WeGA, Rezeptionsdokumente, Digitale Edition Tonkünstlers Leben. Fragment XIV (Erstdruck) Carl Maria von Weber Veit, Joachim Stadler, Peter

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Machine-Readable Transcriptions of Newspaper Articles about Music and Theatre Performances in the early 19th Century

Reflexionen über Freundschaft; das Phantastische Musikstück als Geniestreich, das nur bestimmten Seelen zugänglich ist vgl. Entwurf Einzelne Gedanken und Notizen, ohnstreitig zur Benutzung bei Tonkünstlers Leben bestimmt Theodor Hell Hinterlassene Schriften von Carl Maria von Weber 1 Dresden Leipzig 1828 113–116 MMW III, S. 297–299 (Einzelne Gedanken und Notizen, ohnstreitig zur Benutzung bei Tonkünstlers Leben bestimmt) Kaiser (Schriften), S. 505–507 (Gedanken und Notizen für den Roman) (Nr. 160) Jaiser, S. 219f. (nach Entwurf)

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Deutsch 14. September 1818 (laut A) Text eingefügt und Korrektur gelesen Datei angelegt und header angepasst
Einzelne Gedanken und Notizen, ohnstreitig zur Benutzung bei Tonkünstlers Leben bestimmt.

Trennung des Theorethischen und Praktischen. Das Letztere muß von Jugend auf uns angeboren und mit erzogen seyn, als zur Natur und dem Leben gehörig, und später, wenn der Verstand ohnedies reifer wird, darf er urtheilen und wägen und besonnener gehen.

Es ist doch etwas ganz Eigenes im Leben, daß man so oft gegen die, die man am liebsten und festesten im Herzen trägt, sich solcher Fehler schuldig macht, da man doch bei gewöhnlichen Menschen und Geschäften so gern flink bei der Hand ist, mit umgehender Post zu antworten. Ginge es mir allein so, und allein Dir gegenüber, so würde ich das mir unbegreiflich und unverzeihlich finden; aber da das vielen meiner besten Freunde so mit mir, und mir so mit ihnen geht, so glaube ich wohl zu fühlen worin es eigentlich sitzt. Dem halb und ganz Fremden nähert man sich in einmal festgestellten Formeln, sagt ihm nichts mehr und nichts weniger, als eben zu der besprochenen Sache nöthig ist, und somit ist Alles abgethan. Nicht so dem Freunde. Ihm etwas halb zu geben, widerstrebt dem liebenden Gefühle. Man will ihn ganz mit sich leben lassen, ihn in den Freuden- und Leidenkreis führen, der uns umgiebt. Für ihn scheint uns jede Kleinigkeit wichtig, und am Abend eines jeden Tages möchte man ihm denselben vorlegen können. Je weiter der Raum, der sie trennt, je seltener wird der Ideen Austausch, und haben Umstände uns einige Zeit verhindert, ihm unser Leben und Seyn mitzutheilen, so befällt uns jenes unbehagliche Gefühl, als hätten wir ihnen etwas vorenthalten, was nicht, oder doch sehr schwer nachzuholen sey, und so kommt es endlich, daß eine scheinbare Kluft entsteht, die schmerzlich genug ist.

Das scheinbar abgerissene Phantastische, was mehr Phantasiestück als gewöhnlich geregeltes Musikstück erscheint, ist ohnstreitig, wenn es etwas ist, nur ganz bedeutenden Genie’s möglich – die sich eine Welt schaffen, in der es nur scheinbar bunt zu geht, die aber gewiß den wahrgefühltesten innern Zusammenhang hat, wenn man sie mitzufühlen im Stande ist. Aber in der Musik, deren Ausdruck so viel Unbestimmtes hat, und wo dem individuellen Gefühle so viel selbst zu fühlen übrig bleibt, ist es höchstens nur einzelnen ganz gleichgestimmten Seelen möglich, mit dem Gefühlsgange, der sich gerade auf diese Weise entwickelt, gerade diese Gegensätze nothwendig findet, gerade diese Meinung allein für wahr hält, gleichen Schritt zu halten. Des wahren Meisters Sache jedoch ist es hochwaltend über seine wie über andere Gefühle zu herrschen, und das Gefühl, das er aufstellt, festgehalten in sich selbst blos mit den Farben und Nuancen wieder zu geben, die sogleich ein vollendetes Bild in der Seele des Zuhörers schaffen.

Die wahre Geschichte ist oft das Unwahrscheinlichste, und würde im Gewand der Dichtung für ganz unsinnig ausgegeben werden; aber das ist die eigene Bizzarrerie des Lebens, daß es das Naheliegendste überspringt, und dadurch die Wahrheit zur Fabel stempelt. Man könnte also fast sagen, es sey nicht Alles wahr, was wirklich geschehen sey; oder es giebt Dinge, die sich begeben haben, erzählt aber zur Lüge werden.

Das Geschenk einer Sache, die nur einmal vorhanden, oder selten ist, erhält dadurch so hohen Werth, weil es wie ein Geheimniß zwischen zwei Liebenden besteht, das vielleicht alle Welt sieht, aber doch für Besitzer und Geber den magischen Schleier des süßen Liebes-Geheimnisses hat.

Von welcher Wirkung ist dieser Uebergang! Ha! nun wird die drei oder vier, oder gar nur in einem Takte bestehende Modulation genommen, und in den geistigen Weingeist gesetzt. Wodurch sie herbeigeführt, warum sie so und nicht anders wirken muß, weil sie so gestellt ist, daran denkt kein Mensch. Es ist so als wollte man eine einzelne Nase, oder einen glücklichen Lichtpunkt aus einem Gemählde schneiden, und einzeln als Rarität zeigen. Die Zusammenstellung ist und nicht die Sache.