WeGA, Rezeptionsdokumente, Digitale Edition Mannheim: Die Feier des Namenstages der Erbgroßherzogin von Baden (Teil 2 von 2) Weber, Gottfried Veit, Joachim Stadler, Peter Übertragung Fukerider, Andreas

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Schreibtafel von Mannheim: Die Feier des Namenstages der Erbgroßherzogin von Baden (Teil 2 von 2) Schreibtafel von Mannheim Ferdinand Kaufmann Mannheim 74 28. Dezember 1810 1r Fraktur

Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe

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Mannheim, den 27. Dez. (Fortsetzung)

Von dem übrigen Inhalte der Oper ist wenig Bemerkenswerthes zu sagen. Unter die gelungenern Stücke gehört das Duett der beiden übermüthigen Schwestern, welche sich schon im voraus zu ihrem künftigen Glücke gratuliren. In halsbrechenden Läufen und Passagen, welche hier ganz an ihrem Platze stehen, deployirt und rühmt jede ihre Reize, ihre Talente, ihre Liebenswürdigkeit. – Gut vorgetragen, und durch lebhaftes gewandtes Spiel unterstützt, kann diese Szene nicht anders, als sehr gute Wirkung thun – aber, Himmel! wie wurde sie heute mißhandelt. Von Mlle. Auguste Beck ist man zwar schon gewohnt, daß sie immer detonirt; allein heute trieb sie es einmal auf einen Grad, welchen auch die höchste Gedult nicht mehr erträglich finden kann; in den Terzenläufen, welche sie mit Mad. Gervais zu machen hatte, war sie anhaltend und immer bald um einen viertels, bald auch um einen halben Ton zu tief. – So sehr auch Ref. es erkennt, daß Anfängerinnen eine mehr schonende als geißelnde Kritik verdienen, so muß denn doch auch diese Schonung ihre Grenzen haben, und an solchen Anfängern nicht verschwendet werden, welche nichts hoffen lassen. Mlle. Beck hat durch Alles, was sie bis jetzt geleistet hat, großen Mangel an Intonation und musikalischem Gehöre beurkundet. Nebstdem ist ihre Stimme immer voll Athem, und ihr Organ spricht so sehr durch die Nase, daß sie selbst im Dialoge unverständlich ist; auch wird sie gewöhnlich schon in der ersten Viertelstunde heiser; und um der Erhaltung ihrer eigenen Gesundheit willen, sohin zu Ihrem eigenen Wohle, muß Ref. wünschen, daß sie sich einer andern Bestimmung widmen möge, bevor unangenehmere Erfahrungen sie später dazu zwingen.

Unter die bessern Numern gehört auch die Szene, wo die Schwestern ihre Talente in der Tanz- und Tonkunst vor dem Pseudo-Prinzen zeigen; Mad. Gervais zeigte in einem Tanze in spanischem Geschmacke Grazie und edeln Anstand; weniger Mlle. Frank, welche in einem naiven Tanze sehr hinter jener zurückblieb, dagegen aber das liebliche und vielleicht mehr als das ganze übrige Stück werthe Ariettchen, dessen französisches Refrain:

il n'est point de plaisir, de bonheur sans amour

schon so bekannt ist, recht schön vortrug, und überhaupt den Charakter der lieben kindlichen Aschenbrödel recht wahr auffaßte, und mit Grazie wiedergab.

Auch das Terzet der drei Schwestern im 3ten Akte ist lebhaft und sprechend gehalten, und wurde größtentheils recht gut exekutirt, besonders von Mad. Gervais, welche überhaupt, wie sie auch in der Arie zu Anfang des 3ten Aktes bewies, heute sehr bei Stimme war, und weniger applaudirt wurde als ihr wirklich vortrefflicher Gesang und Tanz verdient hätte.

Endlich ist auch die Entwickelungs-Situation gut geschildert, und namentlich eine glückliche Idee, daß Aschenbrödel in dem was sie dem Prinzen der sie noch nicht wiedererkannt hat, zu sagen hat, einige Melodien eben der Arie einfließen läßt, durch welche sie früher sein Herz gewonnen hatte, und durch diese feine Anspielung ihn ahnen läßt, daß sie mit der Dame seines Herzens eine und dieselbe Person sey.

Herr Singer, als Zauberer, hat keine bedeutende Sing-Rolle: dahingegen verdient er Lob, um seines anständigen Spieles und seines gut gewählten und vortheilhaften Kostüms willen; namentlich gefiel es Referenten, daß er den Astrologen nicht eben als alten eisgrauen Zauberer, sondern als noch blühenden Mann darstellte.

Herr Decker spielte und sang heute mit besonderer Assurance, legte auch eine Arie ein, und – wurde applaudirt.

Herr Hofmann spielte mit vieler Laune, und besonders gelang ihm der komisch-huldvolle Beifall welchen er vom usurpirten Throne herab den drei Damen gnädigst zu erkennen gab.

Im ganzen zweifelt Ref., ob das Stück, welches so sehr auf den Pomp der Pariser Theater, auf große Ballets und Aufzüge, und auf das Talent der Saint Aubin berechnet ist, und nur durch die Vereinigung aller dieser unerschöpflichen Kunstmittel dort Epoche machte, sich auf der hiesigen Bühne lange erhalten werde.

G. Giusto