## Title: Korrespondenz-Nachrichten aus Mannheim, 6. Dezember 1810 ## Author: Gottfried Weber ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030665 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Korrespondenz-Nachrichten aus Mannheim, 6. Dezember 1810Mannheim, 6. Dec. Der schon lange mit Auszeichnung bekannte Schauspieler Wohlbrück gab hier mehrere Gastrollen, in welchen er sich nicht nur als denkender Künstler bewies, sondern auch ein reif ausgebildetes Talent der Darstellung entfaltete. Vorzüglich verdiente er als Abbé de l’Epée und dann als Franz Moor in den Räubern den Beyfall des hiesigen Publikum, der ihm so reichlich gezollt wurde; er besitzt eine seltne Reinheit der Deklamation, und wird besonders in dieser Hinsicht dem hiesigen Museum, wo er Schillers treffliches Lied von der Glocke meisterhaft deklamirte, unvergeßlich bleiben. – Er ist bey dem Hoftheater in Wien angestellt, und wird über Frankfurt, Hamburg, Berlin und Prag dahin zurückkehren. Der eben so geniale Komponist als trefliche Klavierspieler Hr. Karl Maria von Weber hat uns mit mehrern seiner Kunstausstellungen erfreut; besonders merkwürdig war aber die am 19 Nov. im hiesigen Museum Karl Stephanie. Er trug ein neues Konzert von seiner Komposition vor, das, wie wir hören, nächstens im Drucke erscheinen wird, und die Aufmerksamkeit aller Kunstfreunde verdient. Die Neuheit, Kraft, Lieblichkeit und Originalität des Werkes, sowol in der Anlage des Ganzen, als in der Ausführung des Einzelnen, die schöne Abründung und Verflechtung der Solosätze des kurzen ersten Allegro mit den vortrefflich geleiteten Eintritten des Orchesters, die schwärmerische Haltung des von lauter tiefen Instrumenten begleiteten Adagio, und die entzückende und zur Aufmerksamkeit unwiderstehlich hinreißende Laune und Neuheit des letzten Allegro, in welchem man den eingeflochtenen kurzen Walzer eine Tanzmusik höherer Wesen nennen möchte, zeichnen diese Komposition, wol mit die gelungenste ihrer Art, vor dem Trosse gewöhnlicher Konzerte sehr vortheilhaft aus, und erregten hier im Vortrage des Meisters allgemeine und gerechte Bewunderung. Auch wurde von ihm eine herrliche Ouvertüre von imponirender Kraft gegeben. – Dann trug er auf Verlangen der anwesenden Frau Erbgroßherzoginn einige italienische Lieder mit Guitarre-Begleitung vor, und erntete den schmeichelhaftesten Beyfall. Wir hoffen nächstens seine Oper Silvana zu hören. – Außer den Kompositionen des Hrn. von Weber erfreute uns auch das herrliche Oratorium (der 130ste Psalm: de profundis, in deutscher freyer Bearbeitung) von der Komposition des Hrn. Meyer Beer aus Berlin. Diese Arbeit gehört unstreitig zu den gelungensten des in unsern allzu modernisirten Zeiten so seltenen strengen Kirchenstils, aber nicht des steifen, an trockenen Formen und verschrobenen Regeln klebenden, sondern des veredelten, durch tiefes Gefühl geläuterten Stils, welcher seinen Gegenstand kräftig auffaßt, unverrückt im Auge behält, alles Spielen mit gefälligen Nebengegenständen verschmäht, das Gemüth zur unzerstreuten Aufmerksamkeit auf den Hauptgegenstand zwingt, und den Zuhörer nicht losläßt, bevor er ihn die ganze Würde des Gegenstandes, die ganze Tiefe der Empfindung hat fühlen lassen, und bis er ihn ganz zu der Stufe der Verklärung erhoben hat, deren das menschliche Gemüth fähig ist. – Ins schöne Detail uns einzulassen verbietet uns der Raum; hier stehe vielmehr ein kleiner Tadel. Uns fielen einige prosodie-widrige Accentuationen auf, z. B. wăchēnde – dēn Mŏrgēn – Dieser Psalm soll nächstens mit mehrern andern Kompositionen des Hrn. Meyer Beer (eines Zöglings Voglers) im Berliner Concert spirituel aufgeführt werden. Wir haben hier durch den Tod des Hrn. Geheimenraths von Klein einen Mitbürger verloren, der von einem sehr regen Sinne für Literatur und Kunst beseelt war. – In der Literatur hat er gesucht sich durch mehrere Arbeiten, besonders im Fache der Dichtkunst, bekannt zu machen, denen wenigstens nicht alles Verdienst abzusprechen ist. Sein Athenor hat einzelne gelungene Stellen: wenn er auch die höhern Werke des Genies nicht erreicht, und der Kritik allerdings viele Blößen gibt. – Unter seinen Epigrammen gibt es manche recht schätzbare. – Sein Pantheon berühmter Männer und Frauen enthält manche gute biographische Skizze, und sein neuestes dramaturgisches Werk gibt mehrere Beweise, daß es ihm weder an Beobachtungsgeist, noch an Sclebharfsinn fehlte; manches darin verdient wol eine nähere Beherzigung. – Seine Kupferstichsammlung war für einen Privatmann vorzüglich, so wie unter seinen (unlängst der hiesigen Galerie verkauften) Gemählden viel Gutes und einiges Vorzügliches sich befand. – Um die wissenschaftliche Kultur Süd-Deutschlandes, und besonders um die Reinigung der Sprache hat er sich unstreitig Verdienst erworben, da er der Stifter und ein sehr thätiges Mitglied der ehemals zu Mannheim blühenden deutschen Gesellschaft war. Auch ist er einer der Mitstifter des jetzigen Museums Karl Stephanie. – Als Mensch zeichnete ihn eine außerordentliche Dienstfertigkeit und rege Theilnahme an Allem, was er für gut, schön und nützlich erkannte, vortheilhaft aus.