## Title: Franz Weber an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin. London, Dienstag, 8. März 1881 ## Author: Weber, Franz ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A044365 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ London am 8ten März 1881. Werther Herr Professor, Ich sende Vorstehende Notizen sogleich fort damit Sie sehen daß ich endlich anfange mich an Ihnen, wie Sie sagen, „zu rächen“. Leider, trotz allem erdenklichen Rachegefühl, muß die Befriedigung dieser Leidenschaft, in Bezug auf die Zahl der Aufführungen, unbefriedigt bleiben. Und ich hätte doch so gerne meiner (mir wenigstens von Ihnen angedichteten) Berserkerwuth, auch nach dieser Richtung hin, freies Spiel der Befriedigung gegönnt! Indessen bleibt mir der Trost, daß ich, wenigstens in Bezug auf „Freischütz“, Manches für Ihre Zwecke Brauchbares entdeckt habe, dessen Feststellung meine freien Stunden in dieser Woche gewidmet sein sollen. Ihr herzlich Ergebener F.Weber „Abu Hassan“ Im Verfolg meiner früheren Bemerkungen in Bezug auf das (in meinem Besitz befindliche) Textbuch des im Jahre 1825 zuerst in London aufgeführten Comic drama's „Abon Hassan“, im Theatre Royal Drury Lane, finde ich bei meiner sorgfältigen Vergleichung der (im British Museum entdeckten) musikalischen Nummern, meine Vermuthungen (nur auf den englischen Text basirt) völlig bestätigt. Uebrigens dürfte es interessieren den musikalischen Bestandtheil (allerdings fast gänzlich Weber angehörendem) hier genau festzustellen. Der Londoner „Abon“ ist, wie schon angedeutet, ein Singspiel oder vielmehr ein „Schwank“ mit eingeschalteter Musik, so lustig und anziehend, daß man das Stück in diesem Gewand auch heute noch gerne auf einem kleineren Theater sehen würde ― aber, wie gesagt, es ist nicht Weber's oper. Hier folgen die Nummern wie sie in diesem Stück eingelegt waren: 1. Ouverture (ganz nach dem Bonner Clavierauszug)Act I2. Chor der Sclaven „Hail, hail, the Royal Beauty“ (analog mit „Heil ist dem Haus besch.“)3. Solo „The bird whose Song of gladness“ (anal. Wird Philomele) das Allegro (7 Takte) sind hier weggelassen. Gesungen von Miss Graddon4. Chor u. Hassan „Pay, pay, pay!“ (an. Geld! Geld! einige Takte ausgelassen)5. Duett „Wine, my fairest, juice divine“ (an. „Liebes Weibchen“ vollständig) ges. von Mr Horn u. Miss Graddon6. Recit. u. Arie: „Kind Gerii hear me“ (an. „Was nun zu machen“) ges. von Mr. Horn7. Chor „Away, thou broadly glaring eye of day“, introduced from „Preciosa“ (an. „Im Wald“)8. Zwei kurze Stücke für Orchester:#lb# I Allegro. Sclaven bringen eine kolossale Pfeife für den Kaliphen.#lb# II. Vivace. Die Sultana erscheint, beide Stücke rühren offenbar nicht von Weber her. 9. Finale des I Aktes „Grand Ballet and Chorus“ [„]Now the first Star of evening is shining“, introduced from „Preciosa“ (an. „Es blinken so freundlich“)Act II10. Duett „Hear me, though love's first wild hour be over“ (an. „Thränen sollst du nicht vergiessen“) ges. v. Mr Horn u. Miss Graddon stark gekürzt.11. March, finale Zwei Takte mit Chor am Ende „hail, hail“. mir unbekannt, jedenfalls nicht aus dem „Hassan“ und nicht Weberisch. Ich meine damit, daß der Marsch mit zwei Takten schließt, in welche Stimmen des Chor's mit 'hail hail' einfallen wonach das Ganze schließt; eine sonderbare Idee!Soviel über die Londoner musikalische Gestalt des „Abon“ im Jahre 1825. Ueber die spätere Aufführung im J. 1870 habe ich schon berichtet. Das erwähnte Textbuch des „Abon“ von 1825 ist sehr selten und es hat Jahre gedauert bis ich es auffand. Der musikalische Theil war von T. Cooke, director of the music to the Theatre Royal Drury Lane, zusammengestellt und von der Verlagshandlung Clementi herausgegeben worden. Der Titel lautet wie folgt: „‚Abon Hassan‘ a celebrated Musical Drama. Performed at the Theatre Royal Drury Lane composed by Carl Maria von Weber and adapted by the English Stage by T. Cooke.“ Nun, obschon es nicht der Weber'sche Hassan war, so hat man doch mit seiner Musik keinen solch haarsträubenden Unfug getrieben wie mit seinem „Freischütz“ im vorhergehenden Jahre, 1824, und noch auf lange Zeit später! Was den „Freischütz“ betrifft so werde ich Ihnen in ein paar Tagen Manches Interessante und einiges Curiosum mittheilen können welches, wie ich sicher hoffe, Ihre Lücken über Londoner Aufführungen wenigstens einigermaßen ausfüllen wird. Auch über „Preciosa“ erfolgen dann die betreffenden Notizen. „Die eigentliche Gestalt des ‚Freischütz‘ von damals“, wie Sie wünschen, sollen Sie genau kennen lernen und ich fürchte sie wird Ihnen wenig behagen. F. W.