## Title: Franz Weber an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin. London, vom Montag, 19. bis Donnerstag, 29. September 1881 ## Author: Weber, Franz ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A044372 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ 20 Maitland Park Rd Haverstock Hill London N. W. 19 bis 29ten/ 9/ 81. Sehr geehrter u. lieber Herr Professor, Ihren gütigen Brief vom 23 vor. Mts habe ich richtig erhalten und hätte freilich schon längst Ihnen diese Thatsache bestätigen sollen. Inzwischen habe ich auf kurze Zeit englische Landluft genossen (die heimische wäre mir lieber gewesen, doch hoffentlich kommt's nächstes Jahr dazu!) und wende mich jetzt wieder zur Pflicht, wobei mir, als eine der liebsten, die Erledigung der Fragen Preciosa, Euryanthe, Oberon für Sie am Herzen liegt, insofern nämlich dies in meinen Kräften steht. Als Vorspiel dieser erneuten Thätigkeit, oder wenn Sie wollen als Nachspiel meines „Freischütz in London“ − jedenfalls aber als Scherz − schickte ich Ihnen heute morgen (19. Sept) eine Copie des Titelblattes der ersten Londoner Ausgabe Hawes des „Freischütz“. Vor einigen Wochen befand ich mich im British Museum, auf einige verlangte Manuscripte wartend; die Sache dauerte gar zu lange und da ich die besagte Freisch. Ausgabe vor mir liegen hatte amüsirte ich mich mit der Copie des Titelkupfers, so gut es eben mit meinem Bleistift und einem (nicht allzusauberen) Papierwisch gehen wollte. Als die Sache fertig war dachte ich daß vielleicht Herr Professor Jähns ein Vergnügen an dem Scherz fände, und − so kommen Sie denn zu dieser neuesten Contribution meinerseits. Ich setze dieses so weitläufig auseinander, damit Sie nicht etwa glauben daß die Sache ernsthaft gemeint und ich mir gar auf mein Machwerk etwas einbilde. Natürlich sind Licht und Schatten im Original weit mehr contrastirend, als es meinem Bleistift wiederzugeben vergönnt war; im Uebrigen aber habe ich ziemlich treu nachgeahmt und − das werden Sie wohl eingestehen − selbst jener hartnäckige Bauernjunge in Grimm's Mährchen würde beim Anblick meines Bildes ausrufen: „es gruselt mir!“ Nun zu wichtigeren Dingen. Daß es Ihnen mit Ihrer Kur so schlecht geglückt ist hat mir recht herzlich leid gethan zu hören. Vielleicht sollten Sie Sich etwas mehr Ruhe gestatten nach Ihren anstrengenden Arbeiten? Denn wie sehr Sie immer con fuoco zu Werke gehen, davon habe ich neuerdings wieder einen Beweis in der Art in welcher Sie Sich in meiner Preß-Angelegenheit bemüht haben! Nehmen Sie erneuten herzlichsten Dank dafür; aber, bitte, schonen Sie Ihre kostbare Zeit meinethalben etwas mehr! Ich berichte über den seitherigen Erfolg: * Allgem: Deutsche Mus. Ztg * Neue Berliner Mus. Ztg * Musik. Central Blatt Verbindung durch Ihre gütige Vermittlung eingeleitet, und wird in den nächsten Tagen regelmäßig in die Erscheinung treten; seither durch holidays noch verzögert. Außer obigen Zeitschriften erhielt ich heute ein Anerbieten von einer neu zu Gründenden (durch Riemann) wobei Herr Pohl (also wieder Sie, mein lieber Herr Professor) die Hand im Spiel hat, und deren prospektive Tendenz mir sehr gut gefällt. Ich werde meine Mitwirkung gerne zusagen, umsomehr da man solide, fachmäßige Artikel über England haben will, und nichts mit Reklamewirthschaft zu thun hat. Hoffentlich glückt's dem neuen Unternehmen! Ferner habe ich noch (durch Dr Langhans) die Deutsche Musiker Zeitung. Das genügt mir vorläufig, es sei denn daß mir ein speziell gutes Blatt einen Vorschlag machen würde, z. B. die „Musik-Welt“; für welches ich ganz gerne hie und da einen Artikel liefern würde. Ebenso in Dresden oder München. Doch dies sei nur nebenher bemerkt, und für den Fall daß Sie Sich dessen vielleicht gelegentlich erinnern. Was Sie mir über Tonger's Blatt schreiben ist zwar sehr gütig und freundlich; doch möchte ich mich den Herren nicht aufdrängen; ist ja auch nicht nöthig. Ihr lieber Brief vom 17ten ds kommt soeben noch vor Briefesschluß an, ergo müssen diese Zeilen noch ein bißchen verweilen ehe sie der Post überantwortet werden. Inzwischen erhalten Sie meine Bleistift-Faselei von der englischen Wolfsschlucht von 1824 und − ganz natürlicherweise − warnen Ihre Freunde vor mir, als einem „sehr bedenklichen Individuum“ welches solches Zeug als eine musikhistorische Studie nach Berlin schicken konnte! Nun, man weiß es ja, die „Engländer“ sind, namentlich in der Ferienzeit, verrückte Kerls! − Dank für die Zusendung von Hiller's Artikel über Benedikt's „Weber“. Wenn je, so fühlte ich mich hier versucht eine Kritik der Kritik sofort niederzuschreiben, welche nur die „Kölner“, wie ich fürchte, nicht würde aufgenommen haben! Doch komme ich noch einmal öffentlich auf diesen Gegenstand zu sprechen; das soll mir doch nicht entgehen. Nun gar die Geschichte mit der Rezension in der Musical Times, die mich besonders nahe berührt. Mir war die kurze Notiz von welcher Sie, werther Herr Professor, reden, ganz entgangen, sonst würde der scandalöse Schnitzer längst berichtigt worden. Nachdem mehre Monate verflossen sind, käme die nöthige und absolut zu leistende Erklärung, meiner Ansicht nach, am Besten von Ihnen selbst. Mir ist der Verfasser jener Rezension ganz gut bekannt, doch würde ich keinen Augenblick zögern die Sache in die nächste Nummer der Musical Times in's Reine zu bringen. Denn, um ein Lessing'sches Wort zu gebrauchen: „Wer solchen Fehler begehen konnte, dem war es erlaubt von der ganzen Sache Nichts zu wissen“. Aber, wie gesagt, die Musical Times hat den Schnitzer nicht bemerkt, und deshalb wäre es besser daß die Rüge von Ihnen komme. Sie wissen, daß ich mit genanntem Blatt eng verknüpft bin und glauben mir schon wenn ich Ihnen sage daß die Redaktion Ihnen in jeder Hinsicht gerecht werden soll. Ich bitte Sie also an dieselbe, i. e. * Editor „Musical Times“ * 1 Berners Street. * Oxford Street * London W. einen Brief zu schreiben, dessen Conzept ich hierbei einschließe, und Sie überlassen mir dann das Weitere. Ich habe versucht möglichst in Ihrem Sinne zu stylisiren (freilich anmaßend genug von meiner Seite!) und habe in der Hauptsache Ihre eigenen Worte, welche Sie mir, als von Ihnen unter die besagte Rezension geschrieben, mittheilten, einfach übersetzt. Sie haben mir mehrfach erklärt daß Sie des Englischen nur theilweise mächtig seien, und so verzeihen Sie mir schon wenn ich Ihnen die englischen Worte so zu sagen in den Mund lege. Falls Sie einen deutschen Brief an die Redaktion schreiben, würde mir derselbe sicherlich zugeschickt werden mit dem Ersuchen einen Paragraphen in die nächste Nummer einzurücken; während es doch viel besser und zweckdienlicher ist, daß ein direkter Brief von Ihnen selbst verbatim in der Zeitung abgedruckt erscheint. Die Musical Times ist das Erste Musikblatt hierzulande, und auch in Amerika weit verbreitet; ein derartiger lapsus calami sollte deshalb auch möglichst hervorstechend corrigirt werden. Ich verspreche Ihnen außerdem noch ein paar, auf Ihren Brief bezügliche Worte, in meinen „Foreign Notes“ beizufügen. Ihre Frage über „Oberon“ kann ich vollständig erledigen und noch manches Andre, doch heute muß ich schließen − sonst kommt dieser langverzögerte Brief am Ende garnicht mehr aus dem Hause. Ihr treu Ergebener F.Weber [Beilage] To the Editor of the „Musical Times“ Dear Sir, My attention has been drawn to a notice on Sir Julius Benedict's Life of Weber, contained in the April number of this year of your esteemed journal, wherein the following passage occurs: „The appended catalogue of Weber's works is valuable to the English reader because containing translations of Otto Jahn's descriptive and critical observations upon each opus. This alone is worth more than the price charged for the entire book.“ These remarks would be flattering enough for the late Otto Jahn (the famous biographer of Mozart) assuming that he had ever written anything of importance concerning Weber's works. Such, however, has not been the case, and my own modest work on the subject being most likely unknown to the writer of the notice in question, the mistake of confounding my name with that of Otto Jahn was but natural, although it might have been avoided by a reference to Sir Julius' volume itself. The repeated and kindly mention you have made in your columnes of my „Carl Maria von Weber in seinen Werken“ encourages me to hope that you will give publicity to these lines intended as they are merely to remove a misapprehension which, having been published in your widely read journal, assumes an imporance it would not otherwise possess. I am, Dear Sir, yours faithfully