WeGA, Rezeptionsdokumente, Digitale Edition Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 17. bis 19. Juni 1817 Winkler, Karl Gottfried Theodor Veit, Joachim Stadler, Peter Übertragung Veit, Joachim

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Aufführungsbericht Dresden: Faust von Klingemann am 17. Juni / Johann von Paris von Boieldieu am 19. Juni 1817 Winkler, Karl Gottfried Theodor Nachrichten aus dem Gebiete der Künste und Wissenschaften Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden Winkler, Karl Gottfried Theodor Kind, Friedrich Abend-Zeitung Arnoldische Buchhandlung Dresden 1 158 3. Juli 1817 2v Fraktur

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vor 3. Juli 1817 Deutsch Obsoletes Element tei:textClass entfernt Faksimile eingefügt Status nach Durchsicht von Frank Ziegler auf 'approved' gesetzt Korrekturgelesen ID und @keys gegen nicht-sprechende ersetzt. Anpassung an aktuelles Schema Christoph Auszeichnungen aktualisiert nach TEI P5 Stand Oktober 2007 neu eingegeben Veit

Am 17. Juni. Zum erstenmale: Faust. Trauerspiel in 5 Aufzügen, von August Klingemann, nach de alten Volkslegende bearbeitet.

Wir – die Kritiker haben sich nun einmal dieses Gesammtwort angeeignet, damit sie gleichsam ihre Regenteneigenschaft und Unverletzlichkeit dadurch bezeichnen möchten – müssen es nur gestehen, daß wir uns den Faust unsrer Idee nach auf einem ganz auf einem andern Standpunkte denken, als er hier, als er in des Maler Müller Faust bei Klingner, ja selbst in dem herrlichen Götheschen Torso steht, so, daß wir nicht selten gesagt haben, eher würden wir die gediegene Ausführung eines Faust nicht anerkennen, als bis darin nicht dieser vom Teufel geholt worden sey, sondern vielmehr selbst den Teufel geholt habe. So hoch steht uns dieser Charakter in welchem wir das Streben nach dem Höchsten was der Mensch durch geistige Vollendung erringen kann, in diesem Sinne selbst die Herausforderung und Bekämpfung des bösen Principes, endlich aber die Vergewaltigung desselben, aber auch in demselben Augenblicke der höchsten Culmination den irdischen Untergang, oder vielmehr den Uebergang zu einer überirdischen Ordnung der Dinge finden. Es ist hier nicht der Ort dieses weitläufiger aus einander zu setzen, aber es will uns doch bedünken, als ob der Dichter, welcher einen solchen Faust, als Drama, wozu er sich wohl, wenigstens zur Ausführung, am mindesten eigenen dürfte, oder als Epos, als Satyre, im potenzirten Sinne des Wortes schriebe, keine Ilias postHomerum, selbst bei den vorhandenen braven Bearbeitungen dieses Gegenstandes hervorbringen würde.

Daß uns nun von diesem Gesichtspunkte aus angesehen, der vorliegende Faust nicht befriedigen konnte, versteht sich von selbst. Der Verf. dieses Trauerspiels hat ihn unter seinen Mitbewerbern am niedrigsten, das heißt, am sinnlichsten gestellt, ob er freilich wohl glaubte ihn dadurch für die neuere Bühne, welche doch nicht Reflexionen sondern Erscheinungen und Gefühle aus und durch die Sinnenwelt geboren, wiedergeben soll, am brauchbarsten und angemessensten zu verarbeiten.

Nur Sinnenliebe ist die Axe, um die sich Fausts Streben und Wirken in dem Klingemannischen Trauerspiele dreht. Wäre es reine, Gottverwandte Liebe, so wäre wohl am Ende dadurch das Höchste bezeichnet, von dem wir vorhin sprachen, und wodurch vielleicht einzig und allein jener Sieg über den Teufel möglich werden konnte, so wie vieleicht eben der erste Sieg des bösen Princips durch den ersten Liebesmangel entstand, aber es ist nur der Trieb nach Wollust, nach dem gemeinsten Sinnenrausche, nach einer feurigen Höllenumarmung, die er mit dem ätherischen Hauche mildrer Zuneigung vertauschen will, der ihn stachelt, und ihm zu Gefallen, von so schmutzigen Netzen bestrickt, schließt er den Bund mit der Hölle, vergiftet Weib und Kind, und ermordet den Vater. Darin scheint uns die Hauptursache zu liegen, daß höheren Naturen dies Gemälde nicht gefallen kann. Nicht weil es zu gräslich ist, denn das Gräsliche kann immer auch erhaben seyn, wie z. B. im Ugolino, sondern weil es zu niedrig ist. Und so verschendet der Dichter umsonst an diesen Stoff viele Trefflichkeiten des Styls, viele einzelne schöne Stellen, viele Moment, die in einer andern Nachbarschaft tief und rein ergriefen würden, und manchen Zauber des Verses, den wir einem andern Werke wünschten. Vollends der Zug zuletzt, wo der Faust den erprobten Höllenzwang weggiebt, um nur bequemer seine Helene umarmen zu können, und der Sophismus des Satanas, mit welchem er Faust demonstrirt, daß das Unterzeichnen des Höllenpakts seine erste Sünde sey, wobei ein so rechtskundiger Mann, wie Faust war, ihm doch aus der Carolina noch hätte beweisen können, daß ein ungekanntes Verbrechen, wie der Mord seines Kindes, von dem er nichts wußte, und ein unfreiwilliges, wie der durch Zufall hervorgebrachte Tod des Vaters, gar nicht bei einem Teufel, der doch auch quid juris verstehen müsse, mit in Anschlag gebracht werden könne, machen den Schluß und die Entwicklung des Stücks doppelt peinlich und inconsequent. Der sehr geachtete Verfasser des Columbus, des Moses, Luther, Heinrichs des Löwen und andrer recht wackrer Stücke, verzeihe uns diese offen ausgesprochene Meinung, die seine Verdienste nicht herabwürdigen kann.

Mit der Darstellung des Stücks konnte man im Ganzen wohl zufrieden seyn. Herr Hellwig bewährte als Faust eine mächtige Kraft, und gab uns besonders in den vier ersten Akten sehr gelungene Scenen. Im fünften Akt schien ein äußrer Einfluß auf der Bühne ihn zu stören, und überhaupt ist der nun unterliegende Faust weniger interessant als früher. Mad. Schirmer war als Käthe so lieblich, fromm und mild, daß der Verbrecher, der sie mordete, um so entsetzlicher neben ihr stand. Als Mephistophiles hätten wir Herrn Drewitz noch mehr Teufliches in Stimme und Haltung gewünscht, seine Maske war jedoch gut gewählt, sein Streben löblich, und es dürfte überhaupt eine der schwierigsten Aufgaben seyn, diesen vermenschlichten Teufel seiner Abstammung würdig darzustellen, ohne doch Abscheu, nur Abneigung und Furcht zu erwecken. Die Rolle des Wagners, den Herr Julius sorgfältig gab, ist zu schwach skizzirt, und fällt dadurch hie und da fast ins Komische, sollte der einfache, gute, jedoch leicht zu verführende Mensch nicht gehalten seyn, und Herr Julius fühlte das sehr wohl. Am schlimmsten ist aber die Schauspielerin daran, welche den teuflischen Unhold, Helene, spielt, und wir bedauerten Mad. Hartwig sehr in dieser Rolle, so wie wir jede Schauspielerin bedauern, die sie übernehmen muß, da ja der milden Natur des Weibes eben diese Furien-Larve, die doch wieder das Aeußre einer liebenden Verführerin haben soll, doppelt widrig seyn muß. Die Dekorationen, besonders die am Schlusse des ersten Akts, waren recht brav, und Feuer gab es am Schlusse des Ganzen genug aus verschiedenen Höllenrachen.

Th. Hell.

Am 19. Juni. Johann von Paris.

Nachtigall=Grünbaum wollte von Berlin, wo wie mit ihrer Melodieen-reichen Kehle den größten Beifall eingeärndet hatte, nach Prag wieder zurückfliegen, als wir sie in Dresden für Einen Abend wenigstens zum Verweilen luden, und noch einmal von ihr die Prinzessin von Navarra mit allem Reiz und aller Gewandtheit ihrer Zauberstimme singen hörten. Das Publikum war von neuem durch diese herrlichen Klänge, besonders des ersten Finals und des Troubadours, entzückt, und begleitete die Nachtigall auf ihrem weitern Fluge mit den innigsten Wünschen und dem wärmsten Dank. – In Abwesenheit von Dem. Emilie ZuckerLaut Webers Brief an C. Brandt vom 16. Juni 1817 hielt sie sich in Teplitz auf. gab Dem. Hunt die Rolle der Lorezza, und wir hatten alle Ursache mit ihr zufrieden zu seyn.

Th. Hell.