Berlin d. 1t Juni 1821
Wohlgeborner und verehrter Herr!
Der ungewöhnliche Beyfall und grosse Zulauf, den mein neues Schauspiel Preciosa auf der hiesigen Bühne hatte, giebt mir die Veranlassung es Ihnen mitzutheilen, und anzufragen ob Sie solches nicht auf Ihrer würdigen Scene zur Darstellung bringen wollen.
Wir haben in Kurzer Zeit 6 Vorstellungen davon bey gedrängt vollem Hausse gegebenDie Uraufführung in Berlin fand am 14. März 1821 statt, weitere Vorstellungen bis zum Briefdatum waren: 19./26./30.3., 11.4., 6.5.,
und hätten ungesäumt fortgefahren, wenn nicht die Krankheit eines Schauspielers der eine Hauptrolle darin zu geben hat, und die Proben der Olimpia uns unterbrochen hätten, doch fahren wir künftige Woche damit fort.
Sie haben einen Jugendentwurf desselben Namens vor mehreren Jahren den ich Ihnen mittheilte aufführen lassenAufführungen der 1. Fassung der Preciosa (ohne Weber-Musik) in Hamburg sind für 17. und 20. September 1813 nachweisbar.,
allein beyfolgendes Schauspiel enthält Keine Zeile von jenem, und es ist ganz neu gedichtet, auch haben die Theater in Dresden und Leipzig wo früher auch jener mangelhafte Versuch dargestellt warNeben den gemeinten Aufführungen der Erstfassung des Schauspiels durch die Secondasche Gesellschaft in Leipzig (EA 7. Mai 1812) und Dresden (EA 3. November 1812) gab es auch Einstudierungen in Wien (EA 19. Oktober 1812) sowie Magdeburg (EA Herbst 1814, inkl. Abstecher nach Halberstadt); vgl. WeGA, Bd. III/9, S. 215f. sowie Allgemeiner Deutscher Theater-Anzeiger, Jg. 4, Nr. 44, S. 176., diese neue Dichtung von mir gefordert, und wird dort ehestens so wie in Cassel zur Darstellung kommenDie Erstaufführung der Neubearbeitung in Kassel fand am 19. August 1821 statt, die EA in Dresden erst am 27. Juni 1822, in Leipzig am 23. Dezember 1822.,
den anderen Bühnen ist es noch nicht mitgetheilt.
Die Musik von Carl Maria v Weber ist vortrefflich und enthält 12 Stücke, weil die letzten Scenen melodramatisch behandelt sind;
ich habe aber die Partitur des Portos wegen noch nicht beygelegtWeber sandte die Partitur im Auftrage Wolffs nach Hamburg; vgl. Brief von Weber an Schmidt vom 1. August 1821,
weil ich erst Ihre Antwort abwarten will, und der ClavierAuszug, welcher bereits im Stechen ist, erst in einigen Wochen fertig wird.
Das Stück ist ohne allen Aufwand in Scene zu setzen, und die Künstlerin welche Preciosa darstellt findet Gelegenheit sich auch im Gesang und Tanz zu zeigen, wenn sie will, aber Bedingung ist keineswegs, das Lied das sie zu singen hatNr. 7 Einsam bin ich nicht alleine
ist so einfach componirt das es nicht die mindeste Schwierigkeit hat, auch kann es hinter der Scene gesungen werden, oder ganz weg bleiben, da es in die Handlung nicht eingreift.
Das Costüm der Zigeuner war bey uns aus der spanischen Nationaltracht componirt, etwas fantastisch angewendet, aber durchaus nichts neu dazu gemacht, ausser Preciosa's Kleidung, welche in einem einfachen weissen Rocke mit bunter Verzierung eben solchem Leibchen und einem orientalischen Bande mit Federn bestand, ihre zweite Kleidung ist noch einfacher.
Mad. Neuman welche eine Darstellung hier gesehen, könnte es Ihnen ausführlicher beschreiben. Die Zigeuner sind alle braun, Preciosa weiss von Gesichtsfarbe.
Sie hätten mein Manuscript früher schon erhalten, aber Esperstädt war so sehr beschäftigt, und ist krank. Ich habe nur die Bitte es sobald als möglich zu lesen, und falls Sie es für Ihre Bühne nicht annehmbar finden, mir das Manuscript gleich wieder zu senden, weil ich der Abschriften bedürftig bin. Mit C. M. v. Weber habe ich eine Uebereinkunft getroffen, und der Preiss des Stückes mit sammt der Partitur ist 15 Fried.d'orLetztendliches Honorar vgl. Brief von Schmidt an Wolff zwischen 1. Juni und 1. August 1821. Unser neues Theater ist endlich glücklich eröffnetDas Schauspielhaus am Gendarmenmarkt wurde am 26. Mai 1821 eröffnet., aber noch immer viel daran zu thun, wir können zur Zeit nur ein paarmal noch darin spielen. C. M.v Webers Oper: Der Freyschütz, wird in 10 Tagen in Scene gehenDie UA in Berlin verzögerte sich bis zum 18. Juni 1821; zu den Gründen für die Verzögerung vgl. Brief von Weber an Könneritz vom 20. Mai 1821, Brief von Weber an Kind vom 27. Mai 1821, Brief von Weber an Könneritz vom 10. Juni 1821 sowie TB Mai/Juni 1821., eine Oper die überall gefallen wird, sehr anziehender Stoff und treffliche Musik.
Mit wahrer Hochachtung Ihnen bestens mich empfehlend
Wolff
Regisseur d. K. I.
Berlin d