## Title: 1. Aufsatz zum Lied der Brunhilde in „König Yngurd“ ## Author: Carl Maria von Weber ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031244 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Antwort auf Müllners Bemerkungen über die in No: 169 als MusikB:[eilage] zu der abgedrukte Melodie zu dem Lied der Brunhilde im Yngurd. Akt 5. S:[cene] 3.Drd: d: 12t 7ber 1817. Nach meiner Ansicht ist es die erste und heiligste Pflicht des Gesanges, mit der möglichsten Treue wahr in der Deklamation zu sein. Obwohl es Fälle /:vorzüglich in ausgeführteren Musik-Stükken, im Liede höchst seltner:/ giebt, wo vielleicht der ganzen innern Wahrheit der Melodie, das vollkommen richtige Gewicht einzelner Sylben geopfert werden dürfte, welches aber hier zu erörtern ist. Meistens geräth aber der Komponist dadurch in Verlegenheit, daß der Dichter nicht immer des den Rede Akzent der prosodischen Quantität der Sylben gleich stellt. Dieser Zwiespalt des Versbaues und der Deklamation tritt doppelt scharf | durch die Musik hervor deren RhythmenGlieder an ein weit bestimmteres Bewegen in der Zeit gebunden sind, als selbst der gewißenhafteste Deklamator[,] wollte er nicht bis zum lächerlichen Steif werden, zu bezeichnen im Stande ist. Dafür hat aber auch die Musik Hülfsmittel und Ausweg noch in weit höherm Grade als die Rede noch das bedeutende Gewicht der höhern oder tiefern Betonung, und oft muß das TaktGewicht dem folgenden höhern TonGewicht wenigstens die gleiche Kraft, und Wirkung, und daher Gleichstellung zugestehen. Weiter ist es aber auch zunächst das eigentliche Geschäft der Melodie, das innere Leben das das Wort ausspricht wiederzugeben und hell hervortreten zu laßen, wobei nicht selten die große Gefahr erscheint bei ängstlich gesuchter Korrektheit den Blüthenstaub der inneren Wahrheit der Melodie in Steifheit und Trokenheit zu verwandeln. Zu entscheiden Wo es nun einem oder dem andern, der Musik oder der Dichtkunst es zukomme den Vorherrschenden zu spielen ist die große Klippe an der schon so Mancher scheiterte. In nächster Beziehung alles eben gesagten auf die die bezweifelte Wahrheit der Melodie von H: M: bezeichnete Stelle einer Melodie, so schien mir die Liebe der Brunhilde zu ihrem Sohne das eigentliche tiefste Motiv ihres ganzen Wahnsinns und des damit daraus entspringenden Liedes. Sie und Er, und immer wieder Ihre Liebe zu ihm. Daher mein herausheben und verstärken durch Ton und Gewicht aller darauf Bezug habenden Worte; daß Sie sein Leichenstein sein will, daß Sie immer bei ihm, treu ihm sein will schien mir die Hauptsache. deshalb derselbe Ton und Gewicht auf: Notenbeispiel Daß ich meine Ansicht nicht die richtige war belehrte mich die Erklärung des tiefdenkenden herrlichen Dichters, und ich muß billig seiner Ueberzeugung weichen obwohl ich mich, aufrichtig gestanden, mich nicht ganz überzeugen kann daß das, was ich allenfalls hier dem Rechte der prosodischen Quantität der Sylben genommen habe, nicht von der andern Seite dem Ganzen zu Gute kam. Doch bescheide ich mich, wie billig und erlaube mir nur noch zu einige kleine Beyspiele von Abänderung der Melodie nach des Dichters Sinne ihnen hier vorzulegen, und dann zu erfahren ob er nicht selbst diese als fast wehethuend erkennt, weil oft ein in der Rede ganz richtig schärfer betontes Wort augenbliklich zur Härte wird, sobald die Musik in demselben Grade folgen will. NotenbeispielNotenbeispielDiese Beyspiele laßen sich noch sehr vervielfältigen welches hier zu weit führen würde. Der Meynung daß erst bey Mutter die Rede mehr in Gesang übergehen solle stimme ich vollkommen bey, und besonders erfreulich aber ist es mir daß der berühmte Dichter dies nichts gegen die Wiederholungen am Schluße eingewendet hat, weil ich dieses so oft bis zum Ekel mißhandelte, und da an sich so ganz herrliche Vorrecht der Musik, sehr hoch stelle und achte, worüber seiner Zeit in meinem Künstlerleben ein Mehreres. Habe ich übrigens bei dieser von Hrn Müllner gewünschten Antwort, einer AndeutungsMelodie fast so viel Rechte eingeräumt als einem wirklichen Liede so liegt die Entschuldigung dafür in der Natur der Sache Musik die sich immer aufs bestimmte aus[…] muß, und in dem Wunsch daß der von mir hochverehrte Dichter des Yngurd wenigstens die Sorgfalt sehe mit der ich jeder Auffoderung von ihm so gern Genüge leisten möchte.