## Title: Caroline von Weber an Friedrich Wilhelm und Ida Jähns in Berlin mit Nachschrift von Alexander von Weber an Ida Jähns. Dresden, erhalten Sonntag, 19. September 1841 ## Author: Weber, Caroline von ## Version: 4.9.1 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A046177 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Meine theuren guten Kinder! Diesmal sieht es wirklich so aus als hättet Ihr Grund und Ursache mir zu zürnen das ich nicht gleich nach Ankunft von Maxens Sachen Euch Ihr lieben guten Menschen innig dankte für die sorgfältige Verpackung von Maxens Effekten, und für die viele Schererey die meine arme Ida gewiss damit gehabt hat. Die Verzögerung meines Dankschreibens kam aber daher dass mir Wollanks sagten sie würden den 12. hier abreisen und da sollten die Euch den Brief mitbringen. Eben höre ich aber dass die noch bis zum 21. bleiben, und auch sich noch einige Zeit in Halle aufhalten wollen, und so lange kann ich [Euch] unmöglich ohne Nachricht lassen, drum kömmt die Mutter heute in aller Eile um mancherley mit den guten Berlinerkindern zu plaudern und Ihnen innig, innig zu danken. Dem Dank aber schliesst sich zugleich wieder eine Bitte an über die mein Idchen gewiss ein klein wenig verdriesslich sein wird weil die Sache allerdings etwas unangenehmes betrifft. Es fehlt nehmlich von Max’ens Wäsche „ein Uiberzug“, 5 Handtücher, 3 Wischtücher, 2 Hemden ein Kopfkissen überzug 6 ganz neue weisse Schnupftücher, und 10 paar Socken. Max hat bey seiner Abreise einen Theil dieser Wäsche seiner Wirthin zu waschen gegeben, und wahrscheinlich hat sie Dir dieselbe nicht abgeliefert. Ich sehe wohl ein dass nichts zu machen ist wenn die Leute so schlecht sind alles abzuleugnen, aber ganz unerwähnt dächte ich, müsste man es doch nicht lassen — Da es übrigen[s] fast lauter Gegenstände sind die Max nicht verlieren kann, und Max auch versichert, noch kurz vor seiner Abreise alles durch gezählt zu haben, so ist fast kein Zweifel, dass die Wirthsleute zugelangt haben wie sie hörten dass er nicht wieder kömmt. Na, das wäre ein Fatales Geschäftchen für Dich meine Ida, die Frau nach der fehlenden Wäsche fragen zu lassen, für meinen Wilhelm habe ich aber nun auch Eins was ihm gewiss auch nicht lieb ist. Schlesinger war nehmlich bey mir und bat dringend in den früheren Tagebüchern nachsehen zu lassen ob nichts auf den Verkauf der Musikalien bezügliches darin zu finden sey. Die Billigkeit der Forderung leuchtete mir auch so ein, dass ich versprach Ihnen lieber Wilhelm die Bücher zur Durchsicht zu überschicken, weil mir im Testamente verboten wurde dieselben zu lesen. Zur Vorsorge ging ich jedoch erst zu Rothe und Engelhardt dieselben um Ihren Rath zu fragen, und Engelhardt sah im letzten-Willen Webers diesen Punkt noch einmal nach. Da ergab sich denn dass Niemand diese Bücher je lesen solle ja dass Weber wünsche sie nach seinem Tode lieber gleich zu verbrennen — — — Ja, um jeder Versuchung zu entgehen die nun wirklich gross in mir wurde, entschloss ich mich das Letztere zu thun. — Mehrere mal hielt ich die theure Schrift schon über das Feuer, und immer, immer zuckte die Hand wieder zurück — doch er hat den Wunsch zu bestimmt ausgesprochen, und wirklich, mit dem besten Willen Herrn Schlesinger zu helfen, kann, und darf ich nicht dagegen handeln. Erhaltet Ihr diese Zeilen habe ich gewiss meine Pflicht gethan und seinen letzten Wunsch erfüllt. Ich bin es auch überzeugt dass die Notizen aus den frühern Tagebüchern, ganz denen gleichen werden welche Sie schon ausgezogen haben lieber Wilhelm, und die Verletzung meiner Pflicht würde Schlesinger am Ende nicht einmal was nützen. Es thut mir übrigens wirklich herzlich leid Herrn Schlesinger nicht zu seinem Recht verhelfen zu können, wenigstens auf diesem Wege nicht. Bitte lieber Freund stellen Sie ihm die Sache vor und sprechen Sie ihm mein inniges Bedauern aus. — Sagen Sie ihm auch, dass, wenn ich sonst etwas zu thun im Stande wäre, ich es gewiss gern thun würde, denn ich habe die Uiberzeugung dass ihm Unrecht geschieht. Doch das Gesetz scheint diesmal zu streng nach dem Buchstaben zu richten. Gestern sind wir trotz dem himlischen Wetter von unsern schönen Loschwitz herein gezogen weil Maxens Abreise nahe ist und noch manches zu thun für ihn ist. Den 27. reisen wir nach Leipzig ab, und Gott mag geben das diese Veränderung zu Maxens Glücke beiträgt. Alex ist frisch und munter und wird der Herrin schreiben das er ein fauler Schreiber ist, bey dem man Gnade vor Recht muss ergehen lassen. Alle Loschwitzer gedenken freundlich Eurer, und alle trugen mir die schönsten Grüsse auf. Max wird täglich magerer, und verliert die Haare immer mehr. Wirklich macht er mir Sorge, denn ich fürchte, trotz seiner Versicherung des Gegentheils, dass er sich unwohl fühlt, oder — er ist verliebt — na, meinetwegen. Das Unglück wäre noch zu ertragen. Doch nun genug für heute, Alles liegt und steht noch in Unordnung um mich herum denn der letzte Transport Sachen kam heute erst herein. Ach mit Thränen nahm ich Abschied von meinem kleinen Neste da draussen – ob ich es wieder bewohnen werde? ach wer weiss!! — Gott sey mit Euch Ihr Lieben. Er schenke Euch Glück und Freude wie es mein treues Mutterherz Euch wünscht. Küsst die Kinder herzlich von mir. [Nachschrift von Alexander von Weber:] Mit Recht und mit Unrecht zugleich auf mich armen Sünder zürnende „mit Mühe wieder zu versöhnende“ meinen armen schmachtenden Augen lang entzogene „himmlische“ über alle Menschen und Götter Begriffe süsse „göttliche“ mich unselig gemacht habende „zum Tollhaus – reif machende[“] mein alles seiende — Ida!!! Verzeihen sie mir wenn ich so ohne alle Umschweife begine und den Ihnen gebührenden Ttel so abkürtze! und schreiben Sie diese Bequemlichkeit von meiner Seite mit auf die Rechnung meiner Schuld, die durch mein langes Schweigen zum Riesenmässigen angewachsen ist. Eine Entschuldigung wie: Ich hatte keine Zeit etc erwarten sie nicht, denn theils ist eine solche mir zu fade theils bin ich zu fest überzeugt, dass Sie bei Ihnen keinen Glauben findet. – Ich will dreist beginen nachdem ich aber erst eine höchst nöthige Procedur vorgenommen habe und diese ist eine noch höhere Wand zwischen Pagen und Ritter zu errichten, sonst fürchte ich, dass das Herz des Pagen in die Hütte des Ritters überspränge und als Ritterherz zu Ihnen spricht: Das grösste Unglück, dass mir passieren könnte, denn 1stens — aber mein Gott wie langweilig wird der ins Ritterthum zu fallenfürchtende Page! — Der Mensch ist ja nicht zum aushalten! Durchlaucht! Das machen die vielen Thränen die mich überströmt haben die haben mich so mussrich gemacht doch wenn ihre Hoheit es mir gestatten so grabe und scharre ich mir meine Worte noch tiefer aus dem — Herzen heraus und dann soll sie eine ganz anständige Portion Feuer überströmen. In diesem Augenblick lodert die Flame aber so hell dass die Worte unfehlbar das Papier verbrennen würden und alles vertilgen. Ich renne mich in die Elbe zu stürzen um den Versuch zu machen ein innerliches Feuer zu löschen. Immer und ewig Ihr treuer Page Alexander.