so umgekehrt. Die stete Uebung der Mad. Schönberger, Ihre Stimme in der tiefsten Region derselben zu gebrauchen, gab Ihr natürlich endlich auch eine für Altstimmen ungewöhnliche Kraft in der Tiefe. DochTiefe; aber ewig wird man doch da das Mettall vermißen was nur einer Männerstimme in jener Lage eigen ist. Auch ist M. Sch. durch die bey diesen tiefen Tönen nothwendige, etwas unnatürliche Oeffnung der Luftröhre genöthigt, sehr oft Athem zu holen, um die erforderliche Kraft jedem Tone geben zu können. Ref. kann nicht beßer es bezeichnen als mit einem Vergleich aus dem Orgelbau, die Lufterzeuger /: Blasebälge, Lungen :/ sind nicht ursprünglich auf diesen großen Luftstrom berechnet der bey der Erzeugung der tiefen Töne, nach akustischen Grundsäzzen nothwendig ist. in den höheren Regionen hingegen, in den Tönen f, g, a etc. des Te | nors, entfaltet sich die Stimme der Madame Schönberger in Ihrer eigenen schönen Sphäre, und da diese Töne selten von Tenoristen, mit vollkommner Leichtigkeit, ohne die Hülfsmittel der Kopfstimme, des, Falsets etc., erreicht und beherrscht werden, so ist natürlich hier bei Mad. Schönb. ein großer Reiz und Zauber zu finden, und die Täuschung für den Zuhörer am größten. Schnell verwischt ist aber der gute Eindruk von M: Sch: wie sie ein paarmal in Fermaten, Verzierungen that über die möglichen Gränzen der Männerstimme hinaus ins Reich des Diskantes geräth. Freylich ist es eine große Versuchung, einen großen Umfang zeigen und dadurch überraschen zu können, aber von einer so einsichtvollen Künstlerin läßt sich das Vermeiden dieses Mißstandes doch künftig erwarten. Eine weitläufigere Auseinandersetzung könnte Ref.Ref: könnte eine weitläufigere Auseinandersezzung zu weit führen, und er muß jetzt schon befürchten, seine Leser zu sehr ins Abstracte geleitetgeführt zu haben, wo ihn nur das Anziehende und Interessante des Gegenstandes, über dessen Verfolgung man sich leicht selbst verliert, – entschuldigen kann. Die Rolle des Murney gab Mad. Schönb[.] mit einer Vollendung im Gesang und Spiel, bei der fast nichts zu wünschen übrig bliebbleibt; eben so gerechter Beifall wurde ihr in der Rolle des Joseph.im Joseph mußte Ref: die sonderbare mit d. Sache in scheinbarem Widerspruch stehende Bemerkung häufig hören, daß die Sch: beynah zu männlich [in] dieser Rolle sey. es läßt sich hierüber nichts sagen, aber etwas wahres liegt darin. Als Titus entfaltete die geschätzte Künstlerin, welche eben so ausgezeichnet als anspruchslos ist, ihre ganze Kunstfertigkeit und entzückte allgemein; wozu ihr vortreffliches, gedachtes, würdevolles Spiel das Seinigeviel beitrug. Auch wurde Sie durch ihre Umgebungen würdig unterstüzzt besonders von der Künstlerin die den Sextus mit gewohnter Vollendung gab. #lb#Im November 1812.#lb#T. f. z. Z.