## Title: Ida Jähns an Adolf Borbstädt in Wahlstatt mit Nachschrift von Friedrich Wilhelm Jähns. Berlin, Freitag, 27. Dezember 1844 ## Author: Jähns, Ida ## Version: 4.10.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A048186 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ […] Die Erschütterung durch Alex’ Tod und eine hinzugetretene Erkältung verursachten mir ein rheumatisch-nervöses Fieber, so daß ich mich acht Tage nach seinem Tode legen, zwölf Tage das Bett hüten und drei Wochen lang zu Hause bleiben mußte. Während ich lag, kam Max von Weber an, von dessen Anwesenheit ich aber nichts erfuhr. Daß er und Wilhelm sich schon seit lange nicht mehr gewogen sind, wissen Sie wohl. Teils laufen ihre künstlerischen und ästhetischen Ansichten sich meist schnurstracks entgegen, teils ist ja auch so vieles vorgefallen, was nicht imstande ist, die Freundschaft aufrecht zu halten. So war es denn ganz natürlich, dass beide sich nicht viel Freundliches zu sagen hatten. Dazu kam, daß ich, der immer die Rolle des vermittelnden Prinzips zuteil wird, fehlte, und das[s], was freilich den Ausschlag gab, Max sich auf unverantwortliche Weise äußerte. So war es denn unvermeidlich, daß sie völlig getrennt voneinander schieden. Wilhelm wurde infolge dieser heftigen Alterationen krank, und nachdem ich acht Tage lag, legte er sich auch, mußte zehn Tage im Bett und drei Wochen im Zimmer bleiben. Nun schrieb mein Bruder an Frau von Weber, diese antwortete aber auf eine Weise, dass ein Bruch unvermeidlich war, und so habe ich denn vor drei Wochen meinen letzten Brief an Webers geschrieben. – Sie wissen, lieber Borbstaedt, mit welcher Liebe wir an Webers seit so langen Jahren gehangen haben, wie unsere und ihre Interessen eigentlich bei uns gleichbedeutend waren; Sie wissen es auch, dass wir nicht zu denen gehören, die heute mit Enthusiasmus jemand Freund nennen, und ihn in acht Tagen vergessen haben; Sie können also denken, dass es nichts Unbedeutendes ist, was uns trennt, daß aber auch diese Trennung uns auf’s Tiefste erschüttert und eine Lücke in unsern Herzen gemacht hat, die in diesem Leben wohl nie wieder ausgefüllt werden wird. […] [Nachschrift von F. W. Jähns:] […] Ich bin gerührt von Deiner treuen Anhänglichkeit an uns zu einer Zeit, wo wir einen so schmerzlichen Verlust erlitten haben, wo meinem Herzen eine so unheilbare Wunde geschlagen worden ist, weil hierbei die Phantasie nicht wie in anderen Fällen vermittelnd und heilend dazu trat, sondern weil sie hier nur schaden kann, halb Vernarbtes immer wieder neu bluten machen muß. Es wird lange Zeit vergehen müssen, ehe wir werden einen Weberschen Ton hören können, ohne Schmerz. Es ist sehr schmerzlich, von einem Verhältnis sich losreißen zu müssen, was fünfzehn Jahre einen beglückte, was der Stolz des Herzens war, was durch zehn Jahre vorher fast ersehnt worden war, was die Seele also seit fünfundzwanzig Jahren in den schönsten Tagen der Jugend und des Glückes erfüllt hat. – Und wie ist diese Trennung herbeigeführt!!! – Nur so viel, dass alle die Meinigen empört und der Geh. Rat Lichtenstein, den wir herzugezogen haben, durchaus unsere Schritte billigt und eine Wiederherstellung unseres Verhältnisses für unmöglich hält. […]