WeGA, Rezeptionsdokumente, Digitale Edition Ansichten Carl Maria von Webers bei seiner Komposition der Wohlbrückschen Kantate <q>Kampf und Sieg</q> Carl Maria von Weber Veit, Joachim Stadler, Peter

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ausführliche Ausführungen Webers über die Komposition seiner Kantate; ausgehend von einem Tonartenplan und Überlegungen zur Instrumentation; Hauptaugenmerk lag auf der Darstellung der Gefühle der menschlichen Natur; danach folgt dataillierte Beschreibung der einzelnen Teile des Werkes Unter dem 11. Februar 1816 vermerkte Weber im TB die Anfertigung von 6 Kopien des Aufsatzes. Er versandte ihn laut Tagebuch am 17. Februar 1816 an Rochlitz und am 18. März 1816 an Gänsbacher; im Brief an Gottfried Weber vom 17. September 1816 heißt es: … da dir Gänsbacher damals meinen Aufsaz über meine Kantate nicht schikte, so lege ich ihn dir hier bey da ich ihn habe mittlerweile in Berlin drukken laßen vide No 1. Laut Tagebuch vom 14. Juni überarbeitete Weber den Aufsatz und es ist anzunehmen, dass er ihn vor seiner Abreise aus Berlin am 9. Juli 1816 drucken ließ. Weiterhin verschickte er den Aufsatz an Romberg (17. August 1816), Haßloch (14. September 1816), Prinz Friedrich (16. Februar 1817), Eberhard (3. April 1817) und Miltitz (23. April 1817); weiterer überlieferter Nachweis des Druckes ist die Beilage zum Brief von Weber an Ignaz Franz Mosel in Wien vom 7. Februar 1817.

D; Leipzig; Stadtarchiv; MT/1038/2007; Meine Ansichten bei Composition der Wohlbrückischen Cantate Kampf und Sieg, für meine Freunde niedergeschrieben den 26. Jänner 1816, in Prag, Separatdruck Berlin 1816

D; Berlin; Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung; Weberiana Cl. II A f 3. 21α

GB; London; The British Library; Add. MS 47843, fol. 60

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Deutsch Niederschrift (laut A) am 26. Januar 1816; 26./ 28. Januar 1816 (laut TB); 17. Februar 1816 (Versand laut TB) geprüft, weitere Auszeichnungen und Kommentar, Status erhöht 3. Textzeugen eingetragen mit Entwurf verglichen und Abweichungen als Apparat vermerkt Text korrgiert nach ED Text eingefügt und ausgezeichnet und Korrektur gelesen nach Hell mit Schriftenliste abgeglichen Initiale Transformation aus der Schriftenliste.xml (Ticket #813)
Meine Ansichten bei Composition der Wohlbrückischen Cantate Kampf und Sieg, für meine Freunde niedergeschrieben den 26. Jänner 1816, in Prag.

Als ich in den letzten Tagen des July 1815 zu München mit Wohlbrück den Entschluß faßte, obige Cantate zu schreiben, waren wir beide so erfüllt und entglüht von den großen Weltereignissen der letzten Zeit, daß wir glaubten, diesen Stufengang der seltensten und wechselndsten Gefühle in unserm Kunstwerk niederlegen zu müssen, damit, indem es diese Gefühle, als die gewiß damals allgemein herrschenden, dem Hörer wieder vor die Seele führe, es ihn gleichsam jene vergangene Epoche im gedrängten Überblick nochmals durchleben lasse. Daß diese Absicht eine in manchem von dem gewöhnlichen Cantaten-Zuschnitt abweichende Form geben mußte, war natürlich, und es war bei dieser Aufgabe das Schwierige, daß, jenes uns vor Augen stehende Bild auch eben so klar dem unbefangenen Hörer, der durch nichts als den Titel aufmerksam gemacht den Saal betritt, dargestellt werde.

Eine mehr als gewöhnliche Annäherung an das Dramatische war das Erste, was sich als Hinderniß dem Componisten in den Weg warf, wiewohl eben diese Annäherung, die bei der Verbindung der durch vorgehende Thatsachen erweckten und sogleich ausgesprochnen Gefühle, unvermeidlich geworden war, der Sache neues Leben einhauchen mußte; und nur die Schwierigkeit, die oft kontrastirenden und sich selbst in den Gefühlen widerstrebenden Theile, ohne das theatralische Hülfsmittel des Auges, deutlich gesondert zu vereinigen, schien ihm die größte.

In wie weit ich dieses erreichte muß der Erfolg und das Urtheil der Kenner einst bezeichnenVgl. die Aufführungsbesprechungen sowie AmZ, Jg. 18, Nr. 6 (6. März 1816), Sp. 153–158 (einschließlich Textabdruck) zur UA am 22. Dezember 1815 in Prag; des weiteren die Besprechungen der Aufführung am 18. Juni 1816 in Berlin..

Um dem raschen Fortschreiten des Ganzen keinen Einhalt zu thun, wurde aller Schmuck einzelner ausgeführter Sologesang-Stücke (Arien, Duetten etc.), wie in anderen Cantaten, verschmähet, und als störend verworfen.

Ehe ich an die Ausführung des Einzelnen ging, entwarf ich mir den großen Plan des Tongemäldes durch Bestimmung seiner Hauptfarben in den einzelnen Theilen. Ich schrieb nämlich mir genau die Folge der Tonarten vor, von deren berechneten Ineinandergreifen ich mir Wirkung versprach. Ich wog streng den Gebrauch der Instrumentation ab, zumal da ich mir die Grenzen eines gewöhnlich stark besetzten Orchesters vorgeschrieben hatte, theils um es allgemein ausführbar zu machen, theils um nicht durch einen mir der Kunst unwürdig scheinenden Aufwand kleinlicher Hülfs- und Knallmittel, ihrer alleinigen Kraft zu wenig zutrauen wollend zu scheinen. Weder das Kanonen- und Kartätschenfeuer, noch das Geheul der Sterbenden wollte ich schildern, sondern die Gefühle der menschlichen Natur bei einer solchen großen Begebenheit. Durch Melodien, die als jeder Nation rein angehörig in Aller Mund und Ohren sind, die einzelnen Völker so schnellverständlich und treffend als möglich zu bezeichnen, war nächstdem mein Hauptaugenmerk. –

Ich gehe nun zum Detail über, dessen Zergliederung alles oben Gesagte in gehöriges Licht stellen wird. – Euch, meine Freunde, die ihr mich kennt, ist wohl die Bemerkung überflüssig, daß wenn ich öfters die Worte: groß, edel, etc., bei Bezeichnung meiner Melodieen brauche, ich damit nur den Willen, sie so zu geben andeuten wollte. Gott sei Dank! noch stehe ich hoffentlich im Vorwärtsschreiten; denn noch vor Kurzem habe ich an einem Gemüthsmesser in der Musik. Zeitung (dem Aufsatz über die Unzufriedenheit des Künstlers mit sich selbst Nr. 35. 1815Vgl. AmZ vom 30. August 1815 (Jg. 17, Nr. 35), Sp. 581–590) gefunden, daß ich noch im gehörig vollkommenen Maße unzufrieden mit mir bin.

Der Geist der musikalischen Einleitung ist (D moll, außer dem Quartett bloß 4 Horn, Fagott und Pauken) abgerissen, stürmisch, klagend, auffahrend in einzelnen Akzenten, erhebt sich gegen das Ende zu hoher Kraft, und verschwindet wieder in unwillig verschlossenes Pochen gleichsam. Enthält auch Vorgefühle und Ahndungen der Dinge, die da künftig kommen müssen, z. B. die Stelle: nur enger und enger umdrängt der Dränger. Hierauf der volle Chor (auch D moll) reißt wieder sich die Zwietracht los, in voriger Stimmung erhalten.

Beruhigend spricht dann der Glaube (B dur mit Clarinet- und Fagott-Melodie, als Baß-Recitativ) Völker verzaget nicht; hieran schließt sich das Terzett (von Discant, Tenor und Baß, G dur) Brüderlich Hand in Hand mit obligaten Violoncellen. Ein stürmisch eintretendes Ritornell, das immer langsamer, und kräftig gesammelter wird, leitet den Krieger-Chor (C dur) ein. Bei den Worten Horch! das war Freundes Jubelklang, ist im Vorbeifluge der österreichische Grenadier-Marsch eingeflochten, und mächtig und kräftig schließt der Chor mit den Worten Die Hyder in den Staub gedrückt, – in den Staub! (ohne Trompeten und Pauken.)

Nun kommen zwei dumpfe Paukenwirbel auf den Ton E, dann ein übermüthiger Marsch des Feindes aus A dur, von Piccoli, Oboi, Corni und Fagotti, kreischend instrumentirt, vorgetragen; dessen bekannten Rhythmus 6/8 vorher eine Trommel durch 8 Takte angiebt. In diesen Marsch nun das Gebet der Krieger zu verweben, war die Aufgabe, welche ich so zu lösen glaubte, daß ich das Gebet in langen Akzenten, und anders musikalisch fallenden Einschnitten, als die des Marsches, von einander unabhängig und jedes für sich bestehend machte. Der Marsch endiget, und näher rücken nun die unheimlichen Vorboten von etwas Unheil gebährendem, in einzelnen Signalen, bis endlich (D moll) die Schlacht hereinbricht, und bis zu einem gewissen Ersterben forttobet, worauf das übermüthige ah, ça ira (D dur) mit Blas-Instrumenten frech eintritt. Dazwischen der Ausruf der Krieger der Feinde Spott? nach welchem das ganze Orchester das ça ira ergreift und mit höllischem Jubel in gemeiner Trompetenfreude endet. Pause – dann einzelne Hornstöße in Es und hoch B, wozu ich die ächt Preußischen Jäger-Signale, als "Feind entdeckt, Avantgarde vor, Masse formirt, Angriff etc.", benutzt habe. Dazu die Krieger, beinahe nur deklamirend "Ha welch ein Klang," die Singstimmen allein, mit der Melodie meiner Composition von Lüzows wilde Jagd von Körner , bei den Worten O Himmelslust in Todesdrang, das ist Freundes muthiger Schlachtengesang. Jetzt stürzt (in Es dur, und zum erstenmal mit 3 Posaunen) die erneuerte Schlacht herein. Kaum haben die Krieger die ersten 4 Zeilen den Kampf erneut gesungen, so tritt schon das freche, sich Sieger wähnende ça ira wieder ein, wird aber augenblicklich von denen darauf einstürzenden Akkorden des ganzen übrigen Orchesters erdrückt, in immer kürzeren Abschnitten, bis es endlich ganz erliegt, und die Musik fortmodulirt in seltsamen Weisen, daß der Zuhörer nirgends das Unbestimmte festhalten kann, bis endlich in E dur mit dem Schlag der zum erstenmale eintretenden türkischen Musik das Hurrah fürchterlich erschallt, nach den Worten Setzt an den zersprengten flüchtigen Troß, den letzten Hauch von Mann und Roß sich wiederholt, und dann alle Blas-Instrumente, Trompeten und Posaunen das erhabene god save the King anstimmen, während dessen das Saiten-Orchester, Trommeln etc. die Schlacht fortraset und endlich erlöscht. Die Rhythmen und Instrumental-Figuren verbinden sich hier so seltsam, daß der unmittelbare Uebergang vom raschen alla breve Takte zum 3/4 unmerklich ist, da im letzteren die 4tel dasselbe Gewicht bekommen, was vorher ein ganzer Takt hatte, und die Zwei und Dreißigstel Noten so geschwind wie die vorigen 8tel sich bewegen. So glaube ich die wahre Größe eines edlen deutschen und englischen Volkes im Gefühle des Sieges, das die Seele dankend zuerst zum Himmel emporhebt, im Gegensatze zu der teuflisch frechen Freude des Feindes, wahrhaft bezeichnet zu haben.

Mit 3 Violoncellen, Posaunen etc. in feierlich einfachen Accorden tritt nun der Glaube auf, (im C dur, Recit.) Söhne des Ruhms bis er mit den Worten schließt, "preisen euch als der Jahrhunderte Glanz." Nun nimmt der Diskant die Worte auf wo ewiger Friede ist, der Tenor "wo keine Thräne fließt," der Baß sich jede Wunde schließt, alle drei dort in der Unsterblichkeit etc mit Recitativ-Schluß zu dreien, bei lohnt euch der Kranz, dann sagt der volle Chor (unisono F dur) das Wort des Herrn ist Felsengrund, hierauf einfache Melodie von Clarinet und Fagott, die dann drei Solostimmen auffassen "wo auch nur zwei im festen Bund etc." Dann Ritornell voll frischen Muthes in D moll, und die Worte die ihr des Unterdrückers Macht bis preißt Völker Gottes Namen als Diskant-Recitativ behandelt; hierauf der volle Chor ohne Instrumente, mit einer Choral ähnlichen Melodie zu den Worten Herr Gott dich loben wir, die später das Fugenthema wird, und stets mit dem ganzen Schlusse verwebt ist. Dann die gesammte Pracht des Orchesters (D dur) und nun jubelnd aber ehrfurchtsvoll Herr Gott dich loben wir, die übrigen Worte betend , mit schmeichelnder Violin-Melodie begleitet gieb und erhalte den Frieden der Welt von vier Solostimmen vorgetragen, bis endlich die Fuge erscheint, deren Thema nach mancherlei Gestaltungen zuletzt mit dem Gesang der vier Solostimmen zu Gieb und erhalte den Frieden der Welt sich vereint, und in Jubel und Dank schließt.

So meine theuren Freunde habe ich Rechenschaft gegeben, wie mein Kopf und meine Überzeugung handelte, und mit was für Gemüthsfarben ich zu malen suchte. Wie das aber geschehen, ist das Geschenk von oben, und nur die Welt kann es richten. –

Carl Maria von Weber.