## Title: Karl Emil von Schafhäutl an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin. München, Sonntag, 9. Oktober 1870 ## Author: Schafhäutl, Karl Emil von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A043568 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ München am 9t October 1870 Verehrter Herr Director! Ihr freundlicher Brief hat mich gerade vor meiner Abreise getroffen. Ich beeile mich deshalb, Ihnen die verlangten Notizen so ausführlich als möglich mitzutheilen. Vogler hat nemlich seiner Kurpfälzischen Tonschule eine Zeitschrift folgen lassen, welche sich durch drei Jahrgänge erstreckt, in welchen er durch Beispiele erläutert, was in seiner Tonschule bloß angedeutet war. Er behandelt hier theoretisch und praktisch alle die sogenannten drei Hauptstyle: den Kirchenstyl, Kammerstyl und Theaterstyl auch sogar Ballettmusik. In dieser Weise finden Sie Oratorien(?) Kammermusik Opern und Operetten durch Beyspiele erläutert. Den Kirchenstyl betreffend hat Vogler das damals so viel Aufsehen erregende Stabat mater Pergolesis nicht nur in seiner Urform gegeben, sondern dasselbe auch ganz umgearbeitet. Er zeigt ganz richtig welch schwacher Contrapunctist Pergolesi gewesen und gibt dabei zugleich Beyspiel von wahren Fugen und ihren verschiedenen Arten. Das Kapitel heißt „Von den Fugen im Stabat mater“ (Pergoleses nemlich) „ihre Verbesserungen und neu unternommene vierstimmige Ausarbeitung“. Diese Abhandlung findet sich in den „Betrachtungen der Mannheimer Tonschule. Dritter Jahrgang zweite Hälfte, 7t, 8t u. 9t Lieferung“. Der Canon von dem Sie sprechen ist auf p 49 unter Fig. 5 erläutert. Die Notentafel auf welcher sich der Can. findet, hat die pg 40 und der Canon hat die Zahl 5 #worauf der Text hinweist. Dazu heißts Canone chiuso ed infinito a 4 | Diapente e Diapason Die Tafel mit der Seitenzahl 40 bezieht sich auf die Seitenzahl der X, XI u. XII Lieferung. Von den Gesammttafeln der Betrachtungen gehört ihr die Seitenzahl 494 oder gar 628. Sie sehen welch ungeheures Material hier Vogler geliefert hat, und alles in einem Raum zusammengepreßt, der, wenn die Noten in gewöhnlicher Weise gedruckt wären, wenigstens noch einmal so viele Seitenzahlen erfordern würde. Was Ihr Werk über Weber betrifft, so freue ich mich recht sehr darauf. Da niemals unter dem Monde ein Werk erschienen ist, das absolut vollkommen gewesen wäre so werden Sie doch an sich nicht selbst die Anforderung stellen übermenschliches zu leisten. Lassen Sie nur Ihr Werk erscheinen — die Welt wird Ihnen gewiß den besten Dank wissen und somit Gott befohlen! Indem ich mich Ihnen freundlichst empfehle, habe ich die Ehre zu verharren, Euer Wohlgeboren ergebenster Prof. Dr. Schafhäutl