## Title: Tonkünstlers Leben. Fragment IX (Entwurf) ## Author: Carl Maria von Weber ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031596 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ #lb#Heidelberg d: 4t December 1810Brief an = ich habe mein friedliches N. verlaßen, und mich wieder dem Strudel der Welt Preiß gegeben. ich kann eher die Stürme und Schläge des Schiksals als sein heimliches Nagen ertra dulden. übt sich ja der Krieger in gefahrvollen Spielen dem Tode trozen zu lernen, und so will auch ich wieder meine Kraft versuchen, um in noch drohenden Erreignißen fest stehen zu können. ich nie habe ich die meist gepriesenen Helden, die hoch erhobenen Märtirer irgend eines Wahns, den Sie durch einen SelbstMord, oder sonstigen glänzenden SchlußAkkord ihres Lebens, besiegelten, so hoch bewundern können. einmal lodert auch das kleinste Flämchen auf, und ein Moment /: ich möchte ihn den Fokus im Brennspiegel des Daseins nennen :/ ist im Leben jedes Menschen, wo er sich zu einer großen That entzündet oder befähigt, fühlt oder empor gerißen fühlte. Aber die Kleinen täglich wiederkehrenden Unfälle des Lebens, sind der ächte harte Probierstein, an dem so häufig das glänzende Gold unsrer Philosophen zum gemeinem Metalle herab sinkt. wie oft habe ich Gelegenheit gehabt große Geister die mir so achtungswehrt schienen in ihren vorigen Häußlichen Zirkeln zu beobachten, und wie klein wurden Sie mir da, sonst stets gelaßen, ruhig, zu Hause das liebende Weib mürrisch anfahrend, wegen einer auf einem anderen Plaze liegenden Pfeife, Groß und Gefaßt auf den Trümmern des Staats, ängstlich und verwirrt bey dem kränkeln einer LieblingsBlume! So gut ich dieß alles fühle und weis, so wenig war ich doch bis jezt noch im Stande mich zu jener einfach ruhigen Größe zu erheben, welches Leben ist wohl erfüllter mit allen diesen wiederlichen kleinen Zufällen, und Erbärmlichkeiten, als das eines Künstlers. Frey, ein Gott, sollte er dastehen im Gefühl seiner Kraft, und gestählt durch die Kunst, Sein dünkt ihm die Welt solang er sie nicht wirklich betritt, hin und verschwunden sind alle diese Träume und Kräfte, befindet er sich im schaalen WirkungsKreis der Alletags Menschen. Kaum habe ich den Fuß über meine Schwelle gesezt, so stürmen schon eine solche Menge Erbärmlichkeiten auf mich ein, daß ich troz, meiner schon gemachten Erfahrungen in diesem Punkte, troz meines Willens zur Ausdauer, beynahe wieder versucht bin, umzukehren. wären nicht einzelne Augenblike im Stande jahrelange Leiden zu versüßen[,] wäre nicht das Bewußtseyn einen Freund zu haben, der mich auch mit halben Worten versteht und fühlt, was sollte aus diesem Drängen und Wirbeln werden, was ewig gebährend in mir kämpft? Kaum kenne ich dich, deine Gestalt schwebt in verklärten Umrißen, von FeuerFlammen umgeben wie eine schüzende Gottheit vor meiner Phantasie, indem ich dich nur ewig unvergeßlich bleibt mir der Augenblik in dem wir uns fanden im Kampf mit den Elementen schloß daß Fatum unseren Bund, den elende Menschen hindern wollten, o laß mich ihn wieder erzählen diesen Tag an dem ich alles verlohr, alles fand, – laß mich dabey in die Zeiten zurükträumen wo ich von der Hand einer guten Mutter ach, leider so wenige Jahre geleitet wurde. erzogen mit allem Aufwande eines Wohlhabenden Vaters, sein Abgott, prägte man in früher Jugend die Liebe zu allen Künsten in meine empfängliche Seele, meine wenigen Talente entwikkelten sich, und waren auf dem Punkt mich zu verderben. Mein Vater kannte nur die Seeligkeit mit mir zu glänzen, fand alles vortrefflich was ich schuf[,] erhob mich in Gegenwart fremder Menschen an die Seite unsrer ersten Künstler, und hätte so Schonungslos das Gefühl in jedem Gemüthe liegende BescheidenheitsGefühl unterdrükt, hätte nicht der Himmel mir in meiner Tante einen Engel gesandt der mich von meiner Nichtigkeit zwar überzeugte, aber doch den strebenden Funken, dem einst ein schönes Ziel nach hohen Anstrengungen verheißen war, nicht unterdrükte, sondern nur auf seine rechte Bahn leitete. ich las Romane, und überspannte meine Begriffe, ich reifte früh in eine gefährliche IdeenWelt, sog aber doch den großen Nuzzen daraus, aus dieser Zahllosen Menge Helden ein Ideal von Männlichkeit, mir zu erschaffen. Mein Vater reißte mit mir; ich sah einen großen Theil Europa’s aber nur wie im Spiegel wie im Traum, denn ich sah durch fremde Augen. ich bereicherte mein Wißen, gerieth – vorher ein bloser Empiriker – auf Theoretische Werke. Eine neue Welt öffnete sich mir, hier glaubte ich den Schaz alles Wißens erschöpfen zu können[.] ich verschlang alle Systeme, glaubte an alle, und verst[[?]] blindlings an die Autorität der großen Nahmen, unter denen sie standen. wußte Sie alle auswendig und wußte nichts. – Nun starb meine gute Mutter; ohne einen ErziehungsPlan gemacht zu haben, hatte Ihr zartsinniges RechtsGefühl Sie den Weg gelehrt, mir Grundsäze einzuprägen, die ewig die Stüze meines Seyns ausmachen werden. ich lebte mit dir an einem Orte, und haßte dich nicht zwar, aber ich verachtete dich denn, Künstler wie ich, auf demselben Instrumente, einen Weg mit mir wandelnd, muste ich immer nur von dir hören, daß du mich bitter getadelt, daß Neid dich erfülle, daß du mir 1000 Kabalen gemacht pp. daß alles dieß daß aus dem Munde meiner Anbeter, meines aus Liebe für mich blinden Vaters kam, erwog ich Schwacher nicht, und eine herbe Bitterkeit gegen dich hatte sich meiner bemeistert. = Da brach des Krieges Greuel auch unsere friedliche Ruhe, du warst kurz vorher von einer Reise mit Ruhm zurükgekehrt, und im Begriff Sie weiter fortzusezen, indeß ich angeschmiedet, durch die Liebe meines Vaters, der den Gedanken nicht ertragen konnte ohne mich zu leben, verbrütete, als räuberische Horden unser das Städtchen überfielen, und schreckliche Nacht meine Haabe ein Raub der Flammen wurde, ich hatte mich verspätet, meine Lieblinge[,] meine Bücher zu retten, vergaß ich alles, mich selbst, man gab mich für verlohren, als es mir noch gelang von der anderen Seite des Hauses mich zu retten, doch kaum war ich in Sicherheit auf der Straße angelangt als ich hörte, daß du mit der augenscheinlichsten LebensGefahr, um mich zu retten in den Flammen seyst, da that es einen mächtigen Riß in meiner Brust, als ob das Welt Thor der Liebe sich aufthäte, das Flehen des Vaters, das Drängen der Menge, der offenbare Tod konnten mich nicht abhalten, alles das für dich zu wagen, was du schon für mich thatest, durch Feuer Wogen, und stürzende Balken, und betäuben[den] Dampf drang ich zu dir, der mich suchte, und im Hochgefühl der dopelten Rettung, sanken wir uns in die Arme, und schloßen unter dem Toben des Elementes, und der Gefahr jeden Moment sein Opfer zu werden, den Bund, der nie sich wieder trennen soll. Dresden d: 16t July 1820. Was Du von da an für mich gesorgt, entsagt, Aussichten eröffnet, Wege gebahnt, wie du liebend dein Wißen und deine Erfahrungen ohne Rükhalt so genannter selbst schwer errungener KunstVortheile vor mir ausgebreitet, wie du mir die Welt gezeigt wie sie ist, und nicht wie sie in meinen Träumen lebte, wie du mir bewiesest daß der Mensch doch noch vor dem Künstler kome, und somit mich auch das bürgerliche Leben, und seine Verhältniße und die aus ihnen hervorgehenden Begriffe ehren lehrtest – wie soll ich das alles wiederholen, herzählen können, was nur die leider nur so wenigen Wochen deines Umganges Möge es mir einst nur deßhalb vergönnt sein mich zu einer beachteten Höhe zu schwingen, können, um für dich zeugen und dir das beseeligende Gefühl geben zu könen, daß du einen dankbaren Künstler, in der höchsten Ehrenbedeutung die ich dem Worte beigeselle, durch deine Reinheit und Wahrheit der Welt gegeben. So recht tief aus tiefem Herzwehe preßt sich mir die Thräne ins Auge wenn ich bedenke daß eben das was du für mich thun zu müßen glaubtest auch der Grund unseres schnellen Scheidens sein muste. Verarmt und hülflos wie ich da stand ließest du mich ärndten was du gesät und vorbereitet. den Theil Deutschlands durch den du eine Kunstreise machen wolltest, wo du überal erwartet gemeldet und empfohlen warst, gabst du mir hin, versahst mich mit den dringendsten Empfehlungen die dir zugedachte Gunst auf mich zu übertragen, und wenn die ungewöhnliche Weise daß ein Künstler einen andern als Stellvertreter sendet, die Neugirde eines Theils zu meinen Gunsten für mich spannte, und der Sporn dir Ehre zu machen mich anderntheils befeuerte, sprich wem danke ich das alles als dir. dir den ich verkannte, dir, der du aber mit wahrem Künstlerherz für mich sorgtest weil du in mir auch den ächten Beruf zu erkennen glaubtest. Wer Nur wer eingeweiht ist in die 1000 Verzweigungen die zu einer vorhabenden Kunstreise vonöthen sind, wie der Ruf des Künstlers in ganz eigenthümlicher Richtung die Welt durchzieht, und der von ihm ausgehende Funke, da und dort lebhafte Flamme erwekt, indeß er von andern unerkannt und beachtet vorüber zieht, weis die Größe der Aufopferung zu beurtheilen, die du mir weihtest. Aber, wahrlich, ich | könnte es auch; und wenn ich dieß in freudigem Troz und Stolz sage, […] so weiß ich es aber deßha[l]b vielleicht eben erst recht auch zu verdanken. Siehe lieber Bruder, da ertappe ich mich wieder einmal auf dem seltsamen dehmüthigen Stolze, und der stolzen Demuth, die so wunderbar mich oft erhebt oder auch verlezt. bin ich nur so? oder darf ich sie mit zur Künstlernatur überhaupt rechnen? das leztere wäre mir lieb, denn ich bin mir damit nicht klar genug, und mag lieber jener dunkeln Gewalt die ich einmal als in mir herrschend anerkenne zu Last schreiben, was mir so nicht ganz recht ist an mir ist. Du lachst, und wirst sagen, daß sey die bequemste Art sich immer rein zu glauben oder vielleicht sagst du gar daß ich das mit den Weibern gemein habe? je nun, sind die nicht eigentlich durchaus gebohrene Künstler Naturen? doch wohin gerathe ich. wahrlich nicht dahin wo ich heute sein wollte in meinem Briefe. Also zur Sache. Wenn ich früher, viel praktisches geübt, viel Theoretisches durchdacht erlernt, manche Bemerkung durchdacht, und namentlich in unserm brieflichen Ideen wechsel manchen einzelnen Gegenstand besprochen und durch dich berichtigt habe; so fällt es mir doch oft schwer auf, daß alles was ich weiß, nur so eigentlich zufällig entstanden sey sich eben so zufällig Eines zum Andern gefügt, habe ich den Lehren aller großen Meister immer nur bedingt beistimmen könen, und meine Bildung durchaus aller planmäßigen Folge entbehrt hat. da hat mich denn kürzlich ein verdamter, kluger Doctor medic. schiefrich gemacht, dem ich Unterricht im Generalbaße gebe, damit wodurch er sich zu seiner Gesan Laute manchen Gesang zu ordnen lernen will. der bringt der Warums so viele und hat so wenig Respekt vor irgend eines Namens Autorität, will immer die Sache so in sich selbst beursacht wißen, daß ich manchmal mit all meiner Vielwißerey sehr ins Gedränge kome. Ich fühle es täglich mehr daß wir nur verbieten und gebieten, ohne zu sagen warum und ohne anzuleiten zum Wie. Es heißt, ja, Bach hat das so gemacht. Hendel, schrieb dieses nicht. Mozart erlaubte sich das jenes. Wenn einem nun aber einfällt etwas glüklicher Weise etwas einfällt was die nicht gemacht haben, so thäte es Noth man strich es gleich wieder weg, weil man mit nichts beweisen kann, daß es auch so sein darf. Welch ein Mangel an festem Halt und Stüzpunkt von Haus aus in der Musik. Gefühl und wieder Gefühl – – Ich habe mir also fest vorgenommen die Kunst einmal so recht schulgerecht wie eine andere Wißenschaft zu behandeln, denn man kann doch jedem andern Jünger andere Dinge sagen, erst lernst du das, dann jenes, aus diesem folgt das, und so weiter bis du fertig bist. Fertig? nun ja bis auf einen gewißen Grad natürlich.