WeGA, Rezeptionsdokumente, Digitale Edition Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: Februar 1816 Anonymus Veit, Joachim Stadler, Peter Übertragung Jakob, Charlene

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Machine-Readable Transcriptions of Newspaper Articles about Music and Theatre Performances in the early 19th Century

Anonymus Notizen Der Sammler Ein Unterhaltungsblatt Seyfried, Joseph Ritter von Anton Strauß Wien 8 52 30. April 1816 212 Fraktur

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Theater.

Prag. – Den 2. Febr.: Die Seelenwanderung, oder die Fortsetzung des Schauspielers wider Willen. Die vierte Frucht des heurigen Kotzebueschen Almanachs, doch wahrlich nicht die wohlschmeckendste. Wenn schon jenes ältere Stück im Grunde nichts ist, als ein Vehiculum, die Vielseitigkeit eines komischen Talents in das hellste Licht zu setzen, so ist es doch durch die Abneigung des Verwalters gegen die dramatische Kunst und die Wette des Schauspieldirectors, ihn selbst in einem extemporirten Lustspiele debutiren zu machen, einigermaßen motivirt; hier aber verkleidet sich Pfiffig wieder ein halb Dutzend Mahl, wie es scheint, aus reiner Lust am Umkleiden, ohne daß der Zuschauer erräth, warum? denn die Gründe, die er nach einer Menge gar nicht komischer Scenen angibt, sind durchaus nicht geeignet, auch nur eine dieser abgeschmackten Mummereyen zu rechtfertigen. Herr Allram als Verwalter Murrkopf und Herr Gerstl als Pfiffig gaben sich alle Mühe, durch ein launiges und durchdachtes Spiel die Hindernisse zu besiegen, die ihnen der Dichter in den Weg gelegt hatte, aber umsonst – sie waren und ließen lau.

Den 5. Febr.: Richard Löwenherz, Oper in 3 Aufzügen von Gretry. Leider erinnert diese Composition mehr an Zemire und Azor, als an den herrlichen Blaubart, und wird wohl in unserer Zeit schwerlich mehr das Glück machen, das ihr in frühern Jahren zu Theil wurde. Herr Ehlers gab den Blondel als Gastrolle, und ließ, so brav er ihn auch spielte, doch im Gesang viel zu wünschen übrig. Mad. Czegka (Margarethe) sang ihre große Arie sehr gut, und scheint auch schon etwas heimischer auf unserer Bühne zu seyn, als im Anfange. Einige Musikstücke fanden viel Beyfall, und das Duett von Blondel und Fanny im ersten Aufzuge (gesungen von Herrn Ehlers und Dlle. Brand) mußte wiederhohlt werden. Das Klatschen beym Schlusse der Oper war sehr mäßig.

Den 11. Febr.: Drey Väter auf einmahl, Posse von Herrn v. Kotzebue, und: Die Strickleiter, Oper in einem Aufzuge mit Musik von Gaveaux und mehreren andern. Wenn es dem großen komischen Talente der Herren Allram und Gerstel in der Seelenwanderung nicht gelungen war, sich geltend zu machen, so schien es Herr v. K. hier darauf angelegt zu haben, seine Fehler wieder gut zu machen, und ihrer Laune den freyesten Spielraum darzubiethen, den sie auch kunstmäßig benutzten. Jener stellte den alten Kaufmann eben so vollkommen dar, als dieser seinen albernen Sohn, und diese beyden, unterstützt von Mad. Junghans, Dlle. Böhler und den Herren Reinecke, Wilhelmi und Löwe, stellten ein echt komisches Gemählde aus der niederländischen Schule dar. Was Herrn Löwe betrifft, so ist es sehr löblich, daß dieser talentvolle junge Künstler, der sich seit einiger Zeit auch mit vielem Glücke im Fache der Liebhaber und jugendlichen Helden versucht, doch das komische und launige Fach nicht vernachlässigt, in welchem er ein Stern erster Größe zu werden verspricht. Die Strickleiter machte weniger allgemeines Glück, so brav auch Herr Ehlers den Herrn v. Rund sang und spielte, und abermahls bewies, welch ein Reichthum von Humor ihm von der Natur mitgetheilt ward. Herr Siebert nahm sich als Liebhaber sehr sonderbar aus, und die beyden Damen hatten Sachen zu singen, die ihnen nicht eben sehr angemessen waren. Herr Allram, dessen Komik wir schon erschöpft hielten, erschien in der Rolle des dummen Bedienten in einer ganz andern Gestalt, und hatte diesem Charakter ohne alle Übertreibung doch die allerkomischste Seite abgewonnen, so daß jedes Wort, jede Bewegung als vollendet zu betrachten war. Der herzlichste Beyfall aller, die Sinn für den wahren Jokus haben, belohnte sein Streben.

Den 18. Febr.: Clara von Montalban, Trauerspiel in 5 Acten nach dem Franz. der Gräfinn von Genlis von Elise Bürger geb. Hahn. Wenn zwey Nationen ihre Frauen und ihre Fehler in ein einziges Schauspiel vereinigen – was soll da heraus kommen? Hier ist eine grelle französische Tragik und Charakteristik, ein gewöhnlicher Tyran de Tragédie, dem gegenüber Schillers oft getadelter Franz Moor wie ein unschuldiges Kindlein erscheint; eine ganz abscheulich tugendhafte Tugend, die sich stundenlang mit Füßen treten läßt aus kindlicher Pflicht gegen ein Monstre de perfidie; eine ganze Menge rechtlicher Leute, die sich bey der Nase herumführen lassen; ein entsetzlich gutmüthiges Gericht, das recht par force ein Todesurtheil spricht und am Ende ein Deus ex machina, der alles entwirrt, sich als Vater des Engels bekennt und das Ungeheuer zum Selbstmord treibt. – So viel hat die französische Dichterinn in einem Roman dargebothen, wo freylich noch manches vollkommener motivirt erscheint; die teutsche hat dazu eine auf Theatercoups und Knalleffecte berechnete Organisation hinzugegeben und eine Diction, die ganz voll der Nachlässigkeiten ist, deren man die teutsche Kunst so oft anklagt. Aber alles dieses, mit seinen Unwahrscheinlichkeiten und Inconsequenzen, macht Wirkung, und es gibt Leute, die es dem Haus Barcellona an die Seite setzen, wo nicht etwa gar vorziehen. Die Besetzung war recht gut; vorzüglich stellte Mad. Sonntag die Clara und Mad. Liebich die undankbare Rolle der Gräfinn dar. Mit Wahrheit und tiefem Gefühl gaben die Herren Liebich und Bayer den Arzt und den Grafen. Herr Wilhelmi zeichnete den höllenschwarzen Bösewicht nur mit allzu glänzenden Farben und war hier und da etwas vehement, da es doch hier die erste Pflicht des Künstlers wäre, die schreyenden Contraste zu mildern.