## Title: Dramatisch-musikalische Notizen (Prag): „Die Jugend Peters des Großen“ von Joseph Weigl ## Author: Carl Maria von Weber ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031190 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Dramatisch-musikalische Notizen.Als Versuche, durch kunstgeschichtliche Nachrichten und Andeutungen die Beurtheilung neu auf dem landständischen Theater erscheinender Opern zu erleichtern, von Karl Maria v. Weber, Direktor der Oper am landständischen Theater.#lb# (Fortsetzung.)Dienstag den 26ten Dezember erscheint zum Erstenmal auf unserer Bühne: Die Jugend, Peters des Großen, eine Oper in 3 Akten nach Bouilly, frey bearbeitet von F. Treitschke, mit Musik von Weigel Ich brauche wohl nur den Namen des Komponisten zu nennen, um damit eigentlich aller weiteren Erklärung und Andeutung überhoben zu seyn. Das Publikum, das sich Herr Kapellmeister Weigel durch seine liebliche Ideenfülle und Effektkenntniß gewonnen hat, wird mit Vergnügen einem, der letzten Erzeugnisse seiner Muse entgegensehen, die nach einer Art von ruhendem Stillstande von der Komposition der „Schweizerfamilie“ an, eine neue Richtung und Gang gewonnen zu haben scheint, wenn man ihre Schöpfungen seit dieser Zeit mit den früheren Epochen dieses Künstlers zusammenhält. Es ist immer anziehend zu sehen, wie Künstler und Publikum einander gegenseitig formen, bilden und leiten. Wie ein gelungenes Werk, das die Aufmerksamkeit der Welt auf sich zog, nicht nur Nachahmer und Nachäffer von allen Seiten entstehend macht, sondern wie es auch den Schöpfer desselben bestimmt, auf dem einmal mit Erfolg betretenem Wege fortzuschreiten, und sich lieber denen sicher den Effekt bewirkenden Mitteln zu vertrauen und sie beyzubehalten, als durch neue Versuche den schönen lockenden Beifall des Augenblicks und der Zeitgenossen aufs Spiel zu setzen. Die in die erste und italienische Epoche dieses Meisters fallenden Werke unterscheiden sich bedeutend von seinen letzteren in Styl und Haltung[.] Beyde haben ihr Publikum gefunden, und auch in Prag sind „der Korsar aus Liebe“ und „die Schweizerfamilie“ Lieblinge der Theaterbesuchenden. Der Ton und die Farbe, die in letzterer Oper lebt, hat sich im Komponisten auch bey dieser neuen forterhalten. Einfach schmeichelnde Melodie mit allem Reiz, der ihm seit erwähnter letzteren Epoche eigentümlich gewordenen Instrumentation werden auch ihr Freunde sichern. Vor allen muß ich der Ouverture als eines ungemein klar gehaltenen, feurig strömenden Musikstückes voll Instrumental-Effekt erwähnen, die ich für eine der gelungensten dieses Meisters halte. In Hinsicht der Behandlung des Stoffes, der die interessante Zeit des sich selbst zum Schiffszimmermann machenden Czaars, der kein Mittel zur Beförderung seines großen Zwecks für ihn erniedrigend hält, umfaßt, ist die Hand des sie ursprünglich bearbeitenden Franzosen unverkennbar, der seine National-Galanterie gern selbst dem rauhen kräftigen Herrscher angemodelt hätte. Herr Treitschke hat dagegen Manches neueren Beziehungen näher zu rücken versucht, wozu auch die Zeit, in der die Oper geschrieben wurde, nämlich während der Anwesenheit der erhabenen Monarchen in Wien, veranlaßt haben muß, und dem Interesse des Ganzen nur zuträglich seyn kann, da alles zunächst Liegende und ihn umgebende der Mensch willig in freundlicher Anregung wieder vor sich sieht, und durch Phantasie so gerne Vorzeit und Gegenwart beziehend vereinigt.