## Title: Franz Weber an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin. London, Dienstag, 26. Juli 1881 ## Author: Weber, Franz ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A044371 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ 20 Maitland Park Rd Haverstock Hill London N. W. 26 Juli 1881. Mein sehr geehrter Hr. Professor, Für die Verzögerung meiner Antwort auf Ihre drei gütigen Briefe vom 27ten Juni u. v. 13 u. 20ten ds, lag der Grund darin, daß man diesmal früher, als gewöhnlich der Fall, zum Druck der Musical Times schreiten mußte. Soeben habe ich meinen letzten Bogen corrigirt und greife nun gleich nach Postpapier um meine scheinbare Vernachlässigung schnellmöglichst zu tilgen. Da muß ich Ihnen nun zuerst wiederum herzlichst danken für Ihre fortgesetzten Bemühungen in meiner Angelegenheit die Ihnen, wie ich fürchte, schon gar zu viel Zeit weggestohlen hat! Ich berichte darüber Folgendes: Von Herrn Pohl, in Wien, erhielt ich einen sehr freundlichen (12 Juli datirten) Brief, worin er bedauert mich in dortigen Journalen nicht einführen zu können, da er selbst in keiner näheren Verbindung mit den Herren stehe und auch wisse daß jedes größere Blatt versorgt sei. Indessen wolle er sich an einen, ihm vertrauten, Verleger in Leipzig wenden welcher bis Mitte August von Hause abwesend sei, und würde sich freuen falls er mir dienen könne. Ich antwortete Herrn Pohl sofort und theilte ihm mit was Sie mir von Chrysander schrieben, damit er sich etwa nicht unnöthige Mühe macht; ich denke er hat inzwischen wohl auch an Sie geschrieben. Von Herrn Chrysander habe ich bis dato hier noch nichts verspürt; es wird mich sehr freuen seine Bekanntschaft zu machen. Musikal. Central Blatt. Herzlichen Dank. Ich werde demnächst einen Artikel an die Redaktion abschicken; welches Honorar ich beanspruchen soll weiß ich noch nicht recht, da ich mit deutschen Begriffen in dieser Hinsicht nicht vertraut bin. Vielleicht geben Sie mir nächstens mal eine Andeutung darüber. Deutsche Musiker Zeitung . Mit dieser Zeitung hat mich D r Langhans in Verbindung gebracht und sie verspricht eine angenehme zu werden. Musik Welt . Ich glaube sicher daß dieses Blatt bereits einen festen Londoner Correspondenten hat; doch lässt sich vielleicht eine ähnliche Verbindung wie mit dem „Central Blatt“ anknüpfen. Nun zu Anderem. Ihre Bemerkungen über Max Maria's Buch habe ich mit größtem Interesse gelesen und weiß Ihre Schlußbemerkung dabei zu würdigen. Daß Bishop über Weber's opern geschrieben habe kann ich wohl nicht behauptet haben; jedenfalls meinte ich nur anzudeuten daß er in ersten Aufführungen W'scher Musik in London eine Hand im Spiele hatte. Doch darüber in meinem nächsten Bericht Ausführliches. Ihre sonstigen Fragen finden dann auch fernere Erledigung, insofern mir dies nämlich möglich sein wird. Ueber „Preciosa“, „Euryanthe“, „Oberon“, liegen mir schon manche Notizen vor, welche nur noch (zwar freilich ist dieses nur eben des Pudel's Kern!) der historischen Feststellung bedürfen ehe ich sie Ihnen unterbreiten kann. Ihre Notiz über Freischütz: I Auff. „London: 1824. 22 Juli: Im English Opera House in the Strand das alte Lyceum“ ist vollkommen richtig. Die mir gütigst eingesandten Briefe der Verleger erfolgen in meinem nächsten dankbar zurück. Jetzt noch endlich Beantwortung einer älteren Frage über Benedict's „Weber“ . Das Werkchen besteht aus einigen, vor ein paar Jahren hier vom Verfasser gehaltenen, Vorlesungen welche jetzt gedruckt und der Königin gewidmet sind. Als persönlicher Vortrag gewiß s. Zt. Für seine Zuhörer recht interessant, ist es als Biographie in seiner jetzigen Buchform kaum mehr als ein incongruentes, völlig disproportionirtes Machwerk, aus Max Maria v. W. und Prof. Jähns zusammengeschrieben, und das Ganze mit dem immer wiederkehrenden refrain: „Ich, der Schüler Weber's, sage Euch dieses; bin auch selbst zum Theil mit dabei gewesen“ durchzogen. Denn von persönlichen Erinnerungen ist hier blitzwenig zu finden, was nicht schon längst bekannt wäre. Wohl aber sind manche, wie man meinen sollte längst erledigte, Irrthümer wieder von Neuem aufgetischt. So z. B. wird Gottfried Weber hier wieder als in Darmstadt unter Vogler, im Verein mit Carl Maria, studierend angeführt, da er doch bekanntlich niemals Schüler Vogler's gewesen ist. An Franz Anton wird kein gutes Haar gelassen, was denn doch im objectiv historischen Sinne ungerecht ist. Amüsant und recht Benedictisch ist die Beschreibung (S. 74–75) der Tafel-Musik am Sächsischen Hofe, wie ihm denn überhaupt das Humoristische am Besten gelingt. (Er kann köstlich amüsante Tischreden halten). Bei weitem der beste Theil des Büchlein's ist der Anhang, näml. eine Aufzeichnung und kurze Charakteristik W'scher Hauptwerke, wobei manche treffende Bemerkung zum Vorschein kommt. — Ich bin wohl ein wenig zu aufrichtig in meiner vorstehenden Beurtheilung (die übrigens ja auch nur an Sie gerichtet ist) gewesen, doch kann ich mich des Gedanken's nicht erwehren daß der, von unserem Weber so treu, so wahrhaft väterlich geleitete Schüler entweder die Sache ganz unterlassen oder Etwas dem Gegenstande Würdigeres hätte leisten sollen. Uebrigens kenne ich B. persönlich, und weiß ihn als Musik-Veteranen auch zu schätzen. — Sie schreiben: „Also 1877 wurde auch in London ‚Silvana‘ gegeben“ u. s. w. Dies beruht auf einem Mißverständniß. Was Sie von P 162 anführen bezieht sich auf eine Pariser Aufführung. M. Widor ist ein bekannter französ. Musik-Literat. Die Sache ist übrigens auch in Benedict's Buch noch näher erklärt (P 23) wo er sich über die Widor'sche Bearbeitung und deren Aufführung ausspricht. Sie gehört also unter Ihre Rubrik „Paris“. Doch jetzt genug der Worte. Von Herzen hoffe ich daß Ihre Kur den erwünschten Erfolg gehabt! Schade daß ich dieses Jahr nicht nach Deutschland kommen kann, leicht hätte ich Sie dann wohl in Köln oder Darmstadt treffen können; welche Freude diesfür mich gewesen wäre brauche ich nicht zu sagen. Ihr Sie hoch verehrender F.Weber [Quer zur Schriftrichtung am linken Rand Bl. 3v:] Der etwaige Einwurf, daß das Buch nur für Engländer geschrieben sei, ist bei der Existenz der M. M. v. W. u . Jähns'schen Werke, und namentlich auch für den Schüler Weber's, nicht stichhaltig.