## Title: Aaron Wolfssohn an Giacomo Meyerbeer in Wien. Berlin, Sonntag, 28. August 1814 ## Author: Wolfssohn, Aaron ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A040734 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Herren Reyer & Schlick in Wien Gefälligst abzugeben an Sr Wohlgeboh. Herrn J. Meyerbeer aus Berlin Herrn J. Meyerbeer in Wien Berlin 28 August [18]14. Geliebter Freund! Sie verlangen in Ihrem jüngsten ohne Datum geschriebenen Brief, daß ich Ihnen auch von meinen Verhaltnissen einiges mittheilen solle. Für dieses Verlangen danke ich Ihnen herzlich, und ich werde, so bald ich erst nichts neues mehr über Ihre Verhaltnisse zu [sagen] haben würde, Ihnen manches über mich mittheilen; für heute aber habe ich noch zu viel mit anderen Dingen zu thun. Nemlich erstens Ihren lieben Brief zu beantworten und zweytens Ihnen eine Idee mitzutheilen, wovon ich jetzt ganz durchdrungen bin. Ich will mit dieser letztern anfangen, da doch ohne dieß die Beantwortung Ihres Briefes heute sehr mager ausfallen muß, weil ich bis jetzt noch nicht die Partitur erhalten habe. Also zur Sache. Wie Sie wissen hat das hiesige Theater gegenwärtig nur einen einzigen Kapellmeister, den H. Weber, indem sowohl Himmel als Reichardt nach jener Welt abmarschirt sind. | Es hieß anfangs u heißt noch, der König wird Spontini engagiren; allein Sachverständige behaupten, daß dieß nicht gut ausginge weil Sp. gar kein Deutsch verstünde &c Und so viel ich höre, ist man in der That um einen zweyten Kapelmeister verlegen. – Der alles riechende u sich in alle Launen so fügende C. M. v. W. ist allem Anschein nach auch darum jetzt hergekommen, u bietet alles auf zu diesem Ziel zu gelangen; freylich geschieht dieses im Dunkeln – denn der Mann läßt nur für sich durch HelfersHelfer arbeiten, aber es wird doch gearbeitet; und aus einem Gespräch, das er Vorgestern mit der Mutter hielt, welches ich ohne daß er es weiß, gehört habe, leuchtet hervor, daß er mit vollem Ernst an dieser Sache arbeitet. – Nun aber hat schon vor mehreren Monathen, der K. M. Weber mir zu verstehen gegeben, daß er nicht nur sehnlichst wünscht, sondern auch fest glaubt es durch zu setzen, daß Sie mein geliebter Freund, die Stelle eines Königl Kapelmeister hier erhalten sollen. Er hält Sie unter allen jungen Künstlern für den einzigen dazu tauglichen | u verspricht sich von Ihren Talenten, Kenntnissen und Fleiß goldene Berge. Ich frage Sie daher, ganz unter uns, was denken Sie zu diesen Vorschlage? convenirt er Ihnen? möchten Sie ihn gleich oder erst nach Ihrer vollendeten Reise nach Italien annehmen? Kurz, sagen Sie mir hierüber offen und treuherzig Ihre Meinung. Da weder Vater noch Mutter von dieser meiner Anfrage etwas wissen; so können Sie heilig versichert seyn, daß auch Ihre Antwort vor ihnen geheim bleiben soll, so wie überhaupt alles was Sie wollen geheim gehalten haben, ich gewiß nicht durch wiedersagen mißbrauchen werde. Diese Idee ist mir in Betreff Ihrer zu wichtig, als daß ich Sie nicht recht sehr bitten sollte, sie genau in Ueberlegung zu nehmen. Es war ja von je das Ziel Ihrer Wünsche, u wo könnten Sie dieses besser haben, als hier? bey einem der ersten Theater in Europa! Ich schließe Ihnen anbey eine Rezension über v. W. Concert. Sie können sehen, daß dieser Mann alle Federn aufbietet, um sich empor heben zu lassen! Es kränket mich wenn ich so etwas lese! | Ihre Partitur soll bestimmt nicht aus meinen Händen kommen, u sobald ich weiß daß Ihre Oper nicht mehr kann aufgeführt werden erhalten Sie die Part. unverzüglich zurük. Indessen glaub ich für meine Person noch immer daß, da noch noch jetzt manche Gelegenheits Stükchen gegeben werden, auch Ihre Oper einen Platz finden wird. Möchte doch sie nebst dem Brief an W. bald hier seyn! Daß Sie noch immer nicht an Ihre lieben Eltern schreiben ist mir unbegreiflich, u unerklärlich. Wo hin soll das führen? – Ich bitte Sie mein lieber Theurer, denken Sie einmal kalt darüber nach. Ewig der Ihrige Wolfssohn P. S. Bey Gott! Fast täglich werde ich schamroth wenn Leute über den Tisch fragen: was schreibt Ihr Sohn H. Meyerbeer? Und nun vollends die lieben Eltern!