## Title: Karl Emil von Schafhäutl an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin. München, Mittwoch, 16. Oktober 1867 ## Author: Schafhäutl, Karl Emil v. ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A043285 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ München am 16t October 1867 Hochverehrter Herr Director! Eine Ferien-Reise war Schuld, daß ich Ihren freundlichen Brief nicht früher beantwortete und meinen Dank aussprach für die gütige Übersendung der Musik zu Voglers Geburtstag. Ihre Anmerkung für Ihr Werk über Weber ist höchst interessant und nur auf der letzten Seite wäre etwas zu berichtigen, wo Sie sagen: „Er (Vogler) hat eine ganze Symphonie über die Scala geschrieben.“ Es ist indessen nur das Finale der Cdur Symphonie aus dem Jahre 1799 nach Voglers Tode herausgegeben von Andre. Das Thema das die Violinen pp anschlagen, ist: Notenbeispiel es nehmen dann die sämmtlichen Instrumente ffo dasselbe Thema auf, auch die Hörner nemlich die einen aus F die andern aus G welche abwechselnd die Scala bis auf e geben, das die Trompete übernimmt. So wird das Thema in außerordentlicher contrapunktischer Mannigfaltigkeit vorwärts und rückwärts per augmentationem, Abbreviationem, Diminutionem, Synkopen, Restrictionem durchgeführt und zwar durch 378 Tacte. Aber auch schon in den Betrachtungen der Mannheimer Tonschule Mai 1781 gibt er ähnliche Beispiele, wo er vom Canon handelt und die Scala wieder als Thema nimmt. Ich lege Ihnen, um sich von dem Gesagten zu überzeugen eine Copie aus oben citirtem Werke bei; im Canone chiuso ed infinito gibt er gleich darauf dieselbe Scala: Notenbeispiel Sie sehen, wie nahe dieses Beispiel dem besprochenen Weberschen Canon liegt. Das von Ihnen beigelegte Blättchen habe ich an seine Adresse befördert; es wird einem von uns wohl gelingen, Ihre Fragen zu beantworten. Indem ich, Ihrer gütigen Erlaubniß zufolge, den kleinen für Ihr Werk bestimmten Aufsatz als Andenken von Ihnen behalte, sende ich Ihnen die 3 andern Bogen mit „zu 5“ bezeichnet wieder zurück und möchte Sie bitten, wenn irgend etwas in irgend einer Zeitschrift erscheint, mich darauf aufmerksam zu machen, damit es mir in keinem Fall entgehen kann. Indem ich mich auf Ihre Arbeiten [über] Weber recht sehr freue, mich sehr danach sehne, habe ich die Ehre Ihnen mich freundschaftlichst zu empfehlen und verharre mit ausgezeichneter Verehrung als Ihr ergebenster Prof. Dr. Schafhäutl Für den Geist gibt es keine politische Grenze, die von dem Messer nur in die schwere Erde eingefurcht wird, und von der Kunst gilt noch mehr, als von der Freude: „Alle Menschen werden Brüder Wo dein sanfter Flügel weilt!“